Morbus Werlhof

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Morbus Werlhof, auch als Werlhof-Krankheit und Immunthrombozytopenie bekannt, ist eine Autoimmunerkrankung. Charakterisierend ist die Bildung von Antikörpern gegen körpereigene Blutplättchen (Thrombozyten) bei den Betroffenen. Die Erkrankung bedarf einer ausgeprägten ärztlichen Behandlung und Therapie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Werlhof?

Beim Morbus Werlhof kommt es zu einer starken Abnahme der Blutplättchen (Thrombozyten). Dadurch können kleinste Verletzungen in den Blutgefäßen nicht mehr verschlossen werden, sodass Blut aus den Arterien und Venen austritt.
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Der praktische Arzt Paul Gottlieb Werlhof (1699-1767) hat den Morbus maculosus haemorrhagicus als Krankheit des Blutes im Jahr 1735 erstmalig beschrieben. Erst 1883 wurde diagnostiziert, dass die Anzeichen der Krankheit durch eine Verminderung der Blutplättchen generiert werden.

Morbus Werlhof, die Werlhofkrankheit, trägt wie so viele den Namen ihres Entdeckers Paul Gottlieb Werlhof. Charakteristisch für die Krankheit ist, dass der Körper irrtümlich seine eigenen Blutplättchen angreift, was zu ihrem raschen Abbau führt. Deshalb kommt es im unbehandelten Verlauf zu Blutungen.

Ursachen

Morbus Werlhof gehört in den Kreis der Autoimmunerkrankungen: Das Immunsystem bildet Antikörper gegen die vorhandenen körpereigenen Blutplättchen, die Thrombozyten. Sie sind Bestandteile der weißen und der roten Blutkörperchen und spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung, weil die scheibenförmigen Plättchen durch Vernetzung Wunden verschließen können.

Bei Morbus Werlhof vermindert sich die Anzahl der Thrombozyten signifikant, weil die mit Antikörpern überfrachteten Blutplättchen zu rasch in der Milz abgebaut werden. Während die Thrombozytenzahl im Labor bei durchschnittlich 140 bis 360 Tausend/μl liegt, wächst mit steigendem Rückgang der Thrombozytenkonzentration im Blut die Neigung zu Blutungen. Dabei sind Petechien das typische Erscheinungsbild.

Petechien sind punktförmige stecknadelkopfgroße Einblutungen aus den Kapillaren der Schleimhäute oder der Haut. Zuerst sind die Petechien meist am Unterschenkel oder an den Knöcheln feststellbar. Ist der Mangel an Blutplättchen die Ursache der Einblutungen, nennt man sie thrombozytopenische Purpura.

Nimmt der Anteil der Thrombozyten dramatisch ab, spricht man von primärer Immunthrombozythämie. Dieser Mangel kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Zudem ist der Auslöser der primären Immunthrombozythämie nach heutigem Wissensstand nicht bekannt. Studien ergaben, dass Morbus Werlhof oft nach Infekten und/oder Schwangerschaften diagnostiziert werden muss.

Bei Kindern tritt die Krankheit gelegentlich spontan auf, um nach einiger Zeit ebenso spontan auszuheilen. Dieser erfreuliche Verlauf kann auch im Erwachsenenalter festgestellt werden, allerdings nur im ersten Krankheitsjahr. Nach einem Jahr wird Morbus Werlhof chronisch.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Beim Morbus Werlhof kommt es zu einer starken Abnahme der Blutplättchen (Thrombozyten). Dadurch können kleinste Verletzungen in den Blutgefäßen nicht mehr verschlossen werden, sodass Blut aus den Arterien und Venen austritt. Entsprechend vielseitig ist das Krankheitsbild des Morbus Werlhof.

In der Anfangsphase gehören kleine punktförmige Blutungen, sogenannte Petechien, zu den charakteristischen Symptomen. Diese können sowohl auf der Haut als auch auf den Schleimhäuten auftreten. Die dabei entstehenden Haut- oder Schleimhauteinblutungen haben in etwa die Größe einer Stecknadel und werden nicht selten mit Flohstichen verwechselt.

Sinkt die Zahl der Blutplättchen weiter, können sich die Blutungen ausweiten und die einzelnen Petechien fließen zu flächigen Hauterscheinungen zusammen. Selbst bei Bagatellverletzungen entstehen große Blutergüsse (Hämatome). Auch starkes Nasenbluten sowie kaum zu stillende Blutungen bei kleineren Schnitt- oder Schürfwunden deuten auf eine verminderte Anzahl von Thrombozyten im Blut hin.

Bei Frauen kann es ferner zu Blutungen aus der Scheide kommen. Ebenso kann sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen Blut im Stuhl zeigen. Ein ausgeprägter Morbus Werlhof mit Blutungen in inneren Organen wie Milz, Leber, Lunge oder Niere kann ferner einen lebensbedrohlichen Schock zur Folge haben.

Diagnose & Verlauf

Eine stetig und stark abnehmende Blutplättchenanzahl führt dazu, dass Verletzungen der Blutgefäße nicht wieder geschlossen werden können. Dieser Austritt von Blut generiert verschiedene Symptome:

Am Anfang stehen die stecknadelkopfgroßen Petechien. Wenn sie zusammenfließen, entstehen flächige Blutungen. Blutergüsse, starkes Nasenbluten, Blut in Urin und Stuhl, Blutungen aus der Scheide und Bluterbrechen sind typische Erscheinungsbilder. Treten die Blutungen in starker Form auf, kann es zu einer akuten Schocksymptomatik kommen.

Wird der Organismus mit zu wenig Sauerstoff versorgt, wobei Blutverluste bei Morbus Werlhof eine signifikante Ursache sein können, beginnt der Körper, vermeidlich unwichtige Organe von der Sauerstoffversorgung auszunehmen. Dieser Zustand kann unbehandelt lebensbedrohlich werden. Sind Gehirn, Lunge, Leber, Milz oder andere innere Organe betroffen, kann es ebenfalls zu massiven Schädigungen und Funktionsstörungen kommen.

Anhand des Blutbildes ist Morbus Werlhof zu identifizieren, denn die Anzahl der Thrombozyten ist deutlich vermindert. Nach einer Untersuchung des Knochenmarks wird der Arzt dagegen einen deutlichen Überschuss an blutbildenden Megakaryozyten diagnostizieren. Im Verlauf der Diagnose müssen daher andere Thrombozytenerkrankungen ausgeschlossen werden.

Komplikationen

Durch den Morbus Werlhof kommt es beim Patienten zu deutlichen Einschränkungen und Beschwerden im Alltag. In den meisten Fällen treten dabei verstärkt Blutungen auf, die auch innerlich vorkommen können. Dabei wird ohne Behandlung die Lebenserwartung deutlich verringert, da es zu Schäden an den Organen kommen kann, die irreversibel sind.

Nicht selten sind außerdem Nasenbluten und eine verringerte Belastbarkeit des Betroffenen. Das Blut findet sich dabei auch im Stuhl oder im Urin und kann bei vielen Menschen zu einer Panikattacke oder zu Schweißausbrüchen führen. Weiterhin erbrechen die Betroffenen nicht selten Blut. Ebenso tritt eine Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff auf, wobei die inneren Organe ebenfalls irreversibel geschädigt werden können.

Vor allem Leber und Milz können dabei zu einem lebensgefährlichen Zustand des Patienten führen. Durch die Schädigungen der Organe kommt es zu weiteren Beschwerden und Komplikationen. Die Behandlung dieser Krankheit findet akut mit Hilfe von Medikamenten statt. Komplikationen treten dabei in der Regel nicht auf.

In schwerwiegenden Fällen ist eventuell ein operativer Eingriff oder eine Organtransplantation notwendig, um den Betroffenen am Leben zu erhalten. Dadurch ist möglicherweise auch die Lebenserwartung des Patienten verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Leidet der Betroffene plötzlich unter einer schnellen Bildung von blauen Flecken oder Verfärbungen des Hautbildes, besteht Anlass zur Besorgnis. Bei Schwindel, einem erhöhten Blutverlust, Störungen der Durchblutung oder einer Abnahme der körperlichen Belastbarkeit wird ein Arzt benötigt. Kommt es zu Konzentrationsschwäche, starken Blutungen bei leichten Verletzungen, einem wiederholten Blutgeschmack im Mund oder Blut in den Ausscheidungen, ist ein Arztbesuch vonnöten.

Eine innere Schwäche, ein allgemeines Unwohlsein oder ein Krankheitsgefühl sind untersuchen und behandeln zu lassen. Blutergüsse, Auffälligkeiten des weiblichen Zyklus oder unkontrollierte Blutungen aus der Scheide sind Warnsignale des Organismus. Es liegt eine gesundheitliche Störung vor, die schnellstmöglich diagnostiziert und behandelt werden muss. Bei Veränderungen der Schleimhäute, einer Hautblässe oder einer stärkeren Empfindlichkeit gegenüber Kältereizen sollte die Rücksprache mit einem Arzt gesucht werden.

Da die Erkrankung zu Blutungen der Organe und damit zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen kann, ist ein Arztbesuch bereits bei den ersten Auffälligkeiten zu empfehlen. Kommt es zu einem akuten gesundheitsbedrohlichen Zustand, wird ein Rettungsdienst benötigt. Ein Notarzt ist zu rufen und parallel müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen von anwesenden Personen eingeleitet werden, damit das Überleben des Betroffenen gewährleistet ist.

Behandlung & Therapie

Hat der Arzt die Werlhofkrankheit festgestellt, setzen verschiedene Behandlungsmethoden ein. Die Stillung der akuten Blutungen steht zuerst im unmittelbaren Fokus. Dazu werden in Rahmen der „First-Line-Therapie“ hoch dosierte Corticosteroide eingesetzt. Diese nebenwirkungsbehaftete Stoßtherapie endet nach relativ kurzer Zeit und kann schon nach wenigen Wochen eine gründliche Zurückbildung der Krankheitssymptome nach sich ziehen.

Kinder mit leichtem Krankheitsverlauf müssen dieser Therapie nicht zwingend unterzogen werden. Morbus Werlhof tritt hier meist als Folge von Virusinfektionen oder gelegentlich nach Mumps-, Masern- oder Rötelimpfungen kurzzeitig auf, um dann selbstständig auszuheilen. Chronische Verläufe bei Erwachsenen werden mit Antikörpern, sogenannten Immunglobulinen, beispielsweise Biological Rituximab oder anderen Immunsuppressiva, weiterbehandelt. So soll die Autoimmunerkrankung bekämpft werden.

Manifesten Krankheitsbildern begegnet man mit der operativen Entfernung der Milz. Dabei sind die Vorteile einer Ausheilung der Werlhofkrankheit gegen die möglichen Komplikationen bei der Operation abzuwägen. Trotz Milzentfernung treten Rückfälle auf und das Risiko zu Versterben liegt bei einem Prozent.


Aussicht & Prognose

Generell ist die Prognose bei einem Morbus Werlhof bei erwachsenen Betroffenen günstig und die Heilungsrate liegt insgesamt zwischen 70 und 80 Prozent. Für eine genaue Prognose muss allerdings zwischen akuten und chronischen Verlaufsformen differenziert werden.

