Morbus Canavan

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Morbus Canavan ist ein Mangel an Myelin, der auf eine chromosomale Mutation zurückgeht. Die Betroffenen zeigen neurologische Defizite und versterben meist im Teenageralter. Bislang ist die Erkrankung trotz gentherapeutischer Ansätze unheilbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Canavan?

Die Patienten leiden überwiegend an Lähmungen und an starken Einschränkungen in der Sensibilität. Dabei sind die Betroffenen in ihrem Alltag möglicherweise auch auf die Hilfe der Eltern angewiesen, um diesen meistern zu können.
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Unter dem Begriff Morbus Canavan ist eine genetische Leukodystrophie bekannt. 1931 beschrieb Myrtelle Canavan die Erscheinung erstmals. Die autosomal rezessiv vererbte Erkrankung kommt bei arabischen und ashkenazisch-jüdischen Menschen häufiger vor, als in der restlichen Welt. Wie alle Lukodystrophien stellt sich beim Morbus Canavan ein Mangelzustand der weißen Gehirnsubstanz ein.

Leukodystrophien sind demnach Stoffwechselkrankheiten, die das nervensystemisch relevante Myelin betreffen. Betroffene leiden unter einer fortschreitenden Demyelinisierung. Durch den Abbau des Myelins werden Nervenbahnen beeinträchtigt. Neurologische Defizite stellen sich ein. Beim Morbus Canavan ist oft von einer spongiösen Degeneration des Nervensystems die Rede, da das Gehirn anschwillt und das Myelin schwammig wird.

Von Leukodystrophien wie dem Morbus Canavan sind genetisch bedingte Speicherkrankheiten wie der Morbus Krabbe zu unterscheiden. Auch der Morbus Krabbe demyelinisiert das Nervensystem und die Ursache beider Erscheinungen ist eine chromosomale Mutation. Die betroffenen Chromosomen unterscheiden sich aber.

Ursachen

Bei der biologischen Transkription wird ein Abbild von DNA-Strängen erstellt, das auch als mRNA bekannt ist. Während der biologischen Translation wird diese mRNA zu Proteinsequenzen übersetzt. Beim Morbus Canavan tritt während dieser Prozesse eine Mutation ein. Es handelt sich dabei um Mutationen des ASPA-Gens. Dieses Gen ist auf dem kurzen Arm von Chromosom 17 angesiedelt und codiert für das Enzym Aspartoacylase. Aspartoacylase kommt ausschließlich im Gehirn vor, wo es N-Acetylaspartat abbaut.

Eine Mutation des codierenden Gens hat einen Mangel des Enzyms zur Folge. In einer Folge dessen wird im Gehirn weniger N-Acetylaspartat abgebaut. Der Stoff lagert sich daher ein. Diese Einlagerung äußert sich in spongiösen Veränderungen und lässt das Gehirn anschwellen. Das Myelin im Gehirn nimmt im Rahmen dessen Schaden und geht teilweise verloren. Myelin ernährt, schützt und isoliert Nervengewebe. Beschädigtes Myelin leiet Nervenimpulse nur noch verzögert oder überhaupt nicht mehr. Beim Morbus Canavan funktioniert die Übermittelung von Informationen zwischen Gehirnregionen wegen der beschriebenen Prozesse nicht mehr. Der Myelinverlust geht mit einer sekundären Neuronenbeeinträchtigung einher.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Meist sind Kinder mit dem Morbus Canavan unmittelbar nach der Geburt eher unauffällig. Ab dem dritten Lebensmonat treten bei infantilen Formen der Erbkrankheit die ersten Symptome auf. In der Regel betreffen die ersten Symptome die psychomotorische Entwicklung. Die Kontrolle über den Kopf ist gestört und es entwickelt sich häufig ein übergroßer Schädel. Die Betroffenen weisen meist einen Spannungsmangel in den Muskeln auf.

Der weitere Krankheitsverlauf ist von motorischen Störungen wie der Unmöglichkeit des freien Laufens, Sitzens und Stehens geprägt. Auch Schluckstörungen oder Krampfanfälle werden zum Krankheitsbild gerechnet. Oft treten spastische Lähmungen ein. Auch Wahrnehmungszentren des Gehirns können von der Demyelinisierung betroffen sein.

In der Regel betreffen Einschränkungen in der Wahrnehmungsfähigkeit vor allem das Sehvermögen. Nicht zwingend muss eine vollständige Erblindung auftreten. Die infantile Form des Morbus Canavan ist am meisten verbreitet. Davon zu unterscheiden sind die angeborene und die juvenile Form. Bei der juvenilen Form treten die ersten Symptome erst nach den ersten Lebensjahren auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Arzt stellt die Diagnose des Morbus Caravan hauptsächlich über eine magnetresonanztomographische Bildgebung des Gehirns. In diese Bildgebung zeigt die Erkrankung ein relativ typisches Bild. Die subkortikale Substanz des Groß- und Kleinhirns zeigt Läsionen. Diese Schädigungen breiten sich im Verlauf zentripetal aus. Die symmetrisch wirkenden Läsionen betreffen insbesondere den Globus pallidus und den Thalamus, nicht aber das Putamen oder den Nucleus Caudatus. Der Nachweis von erhöhtem N-Acetylaspartat im Harn sichert die Diagnose.

