Myeloproliferative Erkrankung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Myeloproliferative Erkrankungen sind bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems. Das Leitsystem der Krankheiten besteht in der monoklonalen Proliferation von einer oder mehreren hämatopoetischen Zellreihen. Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung im Einzelfall und kann neben Bluttransfusionen Blutwäsche, Medikamentengabe und Knochenmarktransplantationen beinhalten.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Myeloproliferative Erkrankungen?

Die Symptome myeloproliferativer Erkrankungen können in unterschiedlichem Schweregrad vorliegen und hängen von der genauen Erkrankung im Einzelfall ab.
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Eines der wichtigsten blutbildenden Organ ist die Medulla ossium, also das Knochenmark. Zusammen mit Leber und Milz formt es das blutbildende System des Menschen. Unterschiedliche Erkrankungen können das blutbildende System betreffen. Der Sammelbegriff der malignen hämatologischen Erkrankungen entspricht beispielsweise einer heterogenen Krankheitsgruppe mit bösartiger Natur, die sich auf das blutbildende System auswirkt.

Zu den maligne hämatologischen Erkrankungen zählt die Untergruppe der myeloproliferativen Erkrankungen. Diese Krankheitsgruppe zeichnet sich durch eine monoklonale Proliferation von Stammzellen im Knochenmark aus. In der Literatur ist bei den entsprechenden Erkrankungen zuweilen auch von myeloproliferativen Neoplasien die Rede.

Der US-amerikanische Hämatologe Dameshek schlug für bösartige Erkrankungen des Blutsystems zunächst den Begriff der myeloproliferative Syndrome vor und fasste darunter Erkrankungen wie die chronisch myeloische Leukämie. Mittlerweile hat sich die Krankheitsgruppe der myeloproliferativen Erkrankungen durchgesetzt, die auf einer bösartigen Entartung blutbildender Zellen der myeloischen Reihe beruht. Zur Gruppe zählen mehr als zehn Krankheiten, so unter anderem Polycythaemia vera.

Ursachen

Auf welchen Ursachen eine myeloproliferative Erkrankung beruht, ist bislang nicht abschließend geklärt. Spekulationen zufolge rufen Risikofaktoren wie ionisierende Strahlung oder chemische Noxen die Krankheiten des blutbildenden Systems hervor. Zu den chemischen Noxen zählen Wissenschaftler in diesem Zusammenhang vor allem Benzol und Alkylanzien.

Obwohl die genannten Noxen allesamt erwiesenermaßen entsprechende Phänomene hervorrufen könnten, ist ein Zusammenhang mit den Noxen in den meisten Fällen myeloproliferativer Erkrankungen nicht unmittelbar auszumachen. Forscher haben sich mittlerweile zumindest auf den Verdacht geeinigt, dass bisher unbekannte Noxen Mutationen im Erbgut hervorrufen.

Diese Mutationen sollen Chromosomenaberrationen entsprechen, also Anomalien im genetisch chromosomalen Erbmaterial. Die Anomalien werden von Forschern zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die primäre Krankheitsursache gehalten. Die Hypothese wird von bisher dokumentierten Fallberichten myeloproliferativer Erkrankungen gestützt. So liegt in vielen Fällen von Polycythaemia Vera begleitend eine Mutation im Janus-Kinase-2-Gen JAK2 vor.

Symptome, Beschwerden und Anzeichen

Die Symptome myeloproliferativer Erkrankungen können in unterschiedlichem Schweregrad vorliegen und hängen von der genauen Erkrankung im Einzelfall ab. Einige Beschwerden haben die meisten Krankheiten der Gruppe allerdings gemein. Neben einer Leukozytose kann zum Beispiel eine Erythrozytose oder Thrombozytose auftreten.

Damit besteht ein Überangebot bestimmter Blutzellen. Vor allem in frühen Stadien myeloproliferativer Erkrankungen können die drei genannten Phänomene gleichzeitig eintreten. Darüber hinaus leiden die Patienten oft an einer Basophilie. Ein ebenso häufig auftretendes Symptom ist die Splenomegalie. In vielen Fällen tritt außerdem eine Fibrose des Knochenmarks ein, wobei dieses Symptom vor allem die Osteomyelosklerose auszeichnet.

Dieses Krankheitsbild geht von der Fibrose abgesehen außerdem mit extramedullärer Blutbildung einher. Im Extremfall tritt im Verlauf ein Übergang zu einem lebensgefährlichen Blastenschub ein, so in erster Linie bei Erkrankungen wie CML. Abhängig von der jeweiligen Krankheit können im Einzelfall viele weitere Symptome auftreten. Das Vorliegen aller hier genannten Symptome ist zur Diagnose einer myeloproliferativen Erkrankung nicht zwingend erforderlich.

Diagnose und Krankheitsverlauf

Die Diagnose einer myeloproliferativen Erkrankung gestaltet sich gerade in frühen Stadien oft schwierig. Eine eindeutige Zuordnung der Symptome ist in den Anfangsstadien meist nicht möglich. Teilweise überschneiden sich Einzelerkrankungen aus der Krankheitsgruppe auch miteinander und erschweren die Zuordnung so noch weiter.

Polycythaemia vera tritt zum Beispiel oft mit Osteomyelosklerose auf oder geht darin über. Der Krankheitsverlauf der Erkrankungen ist chronisch und unterliegt einer gewissen Progredienz. Das heißt, dass die Schwere der Erkrankung mit der Zeit zunimmt und eine dementsprechend eher ungünstige Prognose besteht.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Störungen der Durchblutung oder Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus müssen einem Arzt vorgestellt werden. Kommt es zu Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten oder Schwellungen am Oberkörper, besteht Anlass zur Besorgnis. Allgemeine Funktionsstörungen, Unstimmigkeiten bei der Verdauung oder eine innere Unruhe sind Anzeichen einer vorliegenden Erkrankung. Ein Arztbesuch ist notwendig, sobald die Beschwerden über eine längere Zeit unvermindert anhalten oder an Intensität zunehmen. Klagt der Betroffene über ein Krankheitsgefühl, Unwohlsein oder Schlafstörungen, sollte er einen Arzt konsultieren. Plötzliche Schweißausbrüche oder eine starke nächtliche Schweißproduktion trotz optimaler Schlafbedingungen sind einem Arzt vorzustellen.

Eine innere Kälte oder Hitzeentwicklung sowie eine erhöhte Körpertemperatur sind Hinweise des Organismus für eine vorliegende gesundheitliche Unregelmäßigkeit. Kopfschmerzen, Störungen der Konzentration oder eine Abnahme der Leistungsfähigkeit müssen ärztlich abgeklärt werden. Veränderungen des Muskelsystems, eine ungewöhnliche Reaktion des Körpers im Kontakt mit basehaltigen Präparaten sowie eine Abnahme des Körpergewichts müssen von einem Arzt untersucht werden. Können sportliche Aktivitäten oder alltägliche Vorgänge nicht mehr verrichtet werden, ist ein Arzt zu konsultieren. Eine anhaltende innere Schwäche, ein allgemeines Unwohlsein oder seelische Probleme müssen mit einem Arzt besprochen werden. Häufig verbirgt sich eine ernste Erkrankung hinter den Beschwerden, bei der ein unverzüglicher Handlungsbedarf besteht. Damit eine Diagnosestellung ermöglicht wird, sollte ein Arztbesuch stattfinden.

Behandlung & Therapie

Die Therapie einer myeloproliferativen Erkrankung erfolgt symptomatisch und hängt von der Krankheit im Einzelfall ab. Eine kausale Behandlung steht für die Patienten derzeit nicht zur Verfügung. Das heißt, dass die Ursache der Erkrankungen nicht aufgelöst werden kann. Über die Ursache ist sich die Wissenschaft bislang nämlich nicht einmal einig.

Bis die Krankheitsentstehung nicht eindeutig geklärt ist, werden auch keine kausalen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen. Bei Erkrankungen wie CML liegt der Fokus der symptomatischen Therapie auf konservativ medikamentösen Behandlungsansätzen. Die Tyrosinkinase-Aktivität der Patienten soll gehemmt werden.

Dazu wird den Betroffenen zum Beispiel der Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib verabreicht. Patienten der chronisch myeloischen Leukämie erhalten außerdem oft eine medikamentöse Therapie mit Hydroxycarbamid zur Normalisierung der Leukozytenzahl. Zur Therapie von PV sind unterschiedliche Maßnahmen in Anwendung.

Aderlass und Apherese reduzieren die Erythrozyten und andere zelluläre Blutbestandteile. Synchron dazu erfolgt eine Thrombozytenaggregationshemmung, um Thrombosen vorzubeugen. Orale Thrombozytenaggregationshemmer wie Acetylsalicylsäure sind dazu das Mittel der Wahl. Eine Chemotherapie ist nur indiziert, wenn die hohe Anzahl an Leukozyten oder Thrombozyten zu Thrombosen oder Embolien hervorruft.

Liegt ein Hypereosinophilie-Syndrom vor, so stellt Imatinib die Therapie der Wahl dar. Zur Vorbeugung einer Embolie wird orale Antikoagulation empfohlen. Patienten mit OMF werden von Hämatologen beobachtet und meist mittels dreier Ansätze behandelt. Neben Knochenmarktransplantationen stehen in diesem Zusammenhang Arzneimittel wie Androgene, Hydroxyurea, Erythropoetin oder Ruxolitinib zur Verfügung. Den dritten Baustein der Therapie bilden regelmäßige Bluttransfusionen.


Aussicht & Prognose

Die myeloproliferative Erkrankung hat eine ungünstige Prognose. Es handelt sich um eine bösartig eingestufte Erkrankung, die nur schwer zu behandeln ist. Ohne eine umfassende medizinische Versorgung verschlechtern sich die weiteren Aussichten in einem erheblichen Maß. Die allgemeine Lebenserwartung ist bei dem Betroffenen herabgesetzt. Je frühzeitiger eine Stellung einer Diagnose erfolgt, desto eher ist ein Therapiebeginn möglich. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung im weiteren Krankheitsverlauf.

