Rigor

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Rigor ist eine Steifigkeit der Muskulatur, die der Steuerung durch das zentrale Nervensystem unterliegt und durch eine gleichzeitige Aktivierung von Muskeln und ihren Gegenspielern zustande kommt. Rigor ist das Symptom extrapyramidaler oder pyramidaler Läsionen im ZNS und kann so zum Beispiel mit Parkinson assoziiert sein. Die Therapie besteht vor allem aus Physio- und Ergotherapie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Rigor?

In den meisten Fällen geht einem Rigor eine Funktionsstörung im extrapyramidalen System voraus.
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Die Muskulatur besitzt eine Grundspannung, die auch als Ruhetonus bezeichnet wird. Im Ruhezustand sind Skelettmuskeln also weder kontrahiert, noch vollständig entspannt. Bei einem sogenannten Rigor ist die Grundspannung der Skelettmuskulatur erhöht. Die Folge ist eine Muskelstarre oder eine Steifheit der Muskulatur. Der Rigor basiert auf einer zentral gesteuerten und gleichzeitigen Aktivierung der einzelnen Muskeln und ihrer Antagonisten.

Als solche werden die Gegenspieler einzelner Skelettmuskeln bezeichnet. Die Muskelaktivierung beim Rigor entspricht damit einer Agonisten-Antagonisten-Koaktivierung. Neben einem Steifigkeitsgefühl beschreiben Patienten mit Rigor oft ziehende Missempfindungen in dem betroffenen Bereich. Eine Sonderform des Rigor ist das sogenannte Zahnradphänomen, bei dem die Muskulatur einer passiv bewegten Extremität ruckartig nachgibt. Das Zahnradphänomen verweist auf Störungen im extrapyramidalen System des zentralen Nervensystems.

Ursachen

Die Ursachen für alle Formen des Rigor sind im zentralen Nervensystem zu suchen. Muskeln besitzen einen bestimmten Grundspannung, der von verschiedenen Bereichen des zentralen Nervensystems reguliert wird. Neben dem pyramidalen System ist das extrapyramidale System an dieser Regulierung beteiligt.

Sämtliche Muskelinformationen zur Kontraktion der Muskeln und Muskelgruppen wandern über die Großhirnrinden-Rückenmark-Bahnen an die Zielorgane. Diese Bahnen entsprechen den Pyramidenbahnen, die im pyramidalen System zusammengefasst sind. Bewegungsinformationen können auch extrapyramidal geleitet werden und erreichen so auf anderem Weg das Rückenmark. Das pyramidale und extrapyramidale System stehen in Wechselwirkung zueinander.

In den meisten Fällen geht einem Rigor eine Funktionsstörung im extrapyramidalen System voraus. Das Zahnradphänomen hat zum Beispiel häufig Dopaminmangel und daraus resultierende Störungen zur Grundlage, wie sie im Rahmen des Parkinson-Syndroms auftreten.

Patienten mit einem Rigor leiden an dem Leitsymptom der Muskelstarre. Beim Zahnradphänomen betrifft diese Starre ausschließlich passive Bewegungen. Andere Formen des Rigors betreffen ausschließlich aktive Bewegungen. Die Muskelstarre führt im Endeffekt zu Bewegungsstörungen und teilweise zu Koordinationsproblemen. Eines der frühesten Anzeichen der Starre ist das verminderte Mitbewegen der Arme beim Gehen.

In einigen Fällen stellen sich zusätzlich zur Starrheit Schmerzen und Missempfindungen ein. Die Missempfindungen sind oft auf die Kompression sensibler Nerven in der Muskulatur zurückzuführen. Die Bewegungsstörungen können im Einzelfall eine Neigung zum Stürzen begünstigen. Zum Teil entwickeln die Patienten im Laufe des Rigors eine Kamptokormie. Unter dieser Haltungsanomalie versteht die Medizin eine unwillkürlich aktive Beugebewegung des Rumpfbereichs nach vorne.

Die Ursache für dieses Phänomen ist die dyston unwillkürliche Anspannung der Rumpfbeugemuskeln. Diese Kontraktion verstärkt sich speziell bei aufrechter Körperhaltung, sodass die Kamptokormie meist im Stehen auftritt. Alle weiteren Symptome hängen von der jeweiligen Ursache des Rigors ab. Im Rahmen von Parkinson zählen zum Beispiel Ruhe-Tremor und Akinese zu den relevantesten Symptomen.

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Diagnose & Verlauf

Die Diagnose auf einen Rigor wird mittels Messung des Ruhetonus gestellt. Zur Messung kann zum Beispiel ein EMG zum Einsatz kommen, das den Spannungszustand objektivierbar macht. Außerdem findet im Rahmen der Diagnostik eine neurologische Untersuchung statt. Bei dieser Untersuchung wird der Rigor am liegenden oder sitzenden Patienten nachgewiesen. Dieser Nachweis gelingt vor allem beim Zahnradphänomen.