Auch molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis der Genmutation kommen infrage. Diese aufwändigen Verfahren sind aber nicht zwingend notwendig, da erhöhte N-Acetylaspartat im Urin für den Morbus Canavan spezifisch ist. Für die angeborene Form ist die Prognose ungünstig. Die Lebenserwartung beläuft sich auf wenige Tage oder Wochen. Patienten der infantilen Form erreichen meist das Teenager-Alter. Bei der juvenilen Form ist der Krankheitsverlauf verlangsamt und die Patienten werden oft älter als 20.

Komplikationen

Durch Morbus Canavan kommt es bei den meisten Betroffenen zu einer stark verringerten Lebenserwartung, sodass die Patienten schon im jungen Alter als Teeanger versterben. Dabei wirkt sich die Krankheit auch stark auf die Angehörigen und die Eltern aus, sodass diese an starken psychischen Beschwerden oder Depressionen leiden. Vor allem nach dem Tod ist eine Behandlung durch einen Psychologen in vielen Fällen notwendig.

Die Patienten leiden dabei vor überwiegend an Lähmungen und an starken Einschränkungen in der Sensibilität. Dabei sind die Betroffenen in ihrem Alltag möglicherweise auch auf die Hilfe der Eltern angewiesen, um diesen meistern zu können. Es kommt zu Einschränkungen in der Bewegung und die Lebensqualität der Patienten sinkt erheblich. Auch Spastiken und Krampfanfälle treten bei dieser Erkrankung auf.

Nicht selten leiden die Betroffenen dabei auch an Sehbeschwerden oder an Hörbeschwerden. Sie benötigen auch eine spezielle Förderung und sind in ihrer Entwicklung deutlich eingeschränkt. Durch verschiedene Therapien kann der Morbus Canavan eingeschränkt werden, eine vollständige und vor allem kausale Behandlung ist allerdings nicht möglich. Bei der Behandlung selbst treten keine weiteren Komplikationen auf. Allerdings ist die Lebenserwartung des Patienten durch die Krankheiten deutlich verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei Morbus Canavan treten die ersten Anzeichen einer Unregelmäßigkeit meist innerhalb des ersten Lebenshalbjahres auf, sie sind jedoch eher selten unmittelbar nach der Geburt wahrzunehmen. Zeigen sich im Wachstums- und Entwicklungsprozess des Kindes Störungen der Bewegungsabläufe sowie allgemeinen Motorik, ist ein Arztbesuch anzuraten. Zeigt sich beim Greifen eine schwach ausgeprägte Muskulatur, ist dies besorgniserregend und sollte ärztlich untersucht werden. Kommt es im unmittelbaren Vergleich zu gleichaltrigen Kindern zu deutlichen Verzögerungen in der Entwicklung, ist ein Arzt aufzusuchen. Durch gezielte Tests kann eine objektive Einschätzung des Gesundheitszustandes ermittelt und eine Behandlung eingeleitet werden.

Erlernt das Kind nicht das selbständige Gehen, Sitzen oder Stehen, gilt dies als ungewöhnlich. Es wird ein Arzt benötigt, damit eine Ursachenforschung stattfinden kann. Krämpfe, ein Anfallsleiden sowie Spastiken sind von einem Arzt untersuchen und behandeln zu lassen. Treten Lähmungen am Körper auf, sollte unverzüglich ein Arztbesuch erfolgen.

Das Kind benötigt eine medizinische Versorgung, damit eine Linderung der Beschwerden gewährleistet wird. Eine verzögerte Wahrnehmung sowie Verarbeitung der Sinnesreize sollten ärztlich abgeklärt werden. Ein vermindertes Seh- oder Hörvermögen sind charakteristisch für die Erkrankung und müssen behandelt werden. In schweren Fällen kommt es zu einer Erblindung des Patienten. Daher sollte schnellstmöglich bei den ersten Unregelmäßigkeiten oder dem Verdacht einer Störung ein Arzt konsultiert werden.

Behandlung & Therapie

Der Morbus Canavan ist unheilbar. Bislang gibt es statt ursächlichen Therapien lediglich unterstützende Therapieoptionen. Auch die Verzögerung der Krankheit und eine gesicherte Verlängerung des Lebens sind bisher nicht realisierbar. Das supportive therapeutische Vorgehen richtet sich nach den Symptomen. Unruhe, Schmerzen und Krampfanfälle lassen sich zum Beispiel mit medikamentösen Therapien lindern. Bei Funktionsstörungen des Atemsystems wird eine Atemhilfe anzudenken.

Auch die Angehörigen von Betroffenen werden oft zusätzlich therapeutisch versorgt. In der Regel wird ihnen ein Psychotherapeut zur Seite gestellt. Seit einigen Jahren sind gentherapeutische Ansätze zur Heilung der Krankheit in Arbeit. Das ASPA-Gen soll im Rahmen der gentherapeutischen Behandlung über eine virale Genfähre aus Adenoviren ins Gehirn der Patienten eingebracht werden.

