Reaktive Arthritis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Nicht ausgeheilte Entzündungen können auf den Körper übergreifen und in der Folge zu Komplikationen führen. Eine solche Folgereaktion sind die reaktive Arthritis und ihre Sonderform, das Reiter-Syndrom.

Inhaltsverzeichnis

Was ist reaktive Arthritis?

Charakteristische Anzeichen einer reaktiven Arthritis sind Schwellungen, Rötungen und Schmerzen einhergehende Gelenkentzündungen, die etwa zwei bis vier Wochen nach einem Infekt der Atemwege, der Harn- und Geschlechtsorgane oder des Darmes auftreten.
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Eine reaktive Arthritis ist eine Gelenkentzündung als Folgereaktion auf eine andere Entzündung im Körper, z. B. Luftwege, Darm, Harnwege oder Geschlechtsorgane.

Die reaktive Arthritis entsteht meistens ein paar Wochen nach einer Infektion. Ein Auslöser lässt sich oft nicht mehr feststellen (häufig Salmonellen oder Geschlechtskrankheiten wie Chlamydien oder Gonorrhoe).

Eine reaktive Arthritis ist mit charakteristischen Beschwerden verbunden: Gelenkschmerzen /-schwellung und -überwärmung an Schulter, Ellenbogen, Knie oder Hüfte.

Beim Reiter-Syndrom (auch Reiter-Trias), einer Sonderform der reaktiven Arthritis, leidet man neben den Gelenkbeschwerden auch unter einer Bindehaut- und Harnröhrenentzündung.

Ursachen

Sowohl die reaktive Arthritis als auch das Reiter-Syndrom haben ihre Ursache in einer vorangegangenen bakteriellen Infektion (Darm, Harnwege, Geschlechtsorgane).

Beide können zum einen entstehen, wenn eine Infektion nicht oder nicht vollständig behandelt wird. Dann bleiben Bakterienreste im Körper, die vom Immunsystem erkannt und bekämpft werden.

Zum anderen kann das Immunsystem aber auch auf körpereigene Antigene reagieren, wenn diese den Strukturen der Bakterien ähneln (molekulares Mimikry). Es kann dann auch zu Gelenkentzündungen kommen, wenn keine Bakterien mehr vorhanden sind. Ärzte sprechen in diesem Fall von einer nicht-septischen Arthritis. Im Körper betroffener Patienten ist das Antigen HLA-B27 nachweisbar, das die Abwehrreaktion auslöst.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Charakteristische Anzeichen einer reaktiven Arthritis sind Schwellungen, Rötungen und Schmerzen einhergehende Gelenkentzündungen, die etwa zwei bis vier Wochen nach einem Infekt der Atemwege, der Harn- und Geschlechtsorgane oder des Darmes auftreten. Meist sind Hüft-, Knie- oder Sprunggelenk betroffen, gelegentlich entwickeln sich Gelenkentzündungen auch an Handgelenken, Ellenbogen oder Schulter.

Typisch ist auch die als „Wurstfinger“ bezeichnete Entzündung eines Finger- oder Zehengelenks. In der Regel tritt die Symptomatik nur auf einer Körperseite auf und beschränkt sich auf ein Gelenk, nur sehr selten schwellen mehrere Gelenke gleichzeitig an: Aufeinander folgende Entzündungen verschiedener Gelenke können aber vorkommen. Ein Befall von Wirbelsäule oder Becken macht sich durch Rückenschmerzen bemerkbar, die bis ins Gesäß ausstrahlen und sich nachts verschlimmern.

Als weitere Symptome können insbesondere an Handinnenflächen und Fußsohlen schuppende Hautveränderungen auftreten, gelegentlich bilden sich an Sprunggelenken und Unterschenkeln schmerzhafte blau-rote Knötchen (Erythema nodosa). Mit einer reaktiven Arthritis einhergehende Augenentzündungen machen sich durch Rötungen, Brennen, Schmerzen und eine erhöhte Lichtempfindlichkeit bemerkbar, auch Sehstörungen sind möglich.

Es können sowohl die Bindehaut als auch Hornhaut oder Regenbogenhaut betroffen sein. Bei Männern kommt es gelegentlich zu einer Entzündung der Eichel mit Pustelbildung und Rötungen. Als unspezifische Anzeichen werden oftmals leichtes Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl angegeben.

Diagnose & Verlauf

Bei Verdacht auf eine reaktive Arthritis oder auf ein Reiter-Syndrom sichert ein Arzt mit verschiedenen Untersuchungen und Tests die Diagnose reaktive Arthritis ab.

In der Anamnese fragt er zunächst nach Beschwerden. Anschließend untersucht er den Patienten körperlich und nimmt Blut ab, ggf. auch eine Urin- oder Stuhlprobe. Wenn neben der reaktiven Arthritis zeitgleich eine Augen- und Harnröhrenentzündung auftritt, ist das ein Hinweis auf ein Reiter-Syndrom.

Anhand einer Blutuntersuchung lässt sich feststellen, ob es weitere Hinweise auf eine reaktive Arthritis oder ein Reiter-Syndrom gibt:

  • Nachweis des Antigens HLA-B27 im Blut
  • Entzündungsmarker vorhanden
  • keine Rheumafaktoren nachweisbar

Neben der Blutuntersuchung kann die Diagnose reaktive Arthritis durch weitere Untersuchungen abgesichert werden:

Unbehandelt kann sowohl die reaktive Arthritis als auch das Reiter-Syndrom einen schweren Verlauf nehmen. In den meisten Fällen ist die reaktive Arthritis innerhalb eines Jahres ausgeheilt. Bei schwereren Fällen - besonders wenn mehrere Gelenke betroffen sind und zusätzlich ein Reiter-Syndrom auftritt - kann die Heilung sehr lange dauern. Als Komplikation kann durch die Entzündung eine Beeinträchtigung der Gelenkfunktion auftreten oder Gewebe zerstört werden. Ist das Auge betroffen, kann die Sehkraft nachlassen.

Komplikationen

Komplikationen können auftreten, wenn es im Rahmen der reaktiven Arthritis zu einer Ausbreitung vorhandener Entzündungen auf andere Körperregionen kommt. So kann eine Gelenkentzündung das gesamte Gelenk betreffen und die Gelenkfunktion dauerhaft beeinträchtigen oder diese sogar zerstören. Eine möglicherweise vorhandene Bindehautentzündung kann auf angrenzende Augenstrukturen übergreifen und dadurch die Sehkraft beeinträchtigen.

Je nach Art der zugrundeliegenden Entzündung können diese „Übergangsprozesse“ im gesamten Körper auftreten und dabei schwerwiegende Komplikationen auslösen. Das Reiter-Syndrom ist eine Sonderform der reaktiven Arthritis, die neben den Gelenkbeschwerden zu einer Bindehaut- und Harnröhrenentzündung führt. Beide Formen rufen in ihrem Verlauf starke Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und dauerhafte Gelenkschädigungen hervor.

Aufgrund der Beschwerden entwickeln einige Patienten psychische Leiden wie Depressionen und Ängste. Auch der Auslöser selbst kann Beschwerden und Spätfolgen nach sich ziehen. Bei der Behandlung der reaktiven Arthritis sind Antibiotika und Rheumatika die Hauptauslöser für Komplikationen. Diclofena, Ibuprofen und ähnliche Präparate können beispielsweise Magen-Darm-Beschwerden, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen, Hautirritationen und Nieren- oder Leberschäden hervorrufen. Alternative Behandlungsmethoden wie Kälteanwendungen und Physiotherapie verlaufen abseits von kleineren Erfrierungen oder vorübergehenden Muskelschmerzen relativ komplikationsfrei.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Diese Art der Arthritis sollte immer durch einen Arzt behandelt werden. Es kann dabei nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass der Betroffene immer auf eine medizinische Behandlung angewiesen ist, um weitere Komplikationen und Beschwerden zu verhindern. Die Lebenserwartung des Betroffenen ist durch diese Arthritis in einigen Fällen eingeschränkt. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Patient an Entzündungen der Gelenke oder an starken Infekten der Atemwege leidet. Diese Beschwerden treten meist plötzlich auf. Weiterhin können auch Schwellungen an den Gelenken auf diese Krankheit hindeuten.

Die Betroffenen leiden unter sehr starken Rückenschmerzen und sind daher in ihrem Alltag deutlich eingeschränkt. Die Entzündungen können auch die Augen betreffen, sodass die Betroffenen sehr empfindlich auf Licht reagieren und auch Sehstörungen haben können. Weiterhin deutet auch oft Fieber oder im Allgemeinen ein dauerhaftes Krankheitsgefühl auf diese Art der Arthritis hin und muss durch einen Arzt untersucht werden. Die Diagnose dieser Arthritis kann durch den Allgemeinarzt gestellt werden. Die weitere Behandlung richtet sich jedoch stark nach den genauen Beschwerden und nach ihrer Ausprägung und wird in der Regel von einem Facharzt durchgeführt.

Behandlung & Therapie

Bei der Behandlung der reaktiven Arthritis wie auch des Reiter-Syndroms kommt es wie bei anderen entzündlichen Erkrankungen auf Schmerzlinderung und Ausheilung der Entzündung an. In der Regel werden nicht-stereoidale Rheumatika wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure oder Diclofenac verordnet.

