Mikroskopische Polyangiitis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einer mikroskopischen Polyangiitis entzünden sich die Blutgefäße durch autoimmunologische Prozesse. Die Ursache ist bislang nicht bekannt, wird aber spekulativ mit immunologischen Fehlprogrammierungen nach Infektionen assoziiert. Die Prognose für unbehandelte Patienten ist ungünstig, aber medikamentös behandelte Patienten besitzen nicht zwingend einen ungünstigen Verlauf.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine mikroskopischen Polyangiitis

Für die primär mikroskopische Polyangiitis stehen die Ursachen nicht endgültig fest. In rund einem Drittel aller Fälle ist die Erkrankung aber mit chronischer Hepatitis C des Genotyps 2 oder einer Hepatitis B vergesellschaftet.
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Die mikroskopische Polyangitis entspricht der Polyarteriitis nodosa, die auch als Kussmaul-Krankheit bekannt ist. Die Erkrankung wird unter die Krankheitsgruppe der Vaskulitis und entspricht damit einer Entzündung der Blutgefäße, die autoimmunologisch verursacht wird. Die Erscheinung wird als eine ANCA-negative Vaskulitis der mittleren Gefäße klassifiziert.

Von der Entzündung der kleineren und mittleren Arterien unter perlschnurartiger Anordnung ihrer Entzündungsknötchen sind vor allem die Waden, die Unterarme und die inneren Organe betroffen. Ausgelöst werden die Entzündungen durch Fehlerkennungen des körpereigenen Immunsystems. Die mikroskopische Polyangiitis ist eine extrem seltene Erkrankung.

Unter einer Million Menschen wird die Prävalenz pro Jahr auf etwa drei Neuerkrankte geschätzt. Männer erkranken etwas häufiger an dem Krankheitsbild als das weibliche Geschlecht. An vielen Stellen ist sogar von einer etwa doppelt so häufigen Prävalenz bei Männern die Rede. Die Erkrankung manifestiert sich in der Regel im mittleren Lebensalter.

Ursachen

Die mikroskopische Polyangiitis ist eine Autoimmunerkrankung. Das körpereigene Immunsystem bildet Antikörper gegen die Körpergewebe und ruft dadurch Entzündungen hervor. Bislang sind die Ursachen für Autoimmunerkrankungen nicht näher bekannt. Spekulativ ist zum Teil von Fehlprogrammierungen des Immunsystems im Rahmen vorausgegangener Infektionen die Rede.

Auch für die primär mikroskopische Polyangiitis stehen die Ursachen nicht endgültig fest. In rund einem Drittel aller Fälle ist die Erkrankung aber mit chronischer Hepatitis C des Genotyps 2 oder einer Hepatitis B vergesellschaftet. In diesen Fällen gilt die Polyangiitis als sekundär und wird lediglich als Symptom der Hepatitis betrachtet, das vermutlich durch eine infektionsbedingte Überreaktion des Immunsystems verursacht wird.

Unter Umständen spielen auch für die primär ideopathische Form der Erkrankung Infektionen eine Rolle. Dieser Zusammenhang gilt allerdings nicht als bestätigt. Fest steht bislang lediglich, dass die immunologischen Entzündungen eine symptomatische Nekrose der Gefäßwände zur Folge haben und mit der Infiltration neutrophiler Granulozyten in Zusammenhang stehen. Die Nekrose führt zu einer Gefäßverengung mit einer Thrombosierung oder der Infarzierung von Endstrombahnen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten einer mikroskopischen Polyangiitis leiden an unspezifischen Symptomen wie Fieber, Muskelschmerzen, Gelenksbeschwerden und Nachtschweiß oder Gewichtsverlust. Rund 80 Prozent aller Betroffenen sind von einer Neuropathie betroffen, die vor allem gemischte Nerven ab einer gewissen Größe befällt. Manchmal ist das Zentralnervensystem beteiligt.

In einem solchen Fall stellen sich Sehstörungen, Folgeerscheinungen wie Schlaganfällen oder epileptisch wirkende Anfälle ein. Da oft symptomatischer Bluthochdruck besteht, werden diese Symptome als sekundäre Folgen daraus angesehen. Im Verdauungstrakt kann sich die Erkrankung in Form von kolikartigen Bauchschmerzen oder Darminfarkten und Blutungen manifestieren.

In den Nieren sind Mikroaneurysmen der Gefäße zu beobachten. Darüber hinaus können Herzsymptome wie eine Angina Pectoris oder ein Herzinfarkt vorliegen. Auch auf der Haut kann sich die Polyangiitis manifestieren, so vor allem in Livedo racemosa oder subkutanen Aneurysmen. Eine Laboranalyse zeigt erhöhten CRP und erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Eine Leukozytose entsteht.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose einer mikroskopischen Polyangiitis wird gemäß den ACR-Kriterien gestellt und erfordert mindestens drei von insgesamt zehn charakteristischen Kriterien. Neben einem Gewichtsverlust von über vier Kilogramm zählen Livedo reticularis, Schmerzen der Hoden, Muskelschwäche und Muskelschmerzen sowie Mono- oder Polyneuropathien, Bluthochdruck und eine Erhöhung von Serum-Kreatinin oder Harnstoff zu den charakteristischen Kriterien.