Dennoch besteht die Herausforderung in einer Behandlung in der Bewältigung der grundsätzlich progressiven Entwicklung der Erkrankung. Da zugleich die Ursache der Störung bislang nicht vollständig geklärt ist, entscheiden Ärzte aufgrund der individuellen Lage über die nächsten Behandlungsschritte. Die Erkrankung stellt für den Betroffenen eine starke seelische und emotionale Belastung dar. In vielen Fällen führen die Gesamtumstände zu der Entwicklung einer psychischen Folgeerkrankungen.

Der Körper des Patienten ist oftmals derart geschwächt, dass eingesetzte Therapieansätze nicht den gewünschten Erfolg erbringen. Wenngleich eine Linderung zahlreicher Beschwerden erreicht wird, ist dennoch schwer vorhersehbar, wie sich die persönliche Entwicklung des Betroffenen gestaltet. Neben einer medikamentösen Therapie sind regelmäßige Bluttransfusionen notwendig, um das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Insgesamt steigt die Infektanfälligkeit und damit das Risiko weiterer gesundheitlicher Störungen. Bei einigen Patienten stellt eine Knochenmarktransplantation die letzte Aussicht auf eine Verbesserung der Gesamtentwicklung dar.

Vorbeugung

Myeloproliferativen Erkrankungen lässt sich bisher nicht vielversprechend vorbeugen, da die Ursachen der Krankheitsentstehung noch nicht abschließend geklärt sind.

Nachsorge

Myeloproliferative Erkrankungen, wie Polycythaemia Vera machen eine ausgedehnte Nachsorge notwendig. Patienten mit dieser Diagnose müssen sich periodischen Aderlässen unterziehen. Hierbei wird die Anzahl der Blutzellen gesenkt und die Blutwerte kontrolliert. Sind die Blutwerte des Betroffenen gut eingestellt, hat er den ersten Schritt bewältigt.

Anschließend muss langfristig gedacht werden. Den Erfolg der Therapie gilt es, zu erhalten. Darüber hinaus umfasst die Nachsorge, das Leben mit der Erkrankung möglichst positiv zu gestalten. In beiden Fällen sollten Patienten regelmäßig mit ihrem behandelnden Arzt in Kontakt stehen.

Bei myeloproliferativen Erkrankungen sind eine regelmäßige Nachsorge sowie Verlaufskontrollen äußerst bedeutsam. Untersuchungstermine dienen zur Überprüfung des Therapieerfolgs. Auf der Grundlage des körperlichen Wohlbefindens optimiert der Arzt die Therapie und passt sie an individuellen Bedürfnissen an.

Wenn Patienten sich zwischen den Untersuchungsterminen unwohl fühlen, sollten diese unverzüglich ihren Mediziner kontaktieren. Es ist nicht ratsam, bis zum nächsten Termin zu warten. Betroffene müssen keinesfalls Beschwerden hinnehmen. Der Arzt kann bereits mit einfachen Mitteln Abhilfe schaffen.

Darüber hinaus überprüft er die jeweiligen Beschwerden und veranlasst dementsprechend zusätzliche Untersuchungen. Außerdem sind weitere Aspekte zu beachten, welche über die körperlichen Einschränkungen hinausgehen. Möglicherweise ist ein Besuch beim Psychologen vorteilhaft, falls die Erkrankung ebenfalls Einfluss auf die Psyche des Patienten hat.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei der myeloproliferativen Erkrankung um eine genetische Erkrankung handelt, sind die Möglichkeiten zur Selbsthilfe begrenzt. Eine Behandlung kann symptomatisch erfolgen. Trotzdem können und sollten neben der medizinischen Behandlung individuelle Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität gefunden werden.

Dabei liegt der Fokus darauf, einen negativen Verlauf der Krankheit zu verlangsamen und die Selbstständigkeit der Patienten zu erhalten. Um dies zu erreichen, können verschiedenen Methoden angewendet werden, aus denen der für die erkrankte Person passendste Ansatz gewählt wird. Alternative Therapieangebote wie Meditation, Yoga oder andere körperliche Übungen können eine Schmerztherapie unterstützen und krankheitsbedingten Stress vermindern. Ärzte, Psychotherapeuten oder Ergotherapeuten können Anleitungen für Übungen geben, welche selbstständig zu Hause durchgeführt werden. Wichtig für den Erfolg solcher Methoden ist die kontinuierliche Wiederholung. Nur so kann der Erhalt der Leistungsfähigkeit möglich werden.

Da die Krankheitsverläufe sehr unterschiedlich sind, kann es helfen, unterschiedliche solcher Maßnahmen auszuprobieren. Generell ist es ratsam, auch das psychosoziale Umfeld der Patienten im Blickpunkt zu behalten. Ein intaktes soziales Netzwerk gibt Unterstützung und kann helfen, mit den Auswirkungen einer myeloproliferativen Erkrankung umzugehen.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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