Der Arzt bewegt die einzelnen Gelenke passiv und fordert den Patient dazu auf, die Muskeln zu entspannen. Bei einem Rigor oder Zahnradphänomen spürt der Arzt die wächsern wirkende Starre der Muskulatur in Form eines gleichmäßig zähen Widerstands. Anders als bei spastischen Erscheinungen hängt der Widerstand nicht von der Bewegungsgeschwindigkeit ab.

Wenn der Patient die Extremität der anderen Seite aktiv mit bewegt, nimmt der Widerstand auf der passiv bewegten Seite noch zu. Beim Zahnradphänomen ist der Rigor im Rahmen dieser Untersuchung von Unterbrechungen gekennzeichnet. Um die primäre Ursache für den Rigor auszumachen, veranlasst der Arzt im Anschluss unter anderem bildgebende Verfahren. Die Prognose hängt von der Ursache des Rigors ab.

Komplikationen

Eine Muskelsteifheit oder auch Rigor entsteht vor allem im Rahmen eines Morbus Parkinson. Eine weitere mögliche Komplikation beim Parkinson ist das sogenannte Freezing, bei dem der Betroffene mitten in der Bewegung erstarrt. Im Gegenteil kann es auch zu überschießenden, ungewollten Bewegungen der Arme und Beine bzw des Rumpfes kommen (Hyperkinesien), wodurch die Verletzungsgefahr des Betroffenen und auch des Umfelds erhöht wird.

Des Weiteren kann es beim Parkinson-Patienten zu Störungen des Kreislaufs kommen, so dass es zum Beispiel vom Liegen zum Aufstehen zu starkem Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit führen kann. Außerdem kann es beim Betroffenen zu einer Schwäche der Blase oder des Rektums kommen, so dass dieser inkontinent wird und so pflegebedürftig wird.

Daneben kann ein Parkinson aufgrund der Einschränkung der Lebensqualität bis hin zu einer Depression führen. Dies kann zu einer Verstärkung des Alkohol- und Drogenkonsums führen, zudem neigen Depressive zu Suizidgedanken. Eine seltene und gefürchtete Komplikation der Parkinson-Erkrankung ist die akinetische Krise.

Bei dieser verschlechtert sich die Symptomatik und der Betroffene leidet unter einer totalen Muskelsteifigkeit oder auch extremer Rigor. Dies kann in eine komplette Bewegungsunfähigkeit führen, was auch die Sprech- und Atemmuskulatur beeinträchtigen kann. Dazu kann es auch zu einer Überhitzung des Körpers kommen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Um eine korrekte Diagnose zu erhalten, sollten sich Betroffene beim Rigor-Verdacht an einen Arzt wenden. Eine Selbstdiagnose mithilfe von Tests oder Checklisten aus dem Internet ist nicht ausreichend. Für gewöhnlich wenden sich Patienten zunächst an ihren Hausarzt. Bei Bedarf kann der Hausarzt anschließend eine Überweisung zum Facharzt ausstellen.

Wenn das Symptom neu auftritt, sollten Patienten, die unter Parkinson leiden, auch ihren behandelnden Facharzt über das Erscheinen des Rigors informieren. Dabei handelt es sich in der Regel um einen Neurologen oder Psychiater.

In Deutschland benötigen Patienten jedoch nicht zwingend eine Überweisung, um einen Neurologen aufzusuchen. Je nachdem, wie gut die medizinische Versorgungslage vor Ort ist, können die Wartezeiten für einen Termin stark variieren. Ein Termin beim Hausarzt ist oft schneller realisierbar und kann zum Teil bereits eine erste Einschätzung der Beschwerden ermöglichen.

In einigen Städten existieren darüber hinaus spezielle Ambulanzen, die häufig an eine größere Klinik angeschlossen sind. Einige dieser spezialisierten Behandlungszentren vergeben auch Termine zur Diagnostik und Behandlung bei Verdacht auf Parkinson.

Da es sich beim Rigor um ein Kernsymptom von Parkinson handelt, ist eine fachgerechte Diagnostik durch einen Arzt in jedem Fall sinnvoll.

Behandlung & Therapie

Auch die Therapie des Rigors ist von der primären Ursache der Störung abhängig. In jedem Fall zählen physio- und ergotherapeutische Schritte aber mit zur Therapie. Eine kausale Therapie kann nicht stattfinden. Jeder Rigor hat eine zentralnervöse Ursache und Schädigungen des zentralen Nervensystems sind in den meisten Fällen bis zu einem gewissen Grad irreversibel. Die Ergotherapie und die Physiotherapie sind demnach keine kausale, sondern eine symptomatische Behandlung.

