Neurochirurgie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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In Deutschland wird die Neurochirurgie einem Teilbereich der Medizin zugeordnet, der Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems durch einen operativen Eingriff behandelt. Entgegen der Fachbezeichnung wird diese medizinische Disziplin weder der Chirurgie noch der Neurologie zugeordnet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Neurochirurgie?

Die Neurochirurgie dient der Erkennung und operativen Behandlung von Verletzungen, Fehlbildungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems und seiner Hüllen sowie des vegetativen und peripheren Nervensystems.

Die Neurochirurgie ist eine selbständige medizinische Disziplin und umfasst definitionsgemäß die Erkennung und operative Behandlung von Verletzungen, Fehlbildungen und Erkrankungen des zentralen Nervensystems und seiner Hüllen sowie des vegetativen und peripheren Nervensystems.

Dazu gehören auch die notwendigen Voruntersuchungen, konservative Behandlungsverfahren und die sich nach dem Eingriff anschließende Rehabilitation. Ein Neurochirurg durchläuft in Deutschland eine sechsjährige Ausbildung zum Facharzt. Der Weiterbildungsberechtigte ist 48 Monate in der stationären Patientenversorgung und sechs Monate in der intensivmedizinischen Versorgung neurochirurgischer Patienten tätig.

Bis zu zwölf Monate Tätigkeit in der Chirurgie, der Neuropathologie, der Neurologie oder Neuroradiologie oder 6 Monate in Anatomie, Anästhesiologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Augenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie sind auf die Facharztausbildung anrechenbar.

Funktion, Wirkung & Ziele

Zu den Eingriffen am Gehirn gehören die operative Entfernung von Tumoren bei supra- und infratentoriellen (Haut als Trennung von Klein- und Großhirn) intrazerebralen (inneres Gehirngewebe) Prozessen einschließlich gebietsbezogener Tumortherapie sowie die Behandlung von Infarkten und Blutungen.

Operative Eingriffe ermöglichen die Beseitigung von Schädel-Hirn-Traumen sowie Missbildungen von Gehirn, Rückenmark und Schädel in Form von intra- und extraduralen Hämatomen, Liquorfisteln, Impressionsfrakturen sowie an den Nerven. Die Neurochirurgen führen Operationen bei Spaltmissbildungen durch oder legen Liquorableitungen. Sie therapieren Erkrankungen der Gefäße, der Bandscheibe und der zervikalen (Halswirbel), thorakalen (Brustwirbel) und lumbalen (Lendenwirbel) Wirbelsäule. Hierfür eignen sich insbesondere die Nervenwurzel- und Rückenmarksdekompression.

Funktionelle Störungen wie Epilepsie und Schmerzsyndrome können durch destruierende Implantations-Verfahren beseitigt werden. Bei diagnostischen Eingriffen finden die Myelographie sowie die ventrikuläre und lumbale Liquor-Drainage mit ohne Druckmessung sowie Biopsien Anwendung. Neurochirurgen behandeln Hydrocephalus (Abflussstörungen des Gehirnliquors) durch endoskopische Verfahren, das Legen einer vorübergehenden Drainage oder dauerhafter Ableitungen. In Spezialkliniken werden Patienten mit zentralen Bewegungsstörungen durch navigationsgestützte spezielle Simulationsverfahren behandelt. Eine ähnlich ausgerichtete Navigationstechnik ermöglicht den Medizinern die Behandlung von Tumoren durch die Platzierung strahlender Elemente, die eine gezielt wirkende Hirntumortherapie zum Ziel hat.

Die Neurologen sorgen für die sachgerechte Probengewinnung und Probenbehandlung für labortechnische Untersuchungen und ordnen diese in das jeweilige Krankheitsbild ein. Die Neurochirurgie kommt auch im Bereich vieler Wirbelsäulenerkrankungen zum Einsatz. Tumore, Bandscheibenvorfälle und Wirbelkanalengen werden operativ behandelt und entfernt. Dabei werden Streuherde weiterer im Körper heranwachsender Tumoren wie Knochentumoren, Bindegewebstumoren, Tumoren der Hirnhäute und Nervengewebstumoren entfernt. Im Fall von Bandscheibenvorfällen und Wirbelkanalengen wird das einengende und schmerzverursachende Gewebe entfernt. In der peripheren Neurochirurgie befassen sich die Mediziner mit der Behandlung von Engpasssyndromen wie dem Ulnarisrinnen-Syndrom (Nervenengpass am Ellenbogen), Tarsaltunnelsyndrom (Nervenengpass am Fuß), Supinatortunnelsyndrom (Lähmungserscheinung an Langfinger und Daumen) und dem Karpaltunnelsyndrom (Nervenengpass der Hand).

Weitere Aufgaben sind Vorbereitungsmaßnahmen zu Organspenden, die Behandlung von Tumoren an den Nerven und die Wiederherstellung der Nervenkontinuität durch Akutversorgung unmittelbar nach Transplantationseingriffen und Verletzungen. Neurologen müssen sich in der Anwendung der Infusions-, Transfusions- und Blutersatztherapie und der enteralen und parenteralen Ernährung ihrer Patienten auskennen. Sie wissen Katheter- und Punktionstechniken richtig anzuwenden und werten das daraus gewonnene Untersuchungsmaterial aus. Einfache Beatmungstechniken sowie Beatmungsentwöhnung nach operativen Eingriffen sind Klinikroutine. Die Mediziner versorgen Palliativpatienten und erleichtern ihnen durch medizinische Therapien ihren letzten Lebensabschnitt.

Neurochirurgen müssen nicht nur in der Lage sein, physische Ursachen für die Erkrankungen ihrer Patienten zu erkennen, sondern sich auch mit ihrem psychologischen Zustand beschäftigen. Dazu gehören die Erkennung psychogener Syndrome, somatopsychischer Reaktionen (körperliche Symptome ohne erkennbare medizinische Ursache) und psychosozialer Zusammenhänge. Sie begleiten ihre Patienten bei ergotherapeutischen, physikalischen und logopädischen Therapiemaßnahmen. Durch die intensivmedizinische Basisversorgung sowie die Erkennung akuter Notfälle und die Durchführung lebensrettender Maßnahmen am Patienten garantieren sie die Aufrechterhaltung seiner Vitalfunktionen und die Wiederbelebung.

Die Tracheotomie (operativer Zugang zur Luftröhre) sichert die Beatmung des Patienten. Zu den allgemeinen Tätigkeiten gehören die Wundversorgung, steriles Abdecken sowie die diagnostische Vorbereitung und die prä- und postoperative Versorgung der Patienten bei häufig auftretenden neurochirurgischen Beschwerden. Neurologen lernen während ihrer Fachausbildung auch scheinbar einfache Tätigkeiten wie den angemessenen Umgang mit Patienten und Kollegen, Vorstellung von Patienten bei Visiten, neurochirurgische Demonstrationen und Dokumentationen und Verhaltensweisen im Operationssaal.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Die Risiken der Neurochirurgie sind heutzutage dank moderner Technik minimal, wobei mit jedem operativen Eingriff in den menschlichen Organismus ein gewisses Risiko nicht vollständig auszuschließen ist. Die Neurochirurgie bemüht sich regelmäßig um minimalinvasive Verfahren durch endoskopische und stereotaktische Methodik.

Durch den Einsatz innovativer bildgebender Diagnosetechnik wie der Computertomographie und der Kernspintomographie sind die Grundlagen der Mikronen-Neurochirurgie gegeben. Die Funktionen des menschlichen Körpers können bereits präoperativ durch die Positronen-Emissions-Tomographie (PET, nuklearmedizinisches Verfahren zur Sichtbarmachung von Stoffwechselprozessen im Körper zur Früherkennung von Tumorerkrankungen), der Magnetoenzephalographie (MEG, Gehirnmessung) sowie im funktionellen Magnetresonanztomogramm (MRT, Darstellung von Geweben und Organen durch Magnetfelder und Radiowellen) dargestellt werden. Leistungsstarke Rechner unterstützen die Mediziner dabei, die gewonnenen Informationen hinsichtlich der geistigen und körperlichen Funktionen der Patienten in ihre Operationsplanung miteinzubeziehen.

Die funktionelle computer-assistierte Mikronenchirurgie gehört heute zu den Standardverfahren in allen gut ausgerüsteten Kliniken. Ergänzt wird diese klinische Routine durch moderne Methoden wie der optischen Kohärenztomografie (Erkennung von Netzhaut- und Adererkrankungen) und der Multiphotonen-Fluoreszenztomographie (nicht invasives, neuartiges Diagnosesystem ohne Marker und radiologische Belastung). Weitere Techniken der interoperativen Bildgebung sind die Ultraschall und Laser-Fluoreszenzmarkierung von Tumoren, sonographische (Ultraschall) und Doppler-/Duplex-Untersuchungen extrakranieller hirnversorgender und intrakranieller Gefäße.

Die Mediziner führen neurophysiologische Untersuchungen durch das Elektroenzephalogramm (nicht invasive Methode zur Messung der elektrischen Gehirnströme) einschließlich evozierter Potenziale (gezielt ausgelöste elektrische Phänomene) durch. Das Elektromyogramm (Messung der natürlichen elektrischen Muskelspannung, “Ableitung“) und die Myelographie (Röntgenaufnahme durch Kontrastmittelspritzung in den Wirbelkanal) sind weitere bildgebende Verfahren. Diese innovativen Methoden ermöglichen die mikroskopische Definition von Tumoren im Körper des Patienten und eine schonende minimal-invasive, aber dennoch maximal effektive Neurochirurgie bei gleichzeitiger Schonung wichtiger Nerven- und Hirnfunktionen.

Typische & häufige Nervenerkrankungen

Quellen

  • Dützmann, S.: BASICS Neurochirurgie. Urban & Fischer, München 2014
  • Moskopp, D., Wassmann, H.: Neurochirurgie. Handbuch für die Weiterbildung und interdisziplinäres Nachschlagewerk. Schattauer, Stuttgart 2015
  • Schirmer, M.: Neurochirurgie. 10. Auflage, Urban & Fischer, München 2004

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