Progerie Typ 1 (Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Progerie Typ 1, auch als das Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom bekannt, handelt es sich um eine ersthafte, wenn auch äußerst seltene Kinderkrankheit. Ganz allgemein kann man Progerie als eine Krankheit bezeichnen, die das betroffene Kind im Zeitraffer altern lässt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Progerie Typ 1?

Beim Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom treten erste Symptome bereits früh auf. Die betroffenen Kinder wirken zum Zeitpunkt der Geburt noch gesund, jedoch kommt es schon innerhalb des ersten Lebensjahrs zu ersten Anzeichen der Erkrankung.
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Die Bezeichnung der Krankheit namens Progerie Typ 1 wird aus dem Griechischen abgeleitet, wo sich „Progeria“ etwa mit „frühes Alter“ übersetzen lässt. Typ 1, ebenfalls als Hutchinson-Gilford-Syndrom (Jonathan Hutchinson und Hastings Gilford, die beiden ersten Ärzte, die die kindliche Progerie definierten) bezeichnet, beschränkt sich dabei nur auf Kinder.

Diese Form der vorzeitigen Erkrankung lässt die Betroffenen fünf- bis zehnmal schneller als bei gesunden Menschen altern. Dementsprechend sterben auch die meisten Erkrankten, bevor sie das Erwachsenenalter erreichen.

Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt hier bei nur 14 Jahren. Glücklicherweise ist Progerie Typ 1 ebenso selten wie verheerend, man schätzt die Häufigkeit der Erkrankung auf 1:8.000.000.

Ursachen

Die Ursachen für Progerie Typ 1 sind, nach derzeitigem Stand der Wissenschaft, genetisch bedingt. Um zu verstehen, was den Körper bei Betroffenen im Zeitraffer altern lässt, muss man sich die zelluläre Ebene vor Augen führen:

Erkrankten an Progerie Typ 1 fehlt das Eiweiß Lamin A, das der Stabilisierung des Zellkerns dient. Dieses Eiweiß wird normalerweise durch das Lamin A-Gen in der DNA codiert, allerdings sind die Basen bei der Progerie vom Typ 1 falsch angeordnet.

Die Folge: Das richtige Eiweiß wird nicht mehr hergestellt, die Wände des Zellkerns sind formlos und eingefallen. Dies beeinträchtigt wiederrum die Qualität des Erbgutes sowie den Ablauf der Zellteilung. Neu gebildete Zellen funktionieren dann immer schlechter, was den Alterungsprozess enorm beschleunigt.

Man vermutet, dass diesem genetischen Defekt Spontanmutationen zugrunde liegen, da die Eltern der betroffenen Kinder keinerlei Symptome für Progerie Typ 1 aufwiesen, es also keine Vererbung gegeben hat.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Beim Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom treten erste Symptome bereits früh auf. Die betroffenen Kinder wirken zum Zeitpunkt der Geburt noch gesund, jedoch kommt es schon innerhalb des ersten Lebensjahrs zu ersten Anzeichen der Erkrankung. Auffällig ist dabei, dass die Kinder deutlich langsamer wachsen als gesunde Gleichaltrige. Sie leiden früh an Kleinwüchsigkeit. Ein weiteres charakteristisches Symptom der Progerie ist die rasche Alterung und vorzeitige Vergreisung.

Diese macht sich durch starken Haarausfall und trockene, raue und dünner werdende Haut bemerkbar. Dadurch werden die Venen unter der Haut sichtbar. Davon ist vor allem die Haut am Kopf betroffen. Ferner haben die betroffenen Kinder typischerweise ein kleines Gesicht mit einer Nase, die dem Schnabel eines Vogels ähnelt. Die Betroffenen sind besonders dünn und knochig, da es ihnen an Unterhautfettgewebe mangelt.

Auffällig ist außerdem eine besonders helle Stimme. Kinder mit Progerie leiden oft unter Krankheiten, die in der Regel ältere Menschen betreffen. Häufig kommt es etwa zu Osteoporose und Arthrose. Seltener treten auch Herz-Kreislauferkrankungen auf. Bei fortgeschrittener Progerie kann es sogar zu Herzinfarkten kommen. Oft haben die betroffenen Kinder auch Fehlstellungen oder Versteifungen der Gelenke und Knochenbrüche. Von anderen Erkrankungen wie Krebs oder Demenz sind sie nicht häufiger als gesunde Kinder betroffen.

Diagnose & Verlauf

Da die Symptome von Progerie Typ 1 bereits in den ersten Lebensjahren auftauchen, kann eine Diagnose recht früh gestellt werden. Allein schon die äußere Auffälligkeit dieser Symptome ist meist völlig ausreichend, um beim betroffenen Kind Progerie vom Typ 1 (Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom) zu diagnostizieren.

