Nervenleitfähigkeit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Nervenleitfähigkeit ist die Fähigkeit von Nervenfasern, bioelektrische Impulse in einer bestimmten Geschwindigkeit zu beiden Richtungen der Leitung weiterzuleiten. Die Weiterleitung erfolgt über Aktionspotenziale in der Salvatorischen Erregungsleitung. Bei Erkrankungen wie der Polyneuropathie ist die Nervenleitfähigkeit gestört.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Nervenleitfähigkeit?

Die Nervenleitfähigkeit ist die Fähigkeit von Nervenfasern, bioelektrische Impulse in einer bestimmten Geschwindigkeit zu beiden Richtungen der Leitung weiterzuleiten.

Nervenfasern sind dazu in der Lage, bioelektrische Impulse durch den Körper zu leiten. Physikalisch betrachtet setzt sich jede Nervenfaser aus einer isolierenden Myelinhülle und einer leitfähigen Masse im Inneren dieser Hülle zusammen.

Signalübertragungen im Nervensystem erfolgen durch die Übermittelung von Aktionspotenzialen, die als bioelektrische Spannungen weitergegeben werden. Da es entlang von Nervenfasern aber schnell zu einem Spannungsabfall kommt, werden Impulse im Nervensystem nur über kurze Strecken als tatsächlich bioelektrische Spannungen transportiert. Zusätzlich liegen in den Membranen der Nervenfasern daher spannungsabhängige Ionenkanäle. Diese Kanäle der Nervenfasern dienen ergänzend der Fortleitung von Spannungspotenzialen entlang einzelner Nerven. Ohne die Ionenkanäle wäre die Nervenleitfähigkeit deutlich weniger abrupt.

Die Geschwindigkeit der Nervenleitbahnen ist heute messbar. In diesem Zusammenhang ist von der Nervenleitgeschwindigkeit die Rede, die bei Säugetieren zwischen einem und 100 m/s entspricht. Diese Nervenleitgeschwindigkeit ist von der Temperatur abhängig, da molekulare Strukturen an der Nervenleitung beteiligt sind.

Funktion & Aufgabe

Wenn bestimmte Nerven gereizt werden, dann lässt sich diese Reizung dank der Nervenleitfähigkeit weiterverbreiten. Werden beispielsweise Nerven in den Extremitäten gereizt, so verbreitet sich dieser Impuls in beide Richtungen der Nervenfaser und ändert dabei das Spannungsfeld des Körpers. Der Impuls wird ins Gehirn übertragen und geht dort ins Bewusstsein über.

Auch motorische Impulse, die aus dem zentralen Nervensystem heraus an die Muskulatur gesandt werden, erreichen ihr Ziel nur wegen der Nervenleitfähigkeit. Die Nervenleitgeschwindigkeit bestimmt im Rahmen dessen, wie lange der Impuls zur Ausbreitung und letztlich zur Zielerreichung braucht.

Die Myelinschicht der Axone dient der elektrischen Isolation und erreicht eine extreme Verstärkung des geleiteten Signals. Nur an den freiliegenden Teilen der Nervenfaser muss der Impuls verstärkt werden. Daher sind an diesen Stellen Ionenkanäle zwischengeschalten, die das Signal stark genug machen, um die Membran der nächsten Nervenfaser zu depolarisieren und auch dort ein Aktionspotenzial auszulösen. Dieses System ist auch unter der Bezeichnung der Salvatorischen Erregungsleitung bekannt.

An einer Nervenfaser herrscht zunächst Ruhemembranpotenzial. Zwischen dem Extra- und Intrazellulärraum besteht damit eine Potentialdifferenz, aber entlang des Axons liegt keine Potentialdifferenz vor. Wenn die Nervenfaser im Ruhepotenzial von einem Impuls erreicht wird, der sie über das Schwellenpotenzial hinweg depolarisiert, dann öffnen sich durch diese Spannung die spannungsabhängigen Na+-Kanäle der Faser. Die Na+-Ionen fließen damit vom Extrazellulärraum in den Intrazellulärraum der Nervenfaser. Die Plasmamembran depolarisiert und ein Übermaß an positiven Ladungen liegt verglichen mit der Umgebung vor. Auf diese Weise entsteht ein elektrisches Feld.

Als Folge dessen kommt es zu einer Potentialdifferenz entlang des Axons. So treten Ladungsverschiebungen auf, die das Membranpotential der nächsten Nervenfaser positivieren. Neben der Übertragung von Aktionspotenzialen im peripheren Nervensystem erfolgt auch die Übertragung von Impulsen im zentralen Nervensystem über die beschriebenen Vorgänge.


Krankheiten & Beschwerden

Wenn das periphere Nervenkostüm und damit die Nervenleitfähigkeit in den einzelnen Nervenbahnen geschädigt ist, dann können sich Taubheitsgefühle und sogar motorische Beeinträchtigungen einstellen.

Schäden an den Nervenbahnen treten als verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeiten in Erscheinung. Eine der bekanntesten Erkrankungen ist in diesem Zusammenhang die Polyneuropathie. Informationen ins Gehirn und aus dem Gehirn heraus in den Körper, werden im Rahmen von Polyneuropathien nur noch langsam, gar nicht mehr oder zumindest unvollständig übertragen. Grund dafür sind geschädigte Nervenbahnen, die den Informationsfluss hemmen.

Für dieses Phänomen gibt es verschiedene Ursachen. Grundsätzlich unterscheidet die Medizin zwischen erworbenen und angeborenen Polyneuropathien. Erworbene Formen der Erkrankung können zum Beispiel auf Gifte oder Entzündungen und schädliche Stoffwechselprodukte zurückzuführen sein. Angeborene Varianten sind dagegen genetisch bedingt. Hoher Alkoholkonsum und falsche Ernährung sind die häufigsten Auslöser einer erworbenen Polyneuropathie. Sowohl Blutzucker, als auch Stoffwechselprodukte beim Alkoholabbau greifen das Nervenkostüm an und können es schädigen.

Auch Infektionen wie Lepra können aber mit Polyneuropathien in Zusammenhang stehen. Bei manchen Infektionen mit einer Polyneuropathie bleibt der Erreger sogar unerkannt. Das ist beispielsweise beim Guillain-Barré-Syndrom der Fall. Bei dieser Erkrankung kommt es plötzlich zu entzündlich inflammatorischen Veränderungen des peripheren Nervensystems, die meist von den Nervenwurzeln am Rückenmark ausgehen.

Noch häufiger als die Polyneuropathie kommt das Karpaltunnel-Syndrom vor, das in der Regel durch Druckschäden am Medianusnerv der Handwurzel entsteht.

Von den genannten Erkrankungen zu unterscheiden sind demyelinisierende Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die die Nervenleitfähigkeit durch den Abbau von isolierendem Myelin in Schaltzentralen wie dem Gehirn beeinträchtigen. Eine der bekanntesten dieser Erkrankungen ist die degenerative Erkrankung Multiple Sklerose. Auch Neuropathien wie die akute motorisch axonale Neuropathie fallen in diesen Bereich.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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