Myelodysplastisches Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das myelodysplastische Syndrom, kurz MDS, beschreibt verschiedene Erkrankungen des Blutes bzw. des blutbildenden Systems, die durch die genetische Veränderung von gesunden Blutzellen deren vollständige Ausprägung und Funktionstüchtigkeit verhindern und auf diese Weise den Organismus angreifen und ihn schwächen. Die Wahrscheinlichkeit an einem myelodysplastischen Syndrom zu erkranken steigt mit dem Alter und nimmt ab dem 60. Lebensjahr stark zu.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein myelodysplastische Syndrom?

Bei etwa der Hälfte der Betroffenen treten gar keine Beschwerden auf und die Erkrankung wird nur zufällig entdeckt. Bei Patienten mit Symptomen stehen besonders die durch die Anämie ausgelösten Anzeichen im Vordergrund.
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Entgegen eines weit verbreiteten Fehlglaubens ist ein myelodysplastisches Syndrom kein Blutkrebs (Leukämie). Da als eine Folgeerscheinung aber in einigen Fällen eine Akute myeloische Leukämie (AML) auftreten kann, bekam es Synonyme wie schleichende Leukämie oder Präleukämie.

Eine Parallele zur Leukämie ist, dass auch beim myelodysplastischen Syndrom das Knochenmark als Zentrum der Blutbildung direkt betroffen ist und in seiner essentiellen Funktion für den Organismus beeinträchtigt wird.

So ist das Knochenmark bei dieser Erkrankung nicht mehr dazu in der Lage, ausreichend weiße Blutkörperchen (Leukozyten), rote Blutkörperchen (Erythrozyten) und Bluttplättchen (Thrombozyten) herzustellen und somit den Transport von Sauerstoff, die Aufrechterhaltung des Immunsystems sowie eine vernünftige Blutgerinnung zu gewährleisten.

Ursachen

In neun von zehn Krankheitsfällen ist kein direkter Grund für die Entstehung eines myelodysplastisches Syndroms zu erkennen. Der Rest geht entweder auf die Folgen einer Strahlen- oder Chemotherapie, wie sie z.B. bei Krebspatienten angewendet wird, als sogenannte sekundäre myelodysplastische Syndrome zurück oder aber auf die Einwirkung von schädlichen und zumeist giftigen Fremdstoffen wie Benzol, das beispielsweise in Benzin enthalten ist.

Zudem wird vermutet, dass auch häufig konsumierte Güter wie Zigarettenqualm, Haarfärbemittel, Pestizide oder Alkohol zu der Entstehung eines myelodysplastischen Syndroms beitragen können.

Diese These konnte allerdings noch nicht nachhaltig bewiesen werden. Eine erbliche Veranlagung zum myelodysplastischen Syndrom, sowie eine Übertragung der Krankheit von Mensch zu Mensch sind hingegen gänzlich ausgeschlossen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei etwa der Hälfte der Betroffenen treten gar keine Beschwerden auf und die Erkrankung wird nur zufällig entdeckt. Bei Patienten mit Symptomen stehen besonders die durch die Anämie ausgelösten Anzeichen im Vordergrund. Ist die Bildung der roten Blutkörperchen gestört, führt das zu einem Mangel an Sauerstoff. Betroffene fühlen sich müde und schlapp, ihre Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit lässt deutlich nach.

Müssen sie sich anstrengen, sind sie schnell aus der Puste. Es kommt zu Kurzatmigkeit und manchmal auch zu Herzrasen (Tachykardie). Auch Schwindel kann auftreten. Die Hautfarbe ist auffallend blass. Es kann aber auch die Bildung der weißen Blutkörperchen beeinträchtigt sein. Dies zeigt sich in geschwächten Abwehrkräften und dadurch verursachten wiederkehrenden Infekten, die von Fieber begleitet werden können.

