Oligodendrozyten

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Oligodendrozyten gehören zur Gruppe der Gliazellen und sind neben den Astrozyten und Neuronen immanenter Bestandteil des zentralen Nervensystems. Als Gliazellen üben sie unterstützende Funktionen für die Nervenzellen aus. Einige neurologische Erkrankungen wie beispielsweise die multiple Sklerose werden durch Funktionsstörungen von Oligodendrozyten hervorgerufen.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Oligodendrozyten?

Die Oligodendrozyten isolieren mit ihren Myelinscheiden die einzelnen Nervenzellfortsätze effektiv voneinander. Zusätzlich befinden sich in gewissen Abständen des Myelinmantels kurze unisolierte Stellen, die als Ranviersche Schnürringe bezeichnet werden.
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Oligodendrozyten sind eine besondere Form von Gliazellen. Sie sind im zentralen Nervensystem verantwortlich für die Ausbildung von Myelinscheiden zur Isolierung der Nervenfortsätze (Axonen). Früher wurden ihnen hauptsächlich Stützfunktionen ähnlich dem Bindegewebe zugesprochen.

Im Unterschied zum Bindegewebe entwickeln sich die Oligodendrozyten jedoch aus dem Ektoderm. Heute ist bekannt, dass sie großen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung und auf die energetische Versorgung der Neuronen haben. Im peripheren Nervensystem übernehmen die Schwannschen Zellen ähnliche Funktionen wie die Oligodendrozyten im ZNS.

Oligodendrozyten befinden sich hauptsächlich in der Weißen Substanz. Die Weiße Substanz besteht aus Axonen, die von einer Myelinscheide umgeben sind. Das Myelin verleiht dieser Region des Hirns die weiße Farbe. Im Gegensatz dazu besteht die Graue Substanz aus den Zellkernen der Neuronen. Da hier weniger Axonen vorhanden sind, ist auch die Anzahl der Oligodendrozyten in der Grauen Substanz begrenzt.

Anatomie & Aufbau

Oligodendrozyten sind Zellen mit kleinen runden Zellkernen. Ihre Zellkerne weisen einen hohen Gehalt an Heterochromatin auf, was durch verschiedene Färbetechniken gut nachgewiesen werden kann. Heterochromatin sorgt dafür, dass die Erbinformation in den Oligodendrozyten in der Regel inaktiv bleibt. So soll die Stabilität dieser Zellen gewahrt bleiben, um ihre Stützfunktion ungestört wahrnehmen zu können.

Oligodendrozyten besitzen Zellfortsätze, welche Myelin produzieren. Mit ihren Fortsätzen umhüllen sie die Axonen der Nervenzellen und bilden dabei Myelin. Mit diesem Myelin wickeln sie die Nervenfortsätze spiralförmig ein. Es bildet sich eine Isolierschicht um die einzelnen Axonen. Dabei kann ein Oligodendrozyt bis zu 40 Myelinscheiden erzeugen, die mehrere Axonen umwickeln. Von den Oligodendrozyten gehen jedoch weniger Fortsätze aus als von den anderen Gliazellen im Gehirn, den Astrozyten.

Das Myelin besteht zum großen Teil aus Fetten und zu einem kleineren Teil aus bestimmten Proteinen. Es ist für elektrische Ströme undurchlässig und wirkt daher wie eine starke Isolierschicht. So werden die einzelnen Axonen voneinander getrennt. Diese Isolierschicht sieht ähnlich aus wie eine Isolierung um ein Kabel. In Abständen von 0,2 bis 1,5 Millimetern fehlt jeweils die Isolierschicht.

Diese Bereiche werden als Ranviersche Schnürringe bezeichnet. Sowohl die Isolierung als auch die Bildung von isolierten Abschnitten hat großen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Informationsübertragung.

Funktion & Aufgaben

Die Oligodendrozyten isolieren mit ihren Myelinscheiden die einzelnen Nervenzellfortsätze effektiv voneinander. Zusätzlich befinden sich in gewissen Abständen des Myelinmantels kurze unisolierte Stellen, die als Ranviersche Schnürringe bezeichnet werden. Auf diese Weise können die Nervensignale effektiver und schneller weitergeleitet werden.

Bereits die Isolierung der Axone beschleunigt die Signalweiterleitung. Die Unterteilung der Isolierung in Abschnitte macht diese Beschleunigung noch effektiver. Das Signal springt dabei von Schnürring zu Schnürring. So kann eine Geschwindigkeit von bis zu 200 Metern pro Sekunde oder 720 Km pro Stunde generiert werden. Diese hohe Geschwindigkeit ermöglicht erst die Herausbildung einer hochkomplexen Informationsverarbeitung. Das Gleiche gilt auch für die getrennte Weiterleitung durch die Isolierung der Nervenstränge. Ohne Myelinscheiden müssten die Axonen sehr dick sein, um hohe Signalgeschwindigkeiten zu erreichen.

Es wurde bereits errechnet, dass allein unser Sehnerv ohne Myelinscheiden so dick wie ein Baumstamm sein müsste, um die gleichen Leistungen zu erbringen. In solch komplexen Organismen, wie die Wirbeltiere und speziell die Menschen werden unzählig viele Nervenimpulse weitergeleitet, welche zur Informationsverarbeitung aufbereitet werden müssen. Ohne Oligodendrozyten wäre die komplexe Informationsverarbeitung und damit die Entwicklung von Intelligenz gar nicht möglich.

Seit Jahrzehnten ist diese Funktion der Oligodendrozyten bekannt. In den letzten Jahren wuchs jedoch die Erkenntnis, dass die Oligodendrozyten noch mehr Funktionen ausführen. So sind die Axonen beispielsweise sehr lang und die Weiterleitung des Signals kostet auch Energie. Allerdings reicht die Energie innerhalb der Axonen nicht aus, zumal kein Nachschub aus dem Zytoplasma des Neurons kommt. Nach neuesten Erkenntnissen nehmen die Oligodendrozyten zusätzlich Glukose auf und speichern sie sogar als Glukogen.

Bei erhöhtem Energiebedarf in den Axonen wird die Glukose zunächst in den Oligodendrozyten zu Milchsäure umgewandelt. Die Milchsäuremoleküle wandern dann über Kanäle in der Myelinscheide ins Axon und liefern dort Energie zur Signalübertragung.

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Krankheiten

Oligodendrozyten spielen eine große Rolle bei der Entstehung von neurologischen Erkrankungen wie multiple Sklerose. Bei der multiplen Sklerose kommt es zur Zerstörung der Myelinscheiden, wobei die Isolierung der Axonen verloren geht. Die Signale können nicht mehr richtig weitergeleitet werden.

Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, wobei das Immunsystem die körpereigenen Oligodendrozyten angreift und zerstört. Multiple Sklerose tritt oft in Schüben auf. Nach jedem Schub wird der Körper wieder angeregt, neue Oligodendrozyten zu bilden. Die Krankheit beruhigt sich. Wird die Entzündung und damit die Zerstörung der Oligodendrozyten chronisch, sterben auch die Nervenzellen ab. Da diese sich nicht regenerieren können, entstehen bleibende Schäden.

Die Frage bleibt jedoch, wieso auch die Neuronen zugrunde gehen. Eine Antwort geben die in den letzten Jahren gemachten Entdeckungen. Oligodendrozyten versorgen die Neuronen über die Axonen mit Energie. Wenn die Energieversorgung endet, sterben auch die Nervenzellen ab.

Quellen

  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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