Pharmakokinetik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Behandlungen Pharmakokinetik

Unter dem Begriff Pharmakokinetik werden alle Prozesse zusammengefasst, denen die Arzneistoffe im Körper unterliegen. Dabei geht es um die Einwirkung des Körpers auf die Pharmaka. Der Einfluss der Wirkstoffe auf den Organismus wird im Gegensatz dazu als Pharmakodynamik bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Pharmakokinetik?

Unter dem Begriff Pharmakokinetik werden alle Prozesse zusammengefasst, denen die Arzneistoffe im Körper unterliegen. Dabei geht es um die Einwirkung des Körpers auf die Pharmaka.

Die Pharmakokinetik beschreibt die Freisetzung, die Aufnahme, die Verteilung, die biochemische Metabolisierung und die Ausscheidung der Arzneistoffe im Körper. In der Kurzform wird dieser Gesamtprozess als LADME bezeichnet. Das Wort LADME setzt sich jeweils aus den ersten Buchstaben der englischen Bezeichnungen von Freisetzung (Liberation), Aufnahme (Absorption), Verteilung (Distribution), Verstoffwechselung (Metabolism) und Ausscheidung (Excretion) zusammen.

Dabei dürfen die Begriffe Pharmakokinetik und Pharmakodynamik nicht verwechselt werden. Bei der Beschreibung der Pharmakokinetik geht es nicht um den Wirkungsmechanismus des Pharmakons, sondern um seine Veränderung unter dem Einfluss des Körpers. Umgekehrt wird der Wirkmechanismus des Arzneimittels auf das Zielorgan unter dem Begriff Pharmakodynamik beschrieben. Die Pharmakokinetik wurde im Jahre 1953 von dem deutschen Kinderarzt Friedrich Hartmut Dost als Folge seiner Erkenntnis begründet, dass Dosisempfehlungen von Arzneimitteln für Erwachsene und Kinder nach unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten ermittelt werden müssen.

Funktion, Wirkung & Ziele

Die fünf Phasen der Pharmakokinetik werden noch in die Invasions- und Evasionsphase eingeteilt. Zur Invasionsphase gehören Freisetzung, Aufnahme und Verteilung. In dieser Phase wird dem Organismus der Wirkstoff zugeführt. Die Verstoffwechselung und Ausscheidung der Arzneimittel zählt zur Evasionsphase (Ausführung aus dem Körper).

Eine Freisetzung (Liberation) des Wirkstoffes wird notwendig, wenn das Arzneimittel nicht bereits in gelöster Form vorliegt. Die Liberation ist im gesamten Prozess der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Deshalb muss die Darreichungsform des Medikamentes der gewünschten Schnelligkeit seiner Wirksamkeit angepasst werden. Da bei akuten Schmerzen eine schnelle Wirksamkeit gewünscht ist, werden hier schnell freisetzende Tabletten oder Brausetabletten verabreicht. Wenn zusätzlich noch Symptome wie Übelkeit und Erbrechen auftreten, ist die Verabreichung von Zäpfchen trotz langsamerer Wirkstofffreisetzung jedoch sinnvoller.

Besondere Herausforderungen bestehen bei der Notwendigkeit von modifizierten Arzneimittelabgaben. Das ist z. B. der Fall, wenn der Wirkstoff durch die Magensäure zerstört würde. Hier darf seine Freisetzung erst nach Magenpassage der Tablette oder Kapsel erfolgen. Durch eine entsprechende Formulierung der Tablette mit einer säurefesten Schutzschicht kann dieses Ziel erreicht werden. Die Schutzschicht wird dann im Dünndarm aufgelöst.

Des Weiteren können sogenannte Retardtabletten eine verzögerte Freisetzung des Wirkstoffs gewährleisten, um das Dosierungsintervall zu verlängern. Manche therapeutische Systeme sind darauf angewiesen, den Wirkstoff über einen langen Zeitraum kontrolliert freizusetzen.