Wenn eine Entzündung im Körper nachgewiesen ist, werden Antibiotika verabreicht. Bei einer Geschlechtskrankheit wird der Partner mit behandelt. Oft sind bei einer reaktiven Arthritis aber keine Entzündungsparameter mehr vorhanden, dann braucht man auch kein Antibiotikum. In diesem Fall helfen gegen Gelenkschmerzen sehr gut Kälteanwendungen zur Schmerzlinderung und Physiotherapie, um die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten oder wiederherzustellen.

Sind mehrere Gelenke betroffen oder hat sich die Entzündung ausgeweitet, verabreicht man Kortison, um Folgeschäden zu vermeiden. Eine Augenentzündung muss schnell behandelt werden wegen der Gefahr der Sehbeeinträchtigung.


Vorbeugung

Die beste Vorbeugung vor reaktiver Arthritis ist, sich vor Infektionen des Darmes, der Harnwege und der Geschlechtsorgane zu schützen, die die Ursache für die reaktive Arthritis sind. Deshalb ist es wichtig, sich im Haushalt an Hygieneregeln zu halten:

  • saubere Hände und sauberes Kochgeschirr beim Kochen
  • Vorsicht mit rohem Fleisch und rohen Eiern
  • Obst waschen

Nachsorge

Zur Vorbeugung von Geschlechtskrankheiten helfen Kondome. Die reaktive Arthritis gilt nach sechs Monaten Therapie als ausgeheilt. Das Rückfallrisiko ist aber sehr hoch. Nach einer erfolgreichen Therapie gilt es, bei der Nachsorge der Erkrankung den weiteren Krankheitsverlauf im Zeitablauf zu beobachten. Denn bei bis zu 50 Prozent der Erkrankten treten die Gelenkentzündungen oder andere krankheitsbedingte Symptome nach einigen Jahren erneut auf.

Dabei beträgt die rückfallbedingte Verlaufsdauer der Erkrankung im Mittel 3 Jahre. Selten sind auch Krankheitsverläufe von bis zu 15 Jahren möglich. Rückfallbedingt auftretende Entzündungen der Gelenke sind dann rasch zu behandeln, um bleibende Gelenkschäden oder -veränderungen zu vermeiden. Bei der Nachsorge ist daher regelmäßig - mindestens alle sechs Monate - mittels Blutentnahme der Entzündungsmarker zu bestimmen.

Abhängig vom ärztlichen Befund sind auch Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen durchzuführen. Gelenkschäden im Anfangsstadium können so rechtzeitig entdeckt und behandelt werden. Um das Rückfallrisiko zu minimieren, sollten im Zeitraum der rückfallbedingten Verlaufsdauer von drei Jahren Sexualkontakte nur mit „medizinisch gesicherten“ Personen eingegangen werden.

Neben dem hohen Rückfallrisiko können sich bei bis zu 40 Prozenten der Erkrankten chronische Arthralgien, Arthritiden oder Sehnenprobleme manifestieren. Im Fokus der Nachsorge stehen hier physiotherapeutische Maßnahmen. Durch Bewegungsübungen und regelmäßigen Ausdauersport können die Gelenkbeweglichkeit und die Muskulatur erhalten bleiben beziehungsweise sogar verbessert werden. Zudem wird bei der Nachsorge regelmäßig die medikamentöse Therapie fortgeführt.

Das können Sie selbst tun

Im Rahmen der Selbsthilfe sollten erlittene Entzündungen stets vollständig auskuriert werden. Der Organismus ist nicht voll belastungsfähig, wenn eine vorliegende Erkrankung nicht vollständig geheilt ist.

Zur Unterstützung des Heilungsprozesses sind eine gesunde Lebensweise sowie die Ernährung wichtig. Die Lebensmittelzufuhr sollte ausgewogen und vitaminreich sein, damit das Immunsystem genügend Abwehrkräfte im Fall einer Erkrankung mobilisieren kann. Die Zufuhr von Schadstoffen wie Alkohol und Nikotin sind grundsätzlich zu unterlassen. Übergewicht ist zu vermeiden und zudem sollte eine ausreichende tägliche Bewegung stattfinden. Die regelmäßige Zufuhr von frischer Luft ist ebenso hilfreich wie das Treiben von Sport. Ausreichender Schlaf und eine gute Schlafhygiene helfen dem Körper ebenfalls dabei, gesund zu bleiben oder bei vorhandenen Erkrankungen den Heilungsprozess zu fördern.

Menschen mit einer reaktiven Arthritis sollten starke körperliche Belastungen unterlassen. Sobald der Körper Signale der Ermüdung sendet, sind diese zu berücksichtigen. Ruhe und Schonung notwendig, damit eine Regenerierung stattfinden kann. Eine Umstrukturierung des Alltags kann bei vielen Menschen hilfreich sein helfen, um das Wohlbefinden insgesamt zu verbessern. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass zu erfüllende Aufgaben und Verpflichtungen auf die Menschen des nahen Umfeldes umverteilt werden, sobald diese von dem Betroffenen selbst nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden können.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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