Retraktion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Retraktion ist die Schrumpfung oder der Rückzug eines Gewebes, Organs oder einer anderen anatomischen Struktur. Physiologischerweise zieht sich das mütterliche Gewebe bei der Geburt eines Kindes zum Beispiel zusammen, um dem drängenden Kopf Durchtritt zu gewähren. Auch pathophysiologisch ist der Begriff der Retraktion relevant, so zum Beispiel die Retraktion der Mamille bei einem Carcinoma in situ.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Retraktion?

Die Retraktion ist z.B. die Schrumpfung oder der Rückzug eines Gewebes. Physiologischerweise zieht sich das mütterliche Gewebe bei der Geburt eines Kindes zum Beispiel zusammen, um dem drängenden Kopf Durchtritt zu gewähren.

"Retrahere" ist ein lateinisches Verb und bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie "zurückziehen". Der Begriff der Retraktion ist dementsprechend als Lehnwort aus dem Lateinischen zu verstehen und ist in der Medizin mit verschiedenen Bedeutungen assoziiert. In der Regel steht jeder medizinische Prozess der Retraktion in der Bedeutung des Rückzugs, der sich auf verschiedene Gewebe beziehen kann. Eine Retraktion impliziert in der Medizin also das Zurückziehen oder die Schrumpfung von Geweben, Organen oder anderen Strukturen des Organismus.

Als Gegenteil der Retraktion wird die Protraktion verstanden, die in der Anatomie mit einem Vorwärtsführen von Körperteilen oder anderen Strukturen assoziiert ist. Der Unterkiefer kann sich zum Beispiel vorschieben und hat so eine Protraktion vollzogen. Bei einer Retraktion des Unterkiefers zieht er sich dagegen nach hinten zurück, schiebt sich also nach hinten.

In unterschiedlichen Zusammenhängen steht die Retraktion medizinisch außerdem für eine Rückbildung von Geweben, wie sie vor allem im Rahmen von Erkrankungen relevant ist. Grundsätzlich wird der Begriff der Retraktion eher in der Pathophysiologie verwendet, als in der Physiologie. Das heißt, dass die Retraktion meist in Assoziation mit Krankheitsprozessen steht, als in Assoziation mit natürlichen Körperprozessen.

Funktion & Aufgabe

Eine gänzlich natürliche Retraktion in einem gesunden Organismus findet zum Beispiel im Rahmen der Wundheilung statt. Bei Verletzungen des körpereigenen Gefäßsystems verhindert die Gerinnungskaskade den Blutaustritt und stimuliert so die Blutstillung (Hämostase). Das Gerinnungssystem entspricht damit einem körpereigenen Schutz vor Blutungen und den dadurch entstehenden Blutverlusten. Die Hämostase ist dementsprechend eine lebenswichtige Körperfunktion.

Drei Schritte greifen bei der Blutgerinnung ineinander. Es kommt zur Vasokonstriktion, also zu einer Kontraktion der Gefäßmuskulatur im verletzten Gefäß, indem Serotonin und Thromboxan freigesetzt werden. Im verletzten Blutgefäß liegt nun verlangsamte Strömungsgeschwindigkeit vor, die das Zusammenheften von Thrombozyten aktiviert. Im dritten Schritt der Gerinnungskaskade verschließt sich die Verletzung mit einem Aggregat bestehend aus Fibrinpolymeren und Thrombozyten. Ein Thrombus bildet sich, sodass der Austritt von Blut gehemmt wird.

Sobald sich der Thrombus im Rahmen der anschließenden Wundheilung wieder zurückzieht, ist medizinisch betrachtet von einer Retraktion des Thrombus die Rede. Die Verkleinerung von Blutgerinnseln ist als aktive Leistung zu verstehen, die von den Blutplättchen (Thrombozyten) innerhalb der Hämostase erbracht wird.

Viele weitere, physiologische Prozesse bieten dem Begriff der Retraktion Verwendung. Das gilt unter anderem für typische Körpervorgänge bei der Geburt eines Kindes. Das Gewebe zieht sich bei jeder Wehe zum Beispiel über den abwärts drängenden Kopf des Kindes zurück. Auch dieser Geweberückzug ist eine Retraktion.

Zudem spricht der Arzt zuweilen von einer Retraktion des Hodens. Dieser Prozess liegt im Rahmen von Anomalien wie dem Pendelhoden vor, der sich durch die Kontraktion des Musculus cremaster zeitweilig in den Leistenkanal zurückzieht. Der Pendelhoden ist ins Skrotum (Hodensack) abgestiegen und daher nicht unbedingt als krankhafte Fehlbildung zu verstehen. Pendelhoden weisen an sich also keinen manifesten Krankheitswert oder Fehllagewert auf.

Nichtsdestotrotz verändern sie bei einem besonders lebhaften Kremaster-Reflex vorübergehend ihre Lokalisation und liegen anomal. In diesem Zusammenhang ist die Retraktion also nicht als manifest pathologische Erscheinung zu bewerten, sondern als vorübergehende Lageanomalie. Im Rahmen vieler Erkrankungen hat der Begriff der Retraktion allerdings pathologischeren Beigeschmack.

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Krankheiten & Beschwerden

Zuweilen ist bei einem pathologischen Rückzug des Augapfels in die Augenhöhle von einer Retraktion die Rede. Dieser Rückzug ist eine Fehlbildung, die auf Erkrankungen wie das Duane-Syndrom verweisen kann. Ähnlich dieser Begriffsverwendung deutet auch eine Retraktion der Mamille eine Erkrankung an. Bei einer solchen Retraktion geht der Arzt von einem duktalen Carcinoma in situ aus.

Noch krankhafter ist die Retraktion eines Lungensegments zu interpretieren. Damit ist das Zusammensinken eines einzelnen Lungensegments, des Lungenlappens oder der Lungenflügel in Richtung des Hilus gemeint. Die Retraktion der Lunge wird in diesem Zusammenhang mit einem Lungenkollaps assoziiert und ist dementsprechend als medizinischer Notfall zu verstehen.

Nicht nur als pathologisches Symptom von einzelnen Krankheitsvorfällen wird der Begriff der Retraktion innerhalb der Pathophysiologie genutzt. Auch für Folgephänomene nach bestimmten, pathologischen Vorgängen nutzt der Arzt die Bezeichnung. Das gilt zum Beispiel im Rahmen von länger anhaltenden Funktionsstörungen der Gehörtuben, die eine Rückbildung des Trommelfells bedingen können. Eine solche Rückbildung des Trommelfellgewebes wird als Trommelfellretraktion bezeichnet. Besonders oft kommt diese Art der Geweberetraktion im Rahmen eines Seromukotympanons vor.

In der Zahnmedizin wird der Begriff der Retraktion außerdem für den Rückzug des Zahnfleisches angewandt. Dieser Rückzug kann sich im Rahmen einer Parodontitis einstellen oder künstlich herbeigeführt werden, so zum Beispiel mit einer therapeutischen Entfernung des Zahnfleischs vom Bereich des Zahnhalses.

Therapeutisch ist die Retraktion außerdem mit der Verlegung eines künstlichen Darmausgangs assoziiert. So kann für Patienten mit Darmkrebs ein künstlicher Darmausgang behandlungsrelevant sein, wobei der Darm unter die Bauchdecke vernäht wird. Der Rückzug des so vernähten Darms unter das Hautniveau des Patienten wird in diesem Zusammenhang als Retraktion bezeichnet.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Krams, M., et al.: Kurzlehrbuch Pathologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004

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