Im Tiermodell senkte sich die Konzentration von N-Acetylaspartat im Urin über diese Maßnahme ab. Das Myelin blieb trotz dieser Teilerfolge allerdings spongiös. Trotzdem bemüht sich die medizinische Forschung aktuell weiterhin um die Entwicklung einer ursächlichen Therapie. Eine Verbesserung der Genfähren hat bereits stattgefunden, konnte aber noch immer keine bahnbrechenden Erfolge liefern.

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Aussicht & Prognose

Die Prognose des Morbus Canavan orientiert sich an der Form der Erkrankung. Die infantile Form nimmt einen tödlichen Verlauf. Die meisten Kinder versterben im zweiten Lebensjahr. Andere Verlaufsformen bieten eine Lebenserwartung von fünf bis zehn Jahren. Entscheidend für die Prognose ist die genaue Bestimmung der Mutation.

Morbus Canavan nimmt einen progressiven Verlauf. Damit verbunden nehmen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten ab und die Lebensqualität des Kindes reduziert sich kontinuierlich. Die Angehörigen werden durch das Leiden ebenfalls stark belastet. Meist benötigen sie eine therapeutische Beratung und eine umfassende Betreuung. Die Aussicht auf eine Heilung ist bei Morbus Canavan nicht gegeben. Allerdings lassen sich die Beschwerden durch eine symptomatische Therapie lindern. Seit einigen Jahren steht zudem eine Gentherapie zur Verfügung, durch welche das Gen in das Gehirn eingebracht werden soll. Bislang ist diese Behandlung nicht für Menschen zugelassen.

Bei einer frühzeitigen Diagnose kann den erkrankten Kindern ein kurzes, aber relativ beschwerdefreies Leben ermöglicht werden. Bei der milden Form der Erkrankung ist die Lebenserwartung normal. Verschiedene Therapieansätze wurden in den letzten Jahren entwickelt und verbessern die Prognose erheblich. Dadurch ist die Prognose bei der milden Canavan-Krankheit günstig, bei der schweren Form jedoch deutlich schlechter.

Vorbeugung

Genetisch bedingten Erkrankungen wie dem Morbus Canavan lässt sich nicht vorbeugen. Paare in der Familienplanung können über molekulargenetische Untersuchungen allerdings Ihr Risiko einschätzen lassen.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei Morbus Canavan in den meisten Fällen nur sehr wenige oder eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Aus diesem Grund muss der Betroffene bei dieser Krankheit idealerweise schon sehr früh einen Arzt aufsuchen, um das weitere Auftreten von Komplikationen und Beschwerden zu verhindern. Da es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, kann diese in der Regel auch nicht vollständig wieder geheilt werden.

Daher sollte der Betroffene im Fall eines Kinderwunsches eine genetische Untersuchung und Beratung durchführen lassen, um das erneute Auftreten der Erkrankung bei den Nachfahren zu verhindern. Die meisten Patienten sind auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen, um die Beschwerden zu lindern. Dabei ist immer auf eine regelmäßige Einnahme und auch auf eine richtige Dosierung zu achten.

Bei Unklarheiten oder bei Fragen sollte zuerst ein Arzt konsultiert werden. Weiterhin sind die meisten Betroffenen in ihrem Alltag auf die Hilfe und auch auf die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Dabei wirken sich auch liebevolle Gespräche positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus und können Depressionen und andere psychische Verstimmungen verhindern.

Das können Sie selbst tun

Der Morbus Canavan nimmt fast immer einen tödlichen Verlauf. Die wichtigste Selbsthilfemaßnahme besteht für viele Eltern darin, Kontakt mit anderen Angehörigen aufzunehmen. Geeignete Anlaufstellen sind Selbsthilfegruppen sowie Foren im Internet. Um das Kind über seine Krankheit aufzuklären, sollte ein Fachzentrum für Nervenerkrankungen aufgesucht werden. Im Zuge dessen können sich die Eltern über neuartige Behandlungsmöglichkeiten informieren, zum Beispiel die Gentherapie, welche das Morbus Canavan in Zukunft heilbar machen soll.

Bei einem positiven Verlauf sollten frühzeitig die notwendigen Pflegekräfte sowie Umbauten im eigenen Zuhause organisiert werden, damit das Kind unkompliziert behandelt werden kann. Durch eine angepasste Diät und moderaten Sport ist eine weitere Verbesserung der Lebensqualität möglich. Dennoch nimmt Morbus Canavan stets einen schweren Verlauf. Die Angehörigen sollten mit dem zuständigen Arzt über die Möglichkeiten für eine palliative Behandlung sprechen.

In Familien, in denen Fälle von Morbus Canavan beobachtet wurden, sollten die notwendigen Gentests durchgeführt werden. Durch eine Ultraschalluntersuchung kann ermittelt werden, ob das Kind an Morbus Canavan erkrankt ist. Nach der Diagnose können die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um den Erkrankten ein relativ beschwerdefreies Leben zu ermöglichen.

Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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