In manchen Fällen wird durch die Krankheit die Anzahl der Blutplättchen reduziert. Da diese für die Blutgerinnung zuständig sind, bluten Verletzungen mehr und länger als normal. Häufig tritt Zahnfleischbluten auf. Auch Petechien können sich bilden. Das sind kleine punktförmige Einblutungen in der Haut. Ein weiteres Symptom ist die Milzvergrößerung. Da die Milz durch die fehlenden Blutplättchen mehr arbeiten muss, nimmt sie an Volumen zu. Auch die Leber kann sich vergrößern, was sich in einem Druckgefühl auf der oberen rechten Bauchseite bemerkbar macht.

Diagnose & Verlauf

Erste Anzeichen für das Auftreten eines myelodysplastischen Syndroms ähneln stark denen einer Anämie (Blutarmut), bei der auch nicht mehr genügend rote Blutkörperchen im Blut vorhanden sind, um den Sauerstoff ausreichend schnell im Organismus zu verteilen und es dadurch zu Symptomen wie Kurzatmigkeit, Blässe, Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, einem erhöhten Pulsschlag und Ohrensausen kommen kann.

Aufgrund des Mangels an weißen Blutkörperchen können außerdem vermehrt Infektionen auftreten, die auch durch eine gezielte Behandlung mit Antibiotika nicht zu bekämpfen sind. Als Folge des Mangels an ausreichend Blutplättchen sind darüber hinaus oft schwer zu stillende und ungewöhnlich starke Blutungen, etwa bei kleinen Schnittwunden oder chirurgischen Eingriffen, zu beobachten. Auch gehäuft auftretende Blutergüsse oder Blut im Urin und Stuhl können erste Anzeichen für ein myelodysplastisches Syndrom sein.

Bei einem Verdacht werden in der Regel eingehende Blutuntersuchungen durchgeführt und dabei die Blutwerte auf Abweichungen und Anomalien analysiert. Zudem wird eine Probe des Knochenmarks aus der Hüfte entnommen und auf Veränderungen der Chromosomen, die in etwa 60 Prozent der Fälle auftreten, untersucht. Ein myelodysplastisches Syndrom wirkt sich zwar nicht ganz so schnell und verheerend auf den Körper aus, wie eine Leukämie, dennoch sollte nach der Diagnose rasch mit einer Therapie begonnen werden, da es ansonsten durch Infektionen, etwa der Lunge oder des Darms, oder durch eine sich aus dem myelodysplastischen Syndrom entwickelnde akute Leukämie zu lebensbedrohlichen Umständen kommen kann.

Komplikationen

Durch dieses Syndrom kommt es in erster Linie zu einer starken Blutarmut. Diese wirkt sich im Allgemeinen sehr negativ auf den gesundheitlichen Zustand des Patienten aus und kann dabei auch die Lebenserwartung deutlich verringern. Die Betroffenen wirken aufgrund der Blutarmut sehr müde und abgeschlagen und nehmen dabei nicht mehr aktiv am Leben teil.

Ebenso kommt es zu einer Schwäche und die Belastbarkeit des Patienten sinkt ebenso ab. Die Betroffenen können sich nicht mehr Konzentrieren und wirken sehr blass. Weiterhin führt das Syndrom zu einem Herzrasen und zu Schwindelgefühlen. Durch die verringerte Durchblutung leiden die Betroffenen auch an Ohrensausen und an Kopfschmerzen.

Die Lebensqualität wird erheblich eingeschränkt und es kommt oft zu einer Gereiztheit des Patienten. Schon bei kleinen Wunden oder Schnitten kommt es zu starken Blutungen, wobei das Blut auch im Urin auftreten kann. In der Regel ist eine vollständige Heilung des Syndroms nur durch die Transplantation von Stammzellen möglich.

