Medullär-zystische Nierenerkrankung Typ 1

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der medullär-zystischen Nierenerkrankung vom Typ 1 handelt es sich um eine sogenannte Zystenniere. Die Erkrankung ist erblich bedingt und wird autosomal-dominant vererbt. Ohne Behandlung endet die Erkrankung durchschnittlich im Alter von 62 Jahren tödlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine medullär-zystischen Nierenerkrankung Typ 1?

Wie bei allen Zystennieren beginnt die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 mit blutigem Urin, Bluthochdruck, Schmerzen im Bauchraum, Vergrößerung des Bauchumfanges und Harnwegsinfekten.
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Die medullär-zystische Nierenerkrankung Typ 1 (ADMCKD1) gehört zu einem Krankheitskomplex, welcher sich durch die Ausbildung einer Zystenniere auszeichnet. Zystennieren stellen also keine einheitliche Erkrankung dar. Sie können sowohl erblich bedingt als auch erworben sein.

Dabei ist die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 eine erblich bedingte Erkrankung, die autosomal-dominant weitervererbt wird. Auch die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 2 stellt eine autosomal-dominant vererbbare Nierenerkrankung mit ähnlichen Symptomen dar. Es gibt zusätzlich noch eine autosomal-rezessiv vererbbare Form der Zystenniere.

Dabei handelt sich um verschiedene Erkrankungen mit gleichen Symptomen. Aufgrund der gleichen Symptome wurde die erblich bedingte Zystenniere bis vor Kurzem als einheitliche Erkrankung betrachtet. Unterschiedlich ist nur der Zeitpunkt des Ausbruchs der ersten Symptome bei den einzelnen Erkrankungen.

Die beiden autosomal-dominanten Formen der medullär-zystischen Nierenerkrankungen werden auch als ADMCKD1 oder ADMCKD2 bezeichnet. Es sind sehr seltene Erkrankungen. Insgesamt sind von beiden autosomal-dominanten Formen der Erkrankung weltweit etwa fünf Millionen Menschen betroffen. Die Prävalenz liegt bei etwa 1 bis 9 pro 100.000 Personen.

Ursachen

Wie bereits erwähnt, ist die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 eine erblich bedingte Erkrankung. Im Gegensatz zur medullär-zystischen Nierenerkrankung vom Typ 2 konnte das Gen jedoch noch nicht genau lokalisiert werden. Es befindet sich allerdings auf Chromosom 1.

Als Ursache für die Bildung der Zystenniere wird eine Fehlfunktion der Genprodukte Polycystin-1 und Polycystin-2 vermutet. Die Interaktion zwischen beiden Verbindungen ist ausschlaggebend für die Ausbildung der Nierenstruktur. Allerdings ist der genaue Mechanismus noch nicht bekannt.

Die autosomal-dominant bedingten Formen der Erkrankung zeigen einen