Bei Therapieformen zielen darauf ab, den Rigor zumindest zu lindern oder dem Patienten beim Umgang mit dem Symptom behilflich zu sein. In der Ergotherapie lernt der Patient zum Beispiel den Umgang mit möglichen Hilfsmitteln, damit er auch bei starkem Rigor möglichst lange selbstständig durch den Alltag findet. Vor allem alltägliche Bewegungsabläufe werden im Rahmen der Therapie trainiert. Unter Umständen kommen auch medikamentöse Behandlungsschritte infrage, die das Zentralnervensystem zu einer verminderten Tonisierung bewegen.

Aussicht & Prognose

Bei einem Rigor hängt die Prognose im Wesentlich von der Ursache der Muskelsteifheit ab. Liegt dem Rigor eine Parkinson-Erkrankung zugrunde, können die Beschwerden durch physio- und ergotherapeutische Maßnahmen zwar gelindert werden, bereits entstandene Schädigungen sind in den meisten Fällen jedoch irreversibel. Die Aussicht auf eine vollständige Genesung ist also nicht gegeben, durch frühzeitige Maßnahmen können weitere Beschwerden jedoch zumindest gelindert werden.

Im Verlauf der Erkrankung kommt es meist zu weiteren Symptomen wie einem veränderten Gangverhalten, einem mangelnder Lidschlag oder einer Abnahme der Stimmlautstärke, welche die Prognose dementsprechend verschlechtern kann. Entsprechende Beschwerden entwickeln sich mit dem Verlauf der zugrunde liegenden Parkinson-Erkrankung immer weiter und nehmen in Intensität und Ausbreitung zu, bis es schließlich zu schweren Lähmungserscheinungen und später zum Tod des Betroffenen kommt.

Die Aussicht auf eine Heilung ist bei Rigor in Folge einer Verletzung oder eines Unfalls gegeben. Dann können operative Eingriffe die ursprüngliche Muskelleistung unter Umständen wiederherstellen, ohne dass es zu Folgesymptomen kommt. Erste Anzeichen für Rigor sollten aufgrund der Schwere des Verlaufs zeitnah von einem Arzt abgeklärt werden.

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Vorbeugung

Der Rigor ist das Symptom einer pyramidalen oder extrapyramidalen Schädigung des zentralen Nervensystems. Damit lässt sich dem Rigor nur insoweit vorbeugen, wie sich Läsionen im zentralen Nervensystem präventiv verhindern lassen. Gegen Erkrankungen wie Multiple Sklerose stehen zum Beispiel keinerlei Vorbeugemaßnahmen zur Verfügung. Aus diesem Grund ist dem Rigor niemals vollumfänglich vorzubeugen.

Das können Sie selbst tun

Bei einem Rigor kann es hilfreich sein, auch außerhalb der Physiotherapieeinheiten entsprechende Übungen durchzuführen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Übungen sauber ausgeführt werden und vorher eine Rücksprache mit dem behandelnden Therapeuten stattfindet. Andernfalls drohen Verschlimmerungen der Symptome oder Überbelastungen. Nur ordnungsgemäß durchgeführte Übungen sind in der Lage, den Alltag der Betroffenen zu verbessern.

Nichtsdestotrotz sind die Möglichkeiten, bei einem Rigor selbst tätig zu werden, ziemlich limitiert. Es ist lediglich möglich, bestehende Behandlungsansätze zu ergänzen oder zu unterstützen. Da ein Rigor nicht selten mit irreversiblen Schädigungen des zentralen Nervensystems einhergeht, müssen die Betroffenen ihren Alltag nach der Erkrankung ausrichten. Diese gilt es, zu akzeptieren. Alltägliche Bewegungsabläufe sollten trotz der Einschränkungen durchgeführt werden. Sofern Hilfsmittel zum Einsatz kommen sollten, müssen diese beherrscht werden.

Darüber hinaus sind im Alltag der Betroffenen auch psychologische Aspekte zu beachten. Schließlich bringt die Diagnose Rigor zahlreiche Veränderungen mit sich. Da diese zumeist irreversibel sind, ist der Weg der Akzeptanz in der Regel der einfachste. Es ist deshalb anzuraten, sich mit den neuen Lebensumständen auch mental abzufinden. Die Konsultation eines Psychologen oder Psychiaters kann dabei unterstützen.

Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Pérez-González, P.: Ambulante videounterstützte Parkinsontherapie. e-Health 2010, pp. 222-226. Medical Future, Solingen 2010

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