Dasselbe gilt für eine nachweisbare Hepatitis B oder Hepatitis C, angiographische Anomalien oder passende Befunde aus der Arterienbiopsie. Differentialdiagnostisch ist die mikroskopische Polyangiitis bei der Diagnose von weiteren Vaskulitiden und einem systemischen Lupus erythematodes abzugrenzen.

Unbehandelt ist die Prognose äußerst ungünstig. Die Fünfjahresüberlebensrate beträgt bei unbehandelten Patienten weniger als 20 Prozent. Meist tritt der Tod durch einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall ein. Für behandelte Patienten steigt die Fünfjahresüberlebensrate auf 80 Prozent an.

Komplikationen

In der Regel kommt es bei dieser Krankheit zu verschiedenen Beschwerden, die allerdings in jedem Fall die Lebensqualität der Betroffenen deutlich einschränken. Die Patienten leiden dabei vor allem an Fieber und weiterhin auch an Schmerzen an den Gelenken oder an den Muskeln. Ebenso kommt es in der Nacht nicht selten zu Schweißausbrüchen, die den schlaf stören können.

Daraus treten nicht selten Depressionen oder eine Gereiztheit des Betroffenen auf. Weiterhin leiden die Patienten auch an Lähmungen oder an verschiedenen Störungen der Sensibilität, die am gesamten Körper auftreten können. Auch Sehstörungen oder Hörbeschwerden können dabei den Alltag des Patienten einschränken und erschweren. Weiterhin kommt es zu Bauchschmerzen oder zu epileptischen Anfällen.

Diese sind in der Regel mit starken Schmerzen verbunden. Im schlimmsten Falle erleiden die Patienten einen Herzinfarkt und versterben an diesem. Im Allgemeinen wird die Lebenserwartung des Betroffenen durch die Krankheit deutlich verringert. Auch an den Hoden kann es dabei nicht selten zu Schmerzen kommen.

Die Behandlung dieser Krankheit wird mit Hilfe von Medikamenten durchgeführt. Dabei kommt es in der Regel zu einem positiven Krankheitsverlauf. Besondere Komplikationen schränken dabei die Behandlung nicht ein.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen, die an Beschwerden wie Fieber, einem allgemeinen Unwohlsein, Schmerzen der Muskulatur oder Beeinträchtigungen der Gelenke leiden, sollten einen Arzt aufsuchen. Ein ungewollter Gewichtsverlust, nächtliche Schweißausbrüche und Schlafstörungen sind untersuchen und behandeln zu lassen. Kommt es zu Störungen der Sehfähigkeit, einem erhöhten Unfallrisiko sowie einer gestiegenen Verletzungsgefahr, wird ein Arzt benötigt. Bei Bauchschmerzen, Unregelmäßigkeiten des Verdauungstraktes oder Krämpfen im Oberbauch ist ein Arztbesuch erforderlich. Koliken sind ein besonderer Warnhinweis des Organismus. Sie sind schnellstmöglich von einem Arzt abklären zu lassen.

In Einzelfällen ist ein Notarzt zu alarmieren, damit unverzüglich eine notärztliche Versorgung gewährleistet wird. Störungen der Herztätigkeit sowie des Herzrhythmus geben Anlass zur Besorgnis. Da in schweren Fällen ein Herzinfarkt droht, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Herzrasen, ein erhöhter Blutdruck, Hitzewallungen oder innere Unruhe sind ärztlich abklären zu lassen. Bei einem Druckgefühl im Brustkorb, einem starken Krankheitsgefühl oder einem Schweregefühl ist ein Arzt aufzusuchen. Breitet sich ein vorhandenes Schmerzempfinden über die Brust weiter in den Rücken oder den Kiefer aus, ist die Konsultation eines Arztes notwendig. Kommt es zu Auffälligkeiten des Hautbildes ist ebenfalls ein Arztbesuch anzuraten.

Behandlung & Therapie

Die Polyangiitis ist eine unheilbare Erkrankung. Da die Ursache nicht näher bekannt ist, kann keine kausale, sondern lediglich eine symptomatische Therapie stattfinden. Meist entspricht die symptomatische Therapie vor allem einer konservativ medikamentösen Behandlung mit Kortikosteroiden oder Cyclophosphamid und Azathioprin. Wenn eine Hepatitis vorliegt, kann die Behandlung dieser Infektion die Symptome der Polyangiitis wechselwirkend verbessern.

Der Behandlungserfolg hängt immer vom Schweregrad der Polyangiitis im Einzelfall ab. Meist werden die Patienten mithilfe eines Fünf-Faktoren-Scores einem bestimmten Schweregrad zugeteilt. Die leichte Form entspricht einem Score von Null. Bei diesem Grad bessern Glucocorticoide in der Hälfte der Fälle die Symptome. Fast die Hälfte der Patienten mit einer Remission erleiden allerdings ein Rezidiv.

Nach einem solchen Rezidiv muss die Gabe eines Immunsuppressivums erfolgen. Auch Patienten der schwereren Grade erhalten Immunsuppressiva wie Cyclopshosphamid und Azathioprin. Auch Glucocorticoide in einer mehrere Wochen andauernden Hochdosis-Therapie sind ein verbreiteter Behandlungsschritt für Patienten mit schwereren Formen. Um den symptomatischen Bluthochdruck und damit die Sterblichkeit aufgrund von Herzinfarkten oder Schlaganfällen zu vermindern, erfolgt die Gabe von ACE-Hemmern.


Aussicht & Prognose

Etwa vier aus einer Million Menschen erkranken jedes Jahr an der mikroskopischen Polyangiitis. Diese geringe Anzahl bedingt unter anderem, dass der wissenschaftliche Forschungsstand bisher unzureichend ist. Fakt ist aber, dass es sich um eine unheilbare Erkrankung handelt. Die Therapie richtet sich ausschließlich auf die Beschwerden und nicht auf die Ursachen. Ärzte teilen Patienten bei einer Diagnose einem Score zu. Ein niedriger Wert erlaubt eine günstigere Prognose als ein höherer Schweregrad. Grundsätzlich haben sich in den letzten Jahren die Lebensqualität und -erwartung verbessert.

Eines der Probleme bei der mikroskopischen Polyangiitis ist, dass Neubildungen entstehen. Nach zwei Jahren ab Behandlungsaufnahme sind diese bei gut einem Drittel der Patienten anzutreffen. Diese Rezidive lassen sich nur durch engmaschige Kontrollen frühzeitig erkennen. Demgegenüber kann durch geeignete Therapieansätze bei den meisten Patienten eine Beschwerdefreiheit über Jahre erreicht werden. Fünf Jahre nach einer Diagnose leben im rechnerischen Mittel noch 80 Prozent aller behandelten Patienten. Wird hingegen auf eine Therapie verzichtet, erhöht sich das Sterberisiko deutlich. Nur noch jeder Fünfte lebt fünf Jahre nach dem Ausbruch der mikroskopischen Polyangiitis.

Vorbeugung

Der mikroskopischen Polyangiitis lässt sich bislang nicht vorbeugen, da die definitiven Ursachen bisher unklar bleiben.

Nachsorge

Da die Behandlung der mikroskopischen Polyangiitis komplex und langwierig ist, konzentriert sich die Nachsorge auf einen selbstbewussten Umgang mit der Erkrankung. Betroffenen sollten versuchen, trotz der Widrigkeiten eine positive Haltung aufzubauen. Dabei können Entspannungsübungen und Meditation helfen, den Geist zu beruhigen und zu fokussieren.

Die mikroskopische Polyangiitis ist eine sehr seltene Erkrankung, welche erhebliche Komplikationen mit sich bringen kann. Die Nachsorge hängt dabei stark von der individuellen Ausprägung der Erkrankung ab, so dass die Symptome lediglich gelindert werden können, jedoch nicht dauerhaft bekämpft. Ein gesunder Lebensmodus mit ausreichend Schlaf und Bewegung an der frischen Luft stärken das Immunsystem und können das Wohlbefinden steigern. Akute Symptome, die wiederholt und plötzlich auftreten, sollten unverzüglich mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden.

Das können Sie selbst tun

Die mikroskopische Polyangiitis ist bislang nicht heilbar. Die Behandlung konzentriert sich darauf, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern. Der Erkrankte kann diese Maßnahmen unterstützen, indem er seinen Lebensstil an das Leiden anpasst.

Dies gelingt zum Beispiel durch eine Umstellung der Ernährung. Grundsätzlich wird bei der mikroskopischen Polyangiitis eine gesunde und ausgewogene Diät mit ausreichend Kohlenhydraten empfohlen. Zudem sollte auf Genussmittel wie Alkohol, Koffein und Nikotin verzichtet werden. Betroffene sollten ausreichend Flüssigkeit aufnehmen, um Blutungen, Bluthochdruck und anderen typischen Symptomen der Erkrankung entgegenzuwirken. Begleitend dazu ist eine medikamentöse Therapie angezeigt. Diese kann von dem Erkrankten unterstützt werden, indem ein Beschwerdetagebuch mit etwaigen Neben- und Wechselwirkungen angelegt wird. Mit Hilfe dieser Notizen kann der zuständige Arzt die Medikation optimal auf die individuellen Symptome und die Konstitution des Patienten einstellen.

Sollten sich Sehstörungen oder epileptische Anfälle einstellen, muss ein Facharzt hinzugezogen werden. Zudem benötigt der Erkrankte Unterstützung im Alltag, denn durch die oftmals akut auftretenden Beschwerden besteht ein erhöhtes Risiko für Unfälle und Stürze. Bei einer stark ausgeprägten Polyangiitis kann unter Umständen auch ein Psychotherapeut hinzugezogen werden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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