Im zweiten Schritt erfolgt nun die Aufnahme des Wirkstoffs in den Blutkreislauf. Wenn die Arznei in flüssiger und gelöster Form verabreicht wird, entfällt der vorherige Schritt der Freisetzung. Der Resorptionsvorgang kann über verschiedene Mechanismen ablaufen, wie die passive Diffusion durch Zellmembranen, die Carrier-vermittelte Diffusion, den aktiven Transport oder die Phagozytose. Dabei beeinflussen viele physikalische oder chemische Faktoren die Resorption. So spielen Größe und Durchblutung der Resorptionsfläche sowie die Kontaktzeit mit ihr eine große Rolle.

Ein verkürzter Kontakt kann beispielsweise durch eine zu schnelle Darmpassage bei Durchfall zustande kommen, wobei die Wirksamkeit des Medikaments stark eingeschränkt wird. Im dritten Schritt zirkuliert der Wirkstoff im Blut und wird dadurch im Körper verteilt.

So gelangt er auch zum Zielorgan. Auch die Verteilung ist wiederum von vielen Parametern wie Löslichkeit, chemischer Struktur oder Bindungsvermögen an Plasmaproteine abhängig. Des Weiteren spielt auch die Struktur der Organe, der pH-Wert oder die Durchdringbarkeit der Membranen eine Rolle. Im vierten Schritt kommt es hauptsächlich in der Leber zum sogenannten Metabolismus des Wirkstoffes.

Dabei wird er zunächst funktionalisiert und in einem weiteren Schritt hydrophilisiert. Bei der Funktionalisierung finden Oxidations- oder Reduktionsreaktionen beziehungsweise Hydrolysen statt. Der Wirkstoff wird entweder wirkungslos oder verstärkt sogar noch seine Wirkung. In einigen Fällen können bei der Metabolisierung auch Gifte entstehen. Während der Hydrophilisierung erhält der Arzneistoff eine funktionelle Gruppe, die ihn wasserlöslich macht. So kann das Reaktionsprodukt dann im fünften Schritt der Pharmakokinetik über den Urin ausgeschieden werden.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Jede Phase der Pharmakokinetik eines Arzneimittels hält für den Organismus auch Risiken bereit. Schon die Phase der Freisetzung entscheidet über die Effektivität der Medikamentenwirkung. Im ungünstigsten Fall kann das Arzneimittel bei einer ungeeigneten Darreichungsform ganz wirkungslos bleiben.

Des Weiteren steht die Pharmazie auch vor der Herausforderung, die Tabletten oder Kapseln so zu formulieren, dass sie ihre Wirkung zum richtigen Zeitpunkt entfalten oder über einen längeren Zeitraum wirksam sind. Die Resorption der Wirkstoffe kann außerdem durch Darmerkrankungen gestört sein. In diesen Fällen müssen andere Darreichungsformen für die Medikamente gefunden werden. Bei der Verteilung der Arzneimittel im Körper kann es zuweilen zu Anreicherungen in bestimmten Organen kommen. Besonders fettlösliche Medikamente werden im Fettgewebe gespeichert und können oft nur sehr langsam aus dem Körper ausgeschleust werden.

Bei der Metabolisierung der Wirkstoffe kann es zu den größten Problemen kommen. Die chemisch veränderten Substanzen entfalten oft auch andere Wirkungen auf den Organismus. Viele Nebenwirkungen resultieren aus speziellen Abbauprodukten von Arzneimitteln.

Manchmal erfolgt bei der Metabolisierung sogar eine Verstärkung der Wirkung. Werden mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen, kann es zu einer unterschiedlich schnellen Metabolisierung kommen. Die langsamer metabolisierten Arzneistoffe reichern sich unter Verstärkung ihrer Wirkung an. So kann die Pharmakokinetik viele Medikamentennebenwirkungen und Kreuzreaktionen verschiedener Arzneimittel erklären.

Quellen

  • Aktories, K., Förstermann, U., Hofmann, F.B., Starke, K.: Repetitorium Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban & Fischer, München 2009
  • Lemmer, B., Brune, K. (Hrsg.): Pharmakotherapie – Klinische Pharmakologie. Springer, Berlin 2010
  • Schneider, D., Richling, F.: Checkliste Arzneimittel A-Z. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren