Melorheostose

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Melorheostose verdicken sich ganz oder anteilig Knochen der Extremitäten, ohne dass die Patienten es bemerken. Nur in seltenen Fällen zeigen sich Ödeme der Muskeln, Wachstumsstörungen oder Bewegungseinschränkungen. Die symptomatische Therapie beschränkt sich auf Patienten mit tatsächlichen Symptomen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Melorheostose?

Derzeit vermutet die Medizin als Ursache der Erkrankung eine Mutation im LEMD3/MAN1-Gen. Dieses Gen übernimmt in der DNA die Codierung für Proteinelemente der inneren Kernmembran.
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Krankheiten mit näher bezeichneten Veränderungen der Knochendichte oder Knochenstruktur sind eine weit gefächerte Gruppe, die viele Einzelerkrankungen beinhaltet und klinisch verschiedenste Manifestationen zeigen kann. Eine solche Manifestation ist die Melorheostose. Die Erkrankung ist auch als Léri-Syndrom bekannt und wurde im 20. Jahrhundert erstmals beschrieben.

Als Erstbeschreiber gilt der Pariser Neurologe André Léri, dem zu Ehren der Begriff des Léri-Syndroms eingeführt wurde. Die Melorheostose äußert sich in Verdickungen des Skeletts, die meist im Bereich der Extremitäten liegen. Das Syndrom wird zuweilen auch als mesenchymale Dysplasie bezeichnet und ist somit Anomalien des embryonalen Mesenchymgewebes assoziiert.

Die Manifestation kann in jedem Alter stattfinden. Mit einer Prävalenz von weniger als einem Fall auf 1000000 Menschen ist die Melorheostose eine extrem seltene Erkrankung. Die klinischen Termini Kerzenwachskrankheit und Wachsknochenerkrankung werden oft synonym zur Melorheostose verwendet und beschreiben die strukturellen Knochenveränderungen bildlich.

Ursachen

Die Wachsknochenerkrankung tritt vermutlich sporadisch auf. Familiäre Häufungen wurden bislang nicht beobachtet. Ein Erbgang konnte daher bisher nicht identifiziert werden und wird auf Basis der bisherigen Fälle auch nicht für anwendbar gehalten. Trotzdem scheinen der Krankheit genetische Faktoren zu Grunde zu liegen, die zu strukturellen Veränderungen und Funktionsminderungen des Knochengewebes führen.

Erst in der jüngsten Vergangenheit wurden die Knochenveränderungen erstmals mit einem bestimmten Gen in Verbindung gebracht. Derzeit vermutet die Medizin als Ursache der Erkrankung eine Mutation im LEMD3/MAN1-Gen. Dieses Gen übernimmt in der DNA die Codierung für Proteinelemente der inneren Kernmembran. Dabei handelt es sich um den inneren Anteil der doppelschichtigen Membran, wie sie das Innere von Zellkernen umschließt und den Stofftransport zwischen dem Plasma und Zytoplasma steuert.

Die Mutationen des genannten Gens mindert die Funktion der Kernmembranen und erschwert somit den Stoffaustausch zwischen Kernplasma und Zytoplasma. Welche Faktoren die Mutation bedingen, ist bislang nicht geklärt. Infrage kommen zum Beispiel Giftexpositionen oder Mangelernährung in der Schwangerschaft.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Obwohl es sich um eine angeborene Erkrankung handelt, zeigen die meisten Patienten der Melorheostose bis ins späte Erwachsenenalter keine Symptome. Oft bleiben sie ein Leben lang symptomlos und erhalten ihre Diagnose über einen Zufallsbefund. In anderen Fällen manifestiert sich der Symptomkomplex bereits früh durch dermale Veränderungen.

So kann sich auf der Haut über den veränderten Knochenstrukturen eine Fibrosierung des dermalen Gewebes einstellen. Zusätzlich zeigen manche Patienten über den betroffenen Knochenregionen Ödeme der Muskeln, die mit Verdickungen und Beeinträchtigung der Muskeln, Sehnen oder Gelenke einhergehen. Vor allem so beeinträchtigte Gelenke rufen zuweilen auch Schmerzen oder unwillkürliche Kontrakturen der Muskeln hervor.

Etwas seltener zeigen Patienten der Melorheostose Wachstumsstörungen, weil die Veränderungen der Knochen zum Beispiel die Wachstumsfugen überbrücken. Alle Veränderungen der Melorheostose treten bevorzugt an den Gliedmaßen auf. Nur in absoluten Ausnahmefällen manifestieren sich dermale und skelettale Symptome der Erkrankung an anderer Lokalisation. Manche Patienten bemerken symptomatisch auch Längenunterschiede oder Deformationen der Extremitäten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Da die Melorheostose meist symptomlos bleibt, führt sie ihre Patienten nur selten zum Arzt. In den meisten Fällen wird die Erkrankung als Zufallsbefund im Röntgenbild erkannt, so beispielsweise bei Röntgenaufnahmen im Rahmen eines Knochenbruchs oder Unfalls. Im Röntgenbild zeigen sich dermatomartig begrenzte und streifenförmige Sklerotisierungen und Verdichtungen, die an abfließende Wachstropfen erinnern.

Radiologisch muss der Arzt Erkrankungen wie die Osteomyelitis, die Osteopetrose, die Osteopoikilie oder das Buschke-Ollendorff-Syndrom und die Sklerodermie ausschließen. Dieser Ausschluss kann zum Beispiel mittels molekulargenetischer Analyse stattfinden. Wenn sich ein Nachweis über Mutationen im LEMD3/MAN1-Gen erbringen lässt, gilt die Diagnose der Melorheostose als gesichert.

Komplikationen

Nicht in jedem Fall kommt es durch die Melorheostose zu Beschwerden oder zu Komplikationen. In vielen Fällen führt die Melorheostose nicht zu Symptomen, sodass die Betroffenen das gesamte Leben lang mit dieser Krankheit leben. Auch bei einer zufälligen Diagnose muss nicht in jedem Fall eine Behandlung eingeleitet werden, falls die Betroffenen nicht über Beschwerden klagen.

Weiterhin kann es durch die Melorheostose zu Verzerrungen an der Haut oder an den Knochen kommen. Dadurch werden vor allem die Muskeln und Gelenke negativ beeinträchtigt, sodass es zu Störungen an der Bewegung des Patienten kommen kann. Dadurch wird auch der Alltag deutlich eingeschränkt. Bei Kindern kann die Melorheostose zu Störungen des Wachstums und damit zu Entwicklungsstörungen führen.

Dabei kommt es nicht selten zu Deformationen an den Extremitäten oder zu verschiedenen Längen der Extremitäten. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch diese Krankheit allerdings nicht verringert. Durch verschiedene Therapien und therapeutische Maßnahmen können die Beschwerden der Melorheostose gut eingeschränkt werden.

In einigen Fällen müssen die Betroffenen allerdings ihr gesamtes Leben lang mit den Bewegungseinschränkungen leben. Ob es zu einem positiven Krankheitsverlauf kommt, kann im Allgemeinen nicht vorausgesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei der Melorheostose kommt es bei vielen Patienten erst im späten Erwachsenenalter zu Symptomen. Da die Erkrankung über eine lange Zeit durch eine Beschwerdefreiheit gekennzeichnet ist, gibt es für den Betroffenen keine Anzeichen oder Warnsignale, die einen Arztbesuch notwendig werden lassen. Zeigen sich bei der angeborenen Erkrankung erste Einschränkungen der Motorik, wird ein Arzt benötigt. Leidet der Betroffene unter einem Abbau der Muskelkraft, einer inneren Schwäche oder Schwellungen in der Nähe der Knochen, ist ein Arzt zu konsultieren. Können Arme und Beine nicht mehr wie gewohnt gestreckt oder gebeugt werden, besteht Anlass zur Besorgnis.

Bei allgemeinen Bewegungseinschränkungen oder Unregelmäßigkeiten der Bewegungsabläufe ist ein Arzt von den Beobachtungen zu berichten. Kommt es zu Schmerzen der Knochen, Gelenke oder Sehnen, sollte eine Abklärung der Ursache stattfinden. Die Bildung von Ödemen oder Störungen der Willkürkontraktion der Muskeln sind untersuchen und behandeln zu lassen.

Steigt aufgrund der Beschwerden das allgemeine Unfall- und Verletzungsrisiko, sollte eine Umstrukturierung des Alltags erfolgen. Gemeinsam mit einem Arzt wird ein Behandlungsplan erarbeitet. Zudem erhält der Betroffene bei einem Arztbesuch wichtige Informationen zur Vorsorge und notwendigen Maßnahmen. Deformationen der Knochen, Auffälligkeiten des Skelettsytems sowie Längenunterschiede der Extremitäten sind von einem Arzt untersuchen zu lassen.

Behandlung & Therapie

Für Patienten der Melorheostose stehen bisher keine kausalen Therapiemethoden zur Verfügung. Die Krankheit gilt derzeit noch als unheilbar. Zwar werden gentherapeutische Ansätze als kausale Therapieschritte bei genetisch bedingten Erkrankungen gerade erforscht, die klinische Phase haben sie aber noch nicht erreicht. Genetische Erkrankungen wie die Melorheostose können daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur symptomatisch behandelt werden.

Bei der Melorheostose stellt sich die Frage nach dem Nutzen einer solchen Therapie. Da die meisten Patienten bis an ihr Lebensende symptomlos bleiben, muss in den meisten Fällen keinerlei Behandlung stattfinden. Falls allerdings Symptome vorliegen, stehen verschiedene Behandlungswege zur Verfügung. Bewegungseinschränkungen und Wachstumsstörungen werden zum Beispiel häufig mit dem Einsatz von Kontrakturen und Knochenspangen therapiert.

Die dermalen Symptome und Fibrosierungen der Haut müssen nicht zwingend behandelt werden. In den meisten Fällen beeinträchtigen sie die Patienten nicht weiter und entwickeln sich so gut wie nie zu ernstzunehmenden Phänomenen. Solange die Vermehrung des Bindegewebes den Patienten also nicht stört, wird meist keine Therapie angewandt. Symptome wie das Ödem der Muskeln sollten dagegen sehr wohl behandelt werden. Diese Behandlung ist immer eine medikamentöse Therapie und kann zum Beispiel der Gabe von Diuretika entsprechen.