Weiterhin sind die Betroffenen auf regelmäßige Transfusionen angewiesen, um nicht an den Beschwerden zu versterben. In schwerwiegenden Fällen ist auch eine Chemotherapie notwendig, die allerdings zu verschiedenen Nebenwirkungen führen kann. Ohne Behandlung des Syndroms kommt es zu einer deutlichen Verringerung der Lebenserwartung des Betroffenen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Abgeschlagenheit, schnelle Ermüdung und ein erhöhter Schlafbedarf sind Hinweise des Körpers für eine vorhandene Unregelmäßigkeit. Halten die Beschwerden über eine längere Zeit an oder werden sie intensiver, wird ein Arztbesuch benötigt. Störungen der Konzentration, der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses sollten untersucht und abgeklärt werden. Sinkt das Leistungsniveau und können dadurch die alltäglichen Anforderungen nicht mehr erfüllt werden, ist ein Arzt zu konsultieren. Bei einem Mangel der gewohnten Belastbarkeit, einer Hautblässe oder einer inneren Schwäche ist ein Arztbesuch nötig.

Kommt es zu Störungen des Herzrhythmus, Herzrasen, Schwindel oder Gangunsicherheiten, wird ein Arztbesuch empfohlen. Eine erhöhte Körpertemperatur, ein allgemeines Unwohlsein oder ein Krankheitsgefühl sind einem Arzt vorzustellen. Es handelt sich um Warnsignale des Körpers, bei denen Handlungsbedarf besteht. Spontane Blutungen des Zahnfleisches, Veränderungen des Hautbildes sowie nicht nachvollziehbare Blutergüsse sind Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung.

Bemerkt der Betroffene eine Schwellung am Oberkörper oder stellen sich allgemeine Funktionsstörungen ein, benötigt er ärztliche Hilfe. Empfindungsstörungen am Oberkörper, eine Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen oder Druckeinwirkungen weisen auf eine Unregelmäßigkeit des Organismus hin. Bei diesen Beschwerden sollte schnellstmöglich ein Arzt konsultiert werden, damit ein Behandlungsplan zur Linderung der Beschwerden erstellt wird. Zusätzlich müssen schwere und akute Erkrankungen ausgeschlossen werden.

Behandlung & Therapie

Ein myelodysplastisches Syndrom kann letztlich nur durch eine erfolgreiche Stammzelltransplantation völlig geheilt werden. Alle anderen Behandlungsmethoden sind nur palliativer, also die Symptmoe der Krankheit lindernder Natur.

Der Mangel an roten Blutkörperchen kann z.B. durch regelmäßige Bluttransfusionen bekämpft werden, das Fehlen von Bluttplättchen durch Thrombozytenkonzentrate. Zur Vorbeugung von Infektionen werden Impfungen gegen Grippe und Pneumokokken sowie eine vorsorgliche Behandlung mit Antibiotika vorgenommen. Zudem wird eine intensive Körperhygiene so wie das Meiden von Kontakt mit möglichen Krankheitsüberträgern angeraten.

Bei einem bereits weit fortgeschrittenen Krankheitsbild wird häufig eine Chemotherapie durchgeführt, die die rasch größer werdenden Zellen in Knochenmark und Blut eliminieren und so das Blutbild vorübergehend auf einen normalen Zustand zurückversetzen. Diese Methoden variieren von Patient zu Patient sehr stark und müssen stets individuell mit dem behandelnden Arzt abgesprochen und geplant werden.

Seit 2003 existiert deswegen das MDS Register Düsseldorf, das es sich zum Ziel gesetzt hat, den Krankheitsverlauf individueller und genauer einordnen und auf dieser Grundlage maßgeschneiderte Therapien zur Bekämpfung des myelodysplastischen Syndroms entwickeln zu können.


Aussicht & Prognose

Die Prognose für ein myelodysplastisches Syndrom fällt von Patient zu Patient unterschiedlich aus. Sie richtet sich nach Art und Ausmaß der Erkrankung. Während des MDS bildet sich eine zunehmende Menge an unreifen Blutzellen. Daher besteht das Risiko, dass das Syndrom in eine andere Form übergeht, deren Prognose noch ungünstiger ist. Dabei kann es sich um eine chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) oder eine akute myeloische Leukämie (AML) handeln.

Insgesamt gilt die MDS-Prognose eher als ungünstig. So wirken sich Faktoren wie komplexe chromosomale Veränderungen oder ein ausgeprägter Blastenanteil innerhalb des Blutes sowie ein hoher Zerfallswert negativ aus. Gleiches trifft auch bei Vorerkrankungen, einem schlechten allgemeinen Gesundheitszustand oder einem höheren Lebensalter zu.

Bei Verlauf und Lebenserwartung gibt es Unterschiede, die von der jeweiligen Risikogruppe abhängen. So beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung beim Hochrisiko-MDS fünf Monate. Lässt sich jedoch eine Stammzelltherapie durchführen, gibt es sogar eine Aussicht auf Heilung. So gilt dieses Verfahren als einzige Heilungschance bei MDS. Fällt das Krankheitsrisiko niedriger aus, hat der Patient eine Lebenserwartung von bis zu 68 Monaten. Bis zu 70 Prozent aller MDS-Erkrankten versterben an Blutungen, Infekten oder den Folgen einer akuten myeloischen Leukämie. Um die Prognose günstiger zu gestalten, ist eine Stärkung des Immunsystems wichtig. Dazu benötigt der Erkrankte ausreichend Ruhe, eine gesunde Ernährungsweise und sportliche Aktivitäten.

Vorbeugung

Aufgrund großer Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten wird die Behandlung des myelodysplastischen Syndroms immer effektiver und effizienter, so dass viele Betroffene heute eine stark erhöhte Heilungs- bzw. Überlebenschance haben.

Nachsorge

Betroffenen stehen bei diesem Syndrom in den meisten Fällen nur sehr wenige beziehungsweise eingeschränkte Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollte in erster Linie früh ein Arzt kontaktiert werden, damit keine weiteren Komplikationen oder Beschwerden eintreten können. Eine selbstständige Heilung kann nicht eintreten.

Eine frühe Diagnose wirkt sich dabei immer sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus, sodass der Betroffene idealerweise schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen der Erkrankung einen Arzt aufsuchen sollte. Die Betroffenen sollten sich bei dieser Krankheit besonders gut gegen verschiedene Infektionen und Entzündungen schützen, damit es nicht zu Komplikationen kommt.

Dabei ist die Unterstützung und die Pflege der eigenen Familie und der Angehörigen sehr wichtig und wirkt sich positiv auf den weiteren Verlauf dieser Erkrankung aus. Hierbei kann eine psychologische Unterstützung hilfreich sein, um Depressionen und andere psychische Verstimmungen zu verhindern. In vielen Fällen verringert diese Krankheit jedoch die Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Für Betroffene ist es in erster Linie wichtig abzuklären an welchem Typ der Erkrankung sie leiden und welche Therapiemöglichkeiten es gibt.

Falls die Behandlung mittels einer Chemotherapie erfolgt, stellt diese eine enorme Belastung für den Körper dar. Der Organismus hat in dieser Zeit einen erhöhten Nährstoffbedarf, welcher teilweise durch eine Ernährungsumstellung gedeckt werden kann. Sollte dies nicht ausreichen, muss in Zusammenarbeit mit dem Arzt eine unterstützende Therapie mit Mikronährstoffen erfolgen, die auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist.

Sofern die Möglichkeit einer Stammzelltransplantation im Raum steht, kann der Betroffene gemeinsam mit Freunden, Familie und Kollegen Spendenevents ins Leben rufen, bei denen die Bevölkerung gezielt zur Registrierung in der Knochenmarkspenderdatei aufgerufen werden. Selbst wenn unter den neu Registrierten kein passender Spender für einen selbst dabei sein sollte, kann es für andere Betroffene die ersehnte Spende bedeuten.

Regelmäßige Blut-Transfusionen sind eine gängige Therapie um die Nebenwirkungen der Erkrankung möglichst gering zu halten. Dabei kommt es jedoch unweigerlich zu einem Überschuss an Eisen im Organismus. Um Organ- und Gewebeschäden zu vermeiden muss dieses medikamentös aus dem Körper geleitet werden. Die hierzu benötigten Tabletten müssen auch bei auftretenden Nebenwirkungen sehr gewissenhaft eingenommen werden, da ein Eisenüberschuss erst Symptome verursacht, wenn bereits bleibende Schäden am Organismus entstanden sind.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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