Bei einem akuten Morbus Werlhof tritt in den meisten Fällen innerhalb eines Monats eine komplette Remission (= Nachlassen der Beschwerden) ein. Dies gilt insbesondere für betroffene Kinder. Bei chronischen Verläufen kommt es dagegen nur in seltenen Fällen (bei weniger als 5 Prozent) zu einer spontanen Remission. Unter einer Steroidtherapie verbessert sich dieser Wert erheblich und steigt auf 25 Prozent, unter Hinzunahme weiterer Therapiemaßnahmen sogar auf zwei Drittel. Etwa 0,4 Prozent der an einem schweren chronischen Morbus Werlhof erkrankten Erwachsenen vor dem 40. Lebensjahr sterben an einer intrazerebralen Blutung (Blutung im Hirngewebe). Diese Wahrscheinlichkeit steigt mit höherem Alter und liegt bei den 40 bis 60 Jährigen bei 1,2 Prozent und bei den über 60 Jährigen bei 13 Prozent.

Darüber hinaus treten beim Morbus Werlhof oftmals Rezidive (Wiederauftreten der Beschwerden) auf. In diesen Fällen erwägen die Fachärzte nicht selten eine operative Milzentferung (Splenektomie). Aber auch eine Milzentfernung neutralisiert nicht vollständig das Rezidivrisiko.

Vorbeugung

Da die genaue Ursache von Morbus Werlhof derzeit noch erforscht wird und es sich bei der Krankheit zudem um eine Autoimmunerkrankung handelt, sind präventive Maßnahmen zur Zeit noch nicht bekannt.

Nachsorge

In den meisten Fällen stehen dem Betroffenen bei Morbus Werlhof keine besonderen oder direkten Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung, sodass Betroffene bei dieser Krankheit schon idealerweise sehr früh einen Arzt aufsuchen sollten, um das Auftreten von anderen Komplikationen und Beschwerden zu verhindern. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, kann diese in der Regel auch nicht vollständig wieder geheilt werden.

Daher sollten Betroffene vor allem bei einem Kinderwunsch eine Beratung durchführen lassen, damit die Erkrankung nicht erneut bei den Nachfahren auftritt. In der Regel sind die Betroffenen bei Morbus Werlhof auf die Einnahme von verschiedenen Arzneimitteln angewiesen. Dabei sollte immer eine richtige Dosierung und ebenso eine regelmäßige Einnahme beachtet werden, wobei bei Fragen oder bei Unklarheiten ein Arzt konsultiert werden sollte.

Viele der Betroffenen sind auch auf regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen der inneren Organe angewiesen. Auf diese Weise können andere Schäden früh erkannt und behandelt werden. Dabei ist nicht selten auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Krankheit sehr sinnvoll, da es dadurch auch zu einem Austausch an Informationen kommen kann. Diese Informationen können den Alltag des Patienten erleichtern.

Das können Sie selbst tun

Morbus Werlhof kann von den Erkrankten nicht selbst behandelt werden. Durch gezielte Maßnahmen und eine Umstellung des Lebensstils lassen sich die Symptome und Beschwerden der Autoimmunerkrankung jedoch lindern. Die typischen Hautveränderungen lassen sich überschminken oder mit der richtigen Kleidung verdecken. Notwendig ist dies vor allem in den späteren Stadien der Erkrankung, wenn die Einblutungen und Vernarbungen sich bereits auf die gesamten Arme und den Hals ausgebreitet haben. Sollten plötzlich starke Hämatome auftreten, können diese mit Hilfe von Wickeln oder Kühlpackungen gekühlt werden.

Langfristig müssen die Erkrankten ihre Ernährung umstellen. Dadurch wird das Immunsystem widerstandsfähiger gegenüber Infektionen. Bei gerötete Augen, Zahnfleischbluten und Bluterbrechen helfen neben den ärztlich verordneten Medikamenten auch Naturheilmittel wie Aloe Vera, Salbei, Teufelskralle oder Ginseng.

Sollten die genannten Maßnahmen die Symptome und Beschwerden des Morbus Werlhof nicht lindern, muss noch einmal der Arzt konsultiert werden. Womöglich muss die Medikation angepasst werden oder es liegt noch ein anderes Leiden vor, welches diagnostiziert werden muss. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe erleichtert den Umgang mit der Erkrankung und kann so zu einer höheren Lebensqualität beitragen.

Quellen

  • Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012

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