Aussicht & Prognose

Die Krankheit Melorheostose gilt bislang als unheilbar. Genetische Ursachen bedingen vermutlich die Fehlbildung der Knochen. In den meisten Fällen ergibt sich trotzdem eine positive Prognose für Erkrankte. Sie bleiben ihr Leben lang beschwerdefrei. Die Problematiken erweisen sich als geringfügig. Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass die typischen Anzeichen nur selten noch nach dem 20. Lebensjahr auftreten. Dadurch gelten Jungen und Mädchen im Entwicklungsstadium als Risikogruppe.

Treten Beschwerden auf, lassen sie sich durch eine Physiotherapie oder chirurgischen Eingriff meist erfolgreich beheben. Nur in außergewöhnlichen Fällen führen Ärzte eine Amputation durch. Eine Verkürzung der Lebenszeit besteht durch eine Melorheostose nicht. Patienten müssen aber gegebenenfalls mit leichten oder schweren Bewegungseinschränkungen klar kommen. Dadurch lassen sich berufliche und private Ziele nicht immer vollständige realisieren. Eine psychische Belastung kann eintreten.

Wird auf eine Therapie verzichtet, ergeben sich in der Regel keine Nachteile. Das geht darauf zurück, dass die Mehrzahl der Betroffenen keine oder nur geringe Beschwerden bemerkt. Treten hingegen Komplikationen auf, ist eine ärztliche Behandlung angezeigt. Das Ausschlagen von solchen Hilfsangeboten kann einer Bewegungsunfähigkeit Vorschub leisten.

Vorbeugung

Bislang sind die auslösenden Faktoren für eine Mutation im LEMD3/MAN1-Gen nicht bekannt: Sogar die Mutation selbst ist erst in der jüngsten Vergangenheit mit der Erkrankung in Verbindung gebracht worden. Solange die ursächlichen Faktoren nicht feststehen, wird sich der Melorheostose auch nicht vorbeugen lassen.

Nachsorge

Da die Melorheostose bislang als unheilbar gilt, konzentriert sich die Nachsorge auf die Stabilisierung der Lebensqualität. Mitunter bleiben Betroffene ihr Leben lang beschwerdefrei. Die Problematiken erweisen sich als geringfügig. Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass die typischen Anzeichen nur selten noch nach dem 20. Lebensjahr auftreten. Dadurch gelten Jungen und Mädchen im Entwicklungsstadium als Risikogruppe.

Im Allgemeinen wird den Betroffenen und Angehörigen zur Unterstützung des Immunsystems zu einer gesunden Lebensweise mit ausgewogener Ernährung geraten. Dieser wird zur Stabilisierung auch bestimmte Entspannungs- und Mentaltechniken vorschlagen sowie zu möglichst vielen Freizeitaktivitäten raten, welche der betroffenen Familie viele schöne, gemeinsame Stunden bescheren soll.

Sollten die bereits einmal betroffenen Eltern einen weiteren Kinderwunsch hegen, wird ihnen eine genaue genetische Untersuchung empfohlen, um die Wahrscheinlichkeit eines weiteren erkrankten Kindes vorab festzustellen.

Das können Sie selbst tun

Begleitend zur medizinischen Therapie können Betroffene die Symptome der Melorheostose durch einige Maßnahmen und Hausmittel lindern.

Zunächst gelten allgemeine Tipps wie Schonung und die Vermeidung von Stress. Da die Wachstumsstörungen und Bewegungseinschränkungen oft mit einem niedrigen Wohlbefinden einhergehen, sollten entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen werden. Das kann ein ausfüllendes Hobby sein, aber auch eine gesunde Diät, sportliche Betätigung oder ein Gespräch mit Freunden. Welche Strategien im Detail sinnvoll, wird am besten gemeinsam mit einem Therapeuten ermittelt. Generell sollten Melorheostose-Patienten immer Rücksprache mit einem Psychologen halten, der weitere Tipps zum Umgang mit den psychischen Folgebeschwerden der Knochenerkrankung geben kann.

Die körperlichen Symptome können mit Hilfe natürlicher Präparate behandelt werden. Schmerzen lassen sich mit natürlichen Mitteln wie der entzündungshemmenden Teufelskralle oder der beruhigenden Weidenrinde lindern. Arnika und entsprechende Präparate aus der Homöopathie helfen bei stärkeren Schmerzen. Bei Ödemen sollte die betroffene Stelle gekühlt und nach oben gelagert werden. Manchmal helfen auch Kompressionsstrümpfe, die nach Möglichkeit maßangefertigt sein sollten und konsequent getragen werden müssen. Pflanzliche Extrakte aus dem rotem Weinlaub oder Rosskastaniensamen unterstützen den Abbau der Wassereinlagerungen. Ebenso Aescrin, Rutosid und Mäusedornwurzel.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014
  • Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015

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