Muskulärer Schiefhals (Torticollis muscularis)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein muskulärer Schiefhals oder auch Torticollis muscularis ist eine angeborene und erworbene neurologische Erkrankung und tritt häufig bei Säuglingen auf. Typischerweise wird der Kopf zu einer Seite geneigt. Der Schiefhals kommt durch die Verkürzung der Kopfnickermuskulatur zustande. Wenn nicht rechtzeitig behandelt wird, drohen Verschlimmerungen und neurologische Probleme.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein muskulärer Schiefhals?

Bei einem muskulären Schiefhals ist der Kopf zur Seite geneigt, in Verbindung mit einer Seitdrehung zur gegenüberliegende Schulter sowie Streckung oder Beugung der Halswirbelsäule.
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In der Medizin kennzeichnet der Begriff muskulärer Schiefhals eine seltene, zum Teil angeborene, zum Teil erworbene Fehlstellung des Kopfes.

Die angeborene Variante tritt häufig bei Säuglingen auf und fällt dadurch auf, dass der Kopf zur gesunden Seite hin geneigt ist, einher gehend mit einer Verkürzung des seitlichen Kopfnickermuskels.

Bei 75 Prozent der Betroffenen mit Schiefhals ist die rechte Seite betroffen. Ein begrenztes Bewegungsausmaß der Halswirbelsäule macht es den Patienten schwer, den Kopf zur Seite sowie nach oben und unten zu drehen. Weitere Symptome sind Nackenschmerzen, gelegentliche Knotenbildung und Verspannungen der Halsmuskulatur, Empfindlichkeit der Halswirbelsäule, Kopfzittern, ungleiche Schulterhöhen und eine daraus resultierende mangelnde Beweglichkeit der Schulter- und Armmuskulatur. In extremen fällen können Sensibilitätsprobleme und motorische Störungen in der oberen Extremität auftreten.

Ursachen

Die Ursachen für einen muskulären Schiefhals können nicht eindeutig geklärt werden. Eine Bindegewebsveränderung innerhalb des Kopfnickermuskels scheint verantwortlich, aber woher diese Veränderung kommt, ist nicht bekannt. Ob die Erkrankung durch Muskeleinblutungen, Verletzungen oder Druck in den Muskeln während der Geburt entsteht, gilt es noch medizinisch abzuklären.

Eine ungünstige Lage in der Gebärmutter kann zum Schiefhals führen. Man nennt das auch "Kopfnickerhämatom". Der muskuläre Schiefhals tritt gehäuft zusammen mit anderen Fehlbildungen wie Hüftdysplasien oder Klumpfüßen auf. Eine Vererbung kann bisher nicht nachgewiesen werden.

Weitere Ursachen für einen Torticollis muscularis können Schwerhörigkeit, Fehlsichtigkeit, Gleichgewichtsstörungen, Fehlbildungen der Halswirbelsäule oder steifer Nacken durch Zugluft sein, die aber nicht verwechselt werden dürfen mit dem Torticollis muscularis.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei einem muskulären Schiefhals ist der Kopf zur Seite geneigt, in Verbindung mit einer Seitdrehung zur gegenüberliegende Schulter sowie Streckung oder Beugung der Halswirbelsäule. Die Art eines muskulären Schiefhalses kann in Abhängigkeit von den Positionen von Kopf und Nacken beschrieben werden: Laterocollis: Der Kopf ist in Richtung Schulter gekippt Rotationsschiefhals: Der Kopf dreht sich entlang der Längsachse Anterokollis: Vorwärtsbeugung des Kopfes und Halses Retrocollis: Überstreckung von Kopf und Nacken nach hinten

Oft treten diese Fehlhaltungen in kombinierter Form auf. Ein Schiefhals kann eine eigenständige Störung oder Symptom eines anderen Krankheitsbildes sein. Das Problem kann bereits unmittelbar nach der Geburt sichtbar sein oder im Verlauf der folgenden Wochen auftreten. Die Symptome können sehr unterschiedlich sein, wovon die häufigsten Schmerzen und Unbeweglichkeit sind.

Diagnose & Verlauf

Den muskulären Schiefhals erkennt der Arzt an der typischen Fehlstellung des Kopfes. Um eine sichere Diagnose zu stellen, schließt er zunächst ähnliche Erkrankungen wie z. B. Fehlbildungen der Halswirbelsäule oder eine Schwerhörigkeit aus. Zusätzlich werden Röntgenaufnahmen von der Halswirbelsäule zur Beurteilung herangezogen. Bei Säuglingen ist ein Hörtest sinnvoll.

Wenn ein muskulärer Schiefhals nicht oder nicht rechtzeitig behandelt wird, kann es zu bleibenden Schäden kommen, die eine Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule nach sich ziehen und durch das Belastungsungleichgewicht eine vorzeitige Gelenksarthrose der Halswirbelsäule begünstigen.

In der Folge bildet sich durch die knöcherne Fehlstellung eine Skoliose der Halswirbelsäule, die u. a. Gesichtsasymmetrien verursachen kann. Diese lassen sich bei zu späterer Behandlung nicht mehr vollständig korrigieren.

Wenn eine Therapie früh genug beginnt und konsequent durchgeführt wird, kann der muskuläre Schiefhals gut korrigiert und möglichen Bewegungseinschränkungen vorgebeugt werden. Danach sind regelmäßige Folgeuntersuchungen wichtig. Wenn nicht rechtzeitig therapiert wird, lässt sich der muskuläre Schiefhals nicht mehr vollständig regenerieren.

Komplikationen

Durch den Schiefhals leiden die Betroffenen an einer starken Fehlstellung des Kopfes. Diese ist dabei in den meisten Fällen auch mit starken Schmerzen und Verspannungen verbunden. Nicht selten breiten sich die Schmerzen dabei auch in andere Regionen des Körpers aus und können dabei auch zu Kopfschmerzen oder zu Rückenschmerzen führen.

Ebenso kommt es zu deutlichen Bewegungseinschränkungen und damit zu starken Einschränkungen im Alltag des Patienten, sodass die Lebensqualität erheblich verringert wird. Der Hals des Betroffenen ist durch den Schiefhals in der Regel angeschwollen. Ebenso können sich die Beschwerden des Schiefhalses auch auf die Hüfte negativ auswirken.

Vor allem bei Kindern kommt es durch diese Erkrankung zu Störungen der Entwicklung, sodass diese verzögert wird. Ebenso kann sich der Schiefhals negativ auf das Hörvermögen des Patienten auswirken und dieses ebenso einschränken. Die Behandlung wird in der Regel mit Hilfe von operativen Eingriffen und verschiedenen Therapien durchgeführt.

In vielen Fällen ist auch der Besuch der Krankengymnastik notwendig. Dabei kommt es in der Regel nicht zu Komplikationen. In den meisten Fällen stellt sich dabei auch ein positiver Krankheitsverlauf ein. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch den Schiefhals nicht beeinflusst.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Anhaltende Beschwerden des Nackens, Kopfschmerzen oder permanente Verspannungen von Schultern und Nacken sollten einem Arzt vorgestellt werden. Liegt bei Säuglingen wie Erwachsenen eine Schiefhaltung des Kopfes vor, die nicht selbständig reguliert werden kann, benötigt der Betroffene Hilfe. Schlafstörungen, Veränderungen des Hautbildes sowie Konzentrations- und Gedächtnisdefizite gelten als ungewöhnlich und sollten von einem Arzt untersucht werden. Ein Zittern des Kopfes, eine Abnahme der gewohnten Muskelkraft in den Armen sowie eine Bewegungseinschränkung sind Anzeichen einer vorliegenden Störung. Kommt es zu einer Bildung von Knoten, einem optischen Makel aufgrund ungleichen Schulterhöhen und Beschwerden der Halswirbelsäule, ist die Konsultation eines Arztes vonnöten.

Schmerzen, Probleme des Schultergelenkes sowie eine innere Schwäche sind einem Arzt vorzustellen. Bei Beeinträchtigungen des Sehvermögens, einer erhöhten Unfall- und Sturzgefahr sowie einer verminderten Teilhabe am sozialen Leben, liegt ein Leiden vor, dass von einem Arzt behandelt werden sollte. Können die alltäglichen Verpflichtungen oder gewohnte sportliche Aktivitäten nicht mehr wahrgenommen werden, ist ein Arzt aufzusuchen.

Bei Schwankungen der Stimmung, allgemeinen Auffälligkeiten des Verhaltens oder Veränderungen der Persönlichkeit wird ebenfalls ein Arztbesuch empfohlen. Kommt es zu einem anhaltenden depressiven oder aggressiven Auftreten, einem dauerhaften Verlust des Wohlbefindens oder Gefühlen wie Scham, können sich unbehandelt Folgeerkrankungen entwickeln.

Behandlung & Therapie

Von entscheidender Bedeutung für den Verlauf ist eine rechtzeitige Behandlung des muskulären Schiefhalses. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten:

1. konservative Behandlung

2. operative Behandlung

Konservative Behandlung:

Eine konservative Behandlung kann ohne Klinikaufenthalt durchgeführt werden. Mit verschiedenen Maßnahmen wird eine Korrektur der Fehlstellung versucht:

  • gegengleiche Lagerung des Kopfes

Zur Korrektur der Fehlstellung werden dem Säugling sanft Aufmerksamkeitsreize in der Gegenrichtung angeboten, so dass er seinen Kopf drehen muss, um diese wahrzunehmen.

  • Vermeidung der Bauchlage

Sehr wichtig ist es, die Säuglinge auf dem Rücken oder auf der Seite zu lagern. Die Bauchlage könnte das Problem verstärken.

Durch vorsichtige Dehnübungen wird der Kopf in die Gegenrichtung bewegt, um eine gesunde Position zu erreichen. Unabdingbar ist dabei, dass Eltern die erlernten Übungen regelmäßig zu Hause durchführen. In den meisten Fällen erübrigt sich dadurch eine operative Korrektur bei frühzeitiger Behandlung.

Operative Behandlung:

Wenn die konservative Behandlung keine ausreichend positiven Ergebnisse bringt oder zu spät eingesetzt hat, ist manchmal eine operative Korrektur des Kopfnickermuskels unvermeidbar. Dabei wird Halsmuskel am Brustbeinansatz durchtrennt, um die Fehlstellung zu korrigieren. Anschließend muss der Kopf mit einer Halskrawatte oder einem Gipsverband fixiert werden, um ihn drei bis vier Wochen ruhig zu stellen.

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Aussicht & Prognose

Der muskuläre Schiefhals hat im Allgemeinen eine gute Prognose, wenn die konservative Therapie rechtzeitig genug begonnen und auch konsequent durchgeführt wird. Bei ungefähr 90 Prozent von den betroffenen Kindern gelingt es den Schiefhals mit professioneller Krankengymnastik und sogar ohne eine Operation zu korrigieren. Auch im Falle einer frühzeitigen Operation ist die Prognose für Betroffene sehr gut. In den meisten Fällen ist die Schiefstellung ohne Bewegungseinschränkung korrigierbar. Darauffolgend sind jedoch regelmäßige Folgeuntersuchungen wichtig, um ein eventuelles Wiederauftreten rechtzeitig zu erkennen.

Ohne Behandlung lässt sich die Fehlbildung allerdings nicht mehr vollkommen ausgleichen. Bleibt der muskuläre Schiefhals unbehandelt oder wird zu spät behandelt, kann es zudem zu Komplikationen kommen. Unter Umständen kann eine funktionelle Einschränkung von der Halswirbelsäule auftreten. Durch eine ungleichmäßige Belastung vom Hals kann es auch zu einer Gelenkarthrose der belasteten Halswirbel kommen. Außerdem kann sich im Verlauf eine knöcherne Fehlstellung der Hals- und Brustwirbelsäule bilden.

Unbehandelt kann zudem der Gesichtsschädel der betroffenen Seite sowie der Hinterkopf der gegenüberliegenden Seite sichtbar abflachen, aufgrund von verschobenen Druckauflageflächen. Die Gesichtsasymmetrie wird im Laufe des Wachstums deutlicher. Auf der betroffenen Seite ist das Gesicht relativ verkürzt, die Ohren und Augen stehen auf unterschiedlicher Ebene. Diese Gesichtsasymmetrien sind im späten Stadium nicht immer vollständig korrigierbar.

Vorbeugung

Eine aktive Möglichkeit zur Vorbeugung des muskulären Schiefhalses gibt es nicht. Das Problem kann durch eine ungünstige Lage in der Gebärmutter hervorgerufen werden, auf die man keinen Einfluss hat. Auch Verletzungen durch die Geburt können Auslöser sein. Man kann lediglich durch die vorstehend aufgeführten Maßnahmen die Fehlstellung bessern bzw. ganz korrigieren.

Nachsorge

Eine Nachsorge richtet sich danach, wie die Ausprägung des muskulären Schiefhalses ist. Die Nachsorge sollte frühzeitig beginnen, damit einer Fehlstellung entgegengewirkt werden kann. Im Rahmen der Nachsorge lindern Bewegung und Sport und wirken gleichfalls präventiv. Sportübungen mit gezielten Dehnungen der entsprechenden Halsmuskulatur können helfen.

Nach Abklingen der Schmerzsymptomatik ist es nötig, die Blockaden der Halswirbelsäule zu lösen und eine vollständige, schmerzfreie Beweglichkeit herzustellen. Dies sollte durch Nachsorgebehandlungen im Rahmen einer Manuellen Therapie oder durch therapeutische Behandlungen durch einen Physiotherapeuten oder Ärzte für Chirotherapie erfolgen. Sind aufgrund des muskulären Schiefhalses Partien der Muskulatur besonders schmerzhaft und beeinträchtigt, können örtliche Schmerzbehandlungen hilfreich sein.

Während der Nachsorge werden regelmäßig Gespräche mit dem behandelnden Arzt geführt, um den Fortschritt des Genesungsprozesses zu ermitteln. Somit können Verschlechterungen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Dabei werden auch Lebensgewohnheiten besprochen. Hinterfragt werden sollte ebenfalls, ob der Kopf- und Nackenbereich während des Liegens bei Ruhe- und Schlafenszeiten gut gelagert ist.

Hier können durchaus spezielle Gesundheitskissen hilfreich sein. Sie stützen den Nacken optimal ab, sowohl in der Seitenlage als auch in der Rückenlage. Der Kopf liegt gerade. Dadurch kann eine bessere Entspannung der Muskulatur im Nackenbereich erreicht werden. Verspannungen können gelöst werden.

Das können Sie selbst tun

Ein muskulärer Schiefhals (Torticollis muscularis) kann verschiedene Ursachen haben, darum ist der rechtzeitige Gang zum Arzt sehr wichtig. Nur durch die gründliche Untersuchung lässt sich feststellen, ob es sich tatsächlich um den muskulären Schiefhals handelt oder um eine andere Erkrankung.

Im Anschluss an die Diagnose müssen sich die Patienten genau an die Therapie halten. Sonst besteht das Risiko, dass die Fehlstellung bleibt. Zu den Empfehlungen gehört die gezielte Krankengymnastik, die regelmäßig durchgeführt wird. Außerdem gibt es spezielle Lagerungstechniken, die dem Schiefhals entgegenwirken. Abgesehen von einer Operation helfen auch Dehnungsübungen. Die Betroffenen sollten dabei vorsichtig vorgehen, um Schmerzen zu vermeiden. Die frühzeitige Behandlung wirkt der Fehlstellung des Kopfes entgegen und verhindert außerdem Folgeschäden. Das ist sowohl bei Kindern als auch bei erwachsenen Patienten sehr wichtig.

Durch ein rechtzeitiges Handeln und eine intensive Physiotherapie lässt sich die Fehlstellung korrigieren, sodass Wirbelsäule und Schädel nicht zu stark beansprucht werden. Auch Haltungsfehler sind zu vermeiden, denn sie könnten zu einer Verschlimmerung des Schiefhalses führen. Mit einer ergonomischen Einrichtung wirkt man den ungünstigen Folgen beim muskulären oder akuten Schiefhals entgegen.

Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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