Migrierender motorischer Komplex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der migrierende motorische Komplex ist ein Bewegungsschema des Verdauungstraktes, das die aufgenommene Nahrung durch den Magen führt.

Die Muskeln des Magens und des Dünndarms bewegen sich dabei unter der Steuerung des enterischen Nervensystems, um Nahrung durch den Verdauungstrakt zu schleusen.

Erkrankungen wie Diabetes können eine Lähmung dieses Bewegungsmusters auslösen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der migrierende motorische Komplex?

Der migrierende motorische Komplex ist ein Bewegungsschema des Verdauungstraktes, das die aufgenommene Nahrung durch den Magen führt.

Unter dem migrierenden motorischen Komplex versteht die Medizin ein wiederkehrendes Aktivitätsmuster des Magens und des Dünndarms. Das Bewegungsmuster ist für eine funktionierende Verdauung bei vollem Magen unverzichtbar, da die Nahrung so erst den Darm erreicht. In nüchternem Zustand ist diese Bewegungsart dagegen für Phänomene wie das Magenknurren verantwortlich.

Im Magen dauert der migrierende motorische Komplex rund 90 Minuten bis zwei Stunden und verläuft dreiphasig. In der ersten Phase geschieht wenig. Es kommt weder zu mechanischen Aktivitäten, noch zu Sekretbildungen. Während der zweiten Phase finden unkontrolliert leichte Kontraktionen des Magens statt. In der dritten Phase finden starke Magenkontraktionen statt, die den Magen vollständig leeren und den Inhalt in den Darm drücken.

Bei nüchternem Magen kommt es in dieser Phase zu einer Kompimierung der Luft im Magen. Die Kontraktionen des nüchternen Magens sind auch als Hungerkontraktionen bekannt. In der medizinischen Fachsprache heißt dieses Phänomen Borborygmus.

Funktion & Aufgabe

Im Magen wird feste Nahrung durch Magenkontraktionen durchgeknetet und zusätzlich mit Magensaft zersetzt. Die Kontraktionen des Magens werden über das vegetative Nervensystem gesteuert, das alle lebenswichtigen Vitalfunktionen koordiniert. Neben den Verdauungsbewegungen werden von hieraus auch der Herzschlag und die Atmung kontrolliert.

Das Nervensystem zur Verdauung wird auch enterisches Nervensystem genannt und ist eine eigenständige Unterform des vegetativen Nervensystems, die teilweise Signale aus dem Sympathikus und Parasympathikus erhält.

Anverdaute Nahrung gelangt über die Magenkontraktionen unter der Steuerung des enterischen Nervensystems also portionsweise in den Zwölffingerdarm, wo Verdauungsenzyme die Arbeit aufnehmen.

Um die anverdaute Nahrung überhaupt in den Zwölffingerdarm zu befördern, müssen die Muskeln des Magens hart arbeiten. Kontraktionen dieser Muskeln ermöglichen den Transport der Nahrung. Die Magenwände ziehen sich bei diesem zyklisch wiederkehrenden Bewegungsmuster zusammen und bewegen sich in Richtung Darm. Diese Bewegung befördert bei vollem Magen die Nahrung in den Darm. Diese Bewegung Richtung Darm kommt einem Ausstreichen des Magens gleich und ist für das Funktionieren der Verdauung unerlässlich.

Wenn der Magen leer ist, kann er das schematische Bewegungsmuster nicht unterbrechen, obwohl eigentlich keine Nahrung transportiert werden müsste. Die Kontraktionen des nüchternen Magens lassen die Magenmuskeln statt Nahrung daher ein Gemisch aus Luft und Magensaft bewegen. Dies ist für das Magenknurren verantwortlich. Dass es überhaupt hörbar ist, liegt an dem großen Volumen des Resonanzkörpers. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass das Geräusch des Magenknurrens eigentlich zur Nahrungsaufnahme aufrufen möchte.

Der Bewegungskomplex des Magens in Form der drei Phasen von Bewegungslosigkeit, leichter Bewegung und starker Kontraktion wiederholt sich in einem Zeitabstand von rund eineinhalb bis drei Stunden. Jede Wiederholung ist prinzipiell zur Leerung des Magens gedacht.

Der migrierende motorische Komplex findet neben dem Magen auch im Dünndarm statt. Die Muskulatur des Dünndarms bewegt sich dabei in regelmäßig wiederkehrenden Abständen wellenförmig, um den Darminhalt in den Dickdarm zu befördern. Da das Bewegungsmuster auch im Dünndarm über das vegetative oder enterische Nervensystem stattfindet, ist es auch hier nicht an die Nahrungsaufnahme gebunden.

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Krankheiten & Beschwerden

Bei Lähmungen der Magen- oder Dünndarmmuskulatur findet der migrierende motorische Komplex in dem betroffenen Verdauungsorgan nicht mehr oder nur noch langsam statt. Bei einer chronischen Magenlähmung ist die Wiederholung des Bewegungsmusters zum Beispiel verzögert. Die Magenentleerung dauert länger, als durchschnittlich der Fall. In Folge dessen spüren die Betroffenen ein anhaltendes Völlegefühl, Übelkeit oder Oberbauchschmerzen.

Häufig hängen chronische Magenlähmungen mit Erkrankungen wie Diabetes zusammen, aber auch Virusinfekte und Schäden der Muskulatur kommen als Ursache in Frage. Bei Diabetes sind die Nerven des Magens oder Dünndarms selbst von der Funktionsbeeinträchtigung betroffen und können keine oder nur noch verlangsamte Befehle aus dem Gehirn empfangen.

Anhaltende Störungen der Magenentleerung können den Magen auf ein unnatürliches Volumen ausweiten. Von chronischen Magen- oder auch Dünndarmlähmungen zu unterscheiden sind akute Lähmungen der beiden Verdauungsorgane. Bei einer akuten Lähmung ist keinerlei Bewegung mehr möglich. Der migrierende motorische Komplex entfällt also ganz und das Organ ruht dauerhaft.

Akute Lähmungen der Verdauung können zum Beispiel im Rahmen einer Querschnittslähmung auftreten. Auch Erkrankungen wie der Morbus Hirschsprung können unter Umständen aber für enterische Lähmungen verantwortlich sein. Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder ALS greifen dagegen meist nicht in das vegetative Nervensystem ein.

Quellen

  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Lücke, N.: Diabetes mellitus. Compact-Verlag, München 2010
  • Riemann, J., Fischbach, W., Galle, P., Mössner, J.: Gastroenterologie. Band 2. Thieme, Stuttgart 2008

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