Nur zur Sicherheit kann eine genetische Untersuchung völlige Gewissheit bringen. Indes sind aber die äußerlichen Merkmale der Krankheit unübersehbar: Erkrankte Kinder an Progerie Typ 1 bleiben kleinwüchsig und haben nur einen dünnen Körperbau. Typische Symptome des Alterns lassen sich bei ihnen finden, wie etwa massiver Haarausfall und raue, faltige Haut.

Knochenschwund, Gefäßkrankheiten und der Verlust des Unterhaut-Fettgewebes gehören mit zunehmendem Alter ebenfalls dazu. Die meisten Erkrankten sterben dann auch an einem Herzinfarkt infolge arterieller Verschlüsse. Der Verlauf der Progerie Typ 1 endet meistens schon im pubertären Alter mit dem Tod.

Komplikationen

Bei der Progerie Typ 1 handelt es sich um eine sehr schwerwiegende Krankheit. Sie tritt dabei schon im Kindesalter auf und muss auch direkt behandelt werden. Anderweitig kommt es sonst zum Tode des Betroffenen. Die Patienten leiden bei der Progerie Typ 1 an einem sehr schnellen vorzeitigen Altern. Vor allem für die Angehörigen und die Eltern stellt diese Krankheit damit eine starke psychische Belastung dar.

Aus diesem Grund können auch die Eltern an psychischen Beschwerden oder an Depressionen leiden. Es kommt dabei beim Kind zu einem kleinen Gesicht und zu einer trockenen Haut. Auch ein Haarausfall kann auftreten und die Betroffenen können nur in einer sehr kindlichen Stimme sprechen. Weiterhin führt die Progerie Typ 1 unbehandelt zu Muskelschwund und zu Knochenschwund. Ebenso leiden die Patienten an einem erhöhten Risiko eines Herzinfarktes und können schließlich auch an diesem versterben.

Die Progerie Typ 1 kann nicht kausal behandelt werden. Aus diesem Grund werden nur die Symptome behandelt. Mit Hilfe verschiedener Therapien können die Beschwerden eventuell eingeschränkt werden. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch die Erkrankung allerdings erheblich verringert und eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Kinder, bei denen sich Besonderheiten innerhalb des Entwicklungsprozesses abzeichnen, sollten einem Arzt vorgestellt werden. Eine ungewöhnlich schnelle Alterung des Kindes ist unverzüglich von einem Arzt untersuchen und behandeln zu lassen. In den meisten Fällen zeigen sich die ersten Auffälligkeiten bereits innerhalb des ersten Lebensjahres.

Eine Verzögerung des Wachstums im unmittelbaren Vergleich zu gleichaltrigen Kindern ist mit einem Arzt zu besprechen. Kleinwüchsigkeit zeigt sich bei vielen Betroffenen. Haarausfall, eine Veränderung des Hautbildes, eine Vergreisung oder ein Erscheinungsbild, das dem eines erwachsenen Menschen gleicht, muss von einem Arzt abgeklärt werden.

Ein Arztbesuch ist ebenfalls notwendig, wenn es zu Störungen des Herzrhythmus kommt oder wenn sich optische Veränderungen im Gesicht entwickeln. Ein kleines Gesicht mit einer vogelähnlichen Nase ist charakteristisch für die Erkrankung und muss schnellstmöglich untersucht werden. Ein Arztbesuch ist anzuraten, sobald sich die ersten Auffälligkeiten abzeichnen, da die Erkrankung unbehandelt zu einem vorzeitigen Ableben des Betroffenen führt.

Kleinwüchsigkeit, Fehlstellungen oder Unregelmäßigkeiten in der Gelenktätigkeit sind Anzeichen einer gesundheitlichen Störung. Es besteht Handlungsbedarf, damit keine schweren Komplikationen eintreten. Besonderheiten des Bewegungsapparates, häufige Knochenbrüche und ein Herzinfarkt im Kindesalter sind alarmierende Hinweise einer vorhandenen Erkrankung. Eine umfangreiche Untersuchung ist vonnöten, damit eine Diagnosestellung erfolgen und ein Behandlungsplan erarbeitet werden kann.

Behandlung & Therapie

Aufgrund der Tatsache, dass Progerie Typ 1 auf einem genetischen Defekt basiert, kann sie wie auch andere genetisch bedingte Krankheiten nicht ursächlich behandelt werden. Das Einzige, was für die Betroffenen an dieser schicksalhaften Erkrankung getan werden kann, sind Behandlungen zur Linderung der auftretenden Komplikationen, die mit der Progerie vom Typ 1 auftreten.

Für die Stärkung der Muskulatur können Physiotherapien angesetzt werden, die die Beweglichkeit der Erkrankten verbessern. Um die Haut geschmeidiger zu halten, können spezielle Lotionen verwendet werden. Zudem können auch Medikamente verschrieben werden, um gewisse Symptome möglichst einzudämmen.

Dazu gehören beispielsweise Mittel gegen den Knochenschwund und die Gefäßerkrankungen. Aufgrund der Seltenheit der Krankheit befinden sich aber nach wie vor viele Medikamente in der Testphase. Trotzdem sollten alle erdenklichen Maßnahmen getroffen werden, um zumindest die Lebensqualität der Betroffenen von Progerie Typ 1 zu verbessern.


Vorbeugung

Leider lässt sich Progerie Typ 1 nicht vorbeugen. Sie ist eine rein zufällige Erkrankung des Erbgutes, die durch spontane Mutationen entsteht, wenn auch höchst selten. Vererbung kann auf jeden Fall ausgeschlossen werden. Es gibt allerdings heutzutage die Möglichkeit, Progerie Typ 1 durch eine genetische Untersuchung schon vor der Geburt zu diagnostizieren.

Nachsorge

Bei einer Progerie Typ 1 gibt es keine effektive Nachsorge, da die genetische Erkrankung bisher auch nicht therapierbar ist. Kinder, die unter der Krankheit leiden, müssen trotzdem regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen gehen. Bei diesen Untersuchungen überprüft der zuständige Arzt, ob sich die Symptome des Kindes verschlechtert haben und wie der allgemeine Gesundheitszustand ist.

Unter anderem testet er, wie beweglich die Gelenke des Patienten sind und wie schmerzempfindlich das Kind ist. Aber auch eine Untersuchung der Durchblutung und der Herz-Lungen-Funktionen ist zwingend notwendig. Je nachdem, wie der körperliche Zustand des Kindes ist, werden die Symptome soweit wie möglich behandelt.

Gegen die fortschreitende Versteifung der Gelenke hilft eine auf den Patienten zugeschnittene Physiotherapie. Mit speziellen Cremes, Lotionen und regelmäßigen Bädern soll die empfindliche Haut geschützt werden. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung in Verbindung mit Medikamenten gegen die Bildung von Thrombosen unterstützt die Durchblutung.

Aber auch eine psychologische Betreuung für das Kind und seine Familie sind sehr wichtig. Da die Kinder oft von Gleichaltrigen wegen ihrer Krankheit ausgegrenzt werden, sollen sie in speziellen Therapiegruppen Kontakt zu anderen Kindern bekommen. Eltern sollen dagegen lernen, wie sie ihr Kind im Alltag unterstützen und auch vergessen zu lassen, dass es an einer unheilbaren Krankheit leidet.

Das können Sie selbst tun

Ein an Progerie Typ 1 erkranktes Kind ist aller Wahrscheinlichkeit nach sein ganzes Leben lang auf die Hilfe von anderen angewiesen. Dies bedeutet für die Eltern eine enorme körperliche und seelische Belastung. Um sie auszugleichen, sollten sich die Eltern einer unterstützenden, psychotherapeutischen Behandlung unterziehen. Dies gilt auch für die Patienten selbst, die möglicherweise gemobbt oder ausgegrenzt werden.

Direkte Selbsthilfegruppen für Progerie-Betroffene und deren Angehörige gibt es nicht, dazu ist die Erkrankung zu selten. Allerdings bietet die Seite www.progerie.com weiterführende Informationen und Hilfe zur Selbsthilfe. In den USA gibt es eine Vereinigung, die Eltern und deren Progerie-Kinder über die einzelnen Staaten hinweg in Verbindung bringt: www.progeriaresearch.org. Von den Betreibern dieser Website werden auch Veranstaltungen organisiert, bei denen sich unter dem Motto „Meet the kids“ die betroffenen Kinder weltweit treffen können. Sowohl für die Patienten als auch für ihre Angehörigen können diese Treffen sehr motivierend und unterstützend sein. Die kleinen Progerie-Patienten finden dort Freunde, die das gleiche Schicksal erleiden. Einige davon werden zu Vorbildern, da sie viel älter sind als es die Durchschnittsprognose normalerweise erwarten lässt.

Neben der symptomatischen Behandlung der Erkrankung empfiehlt es sich, die zarte Haut der Patienten vor Sonne zu schützen und regelmäßig einzucremen, um sie geschmeidig zu halten.

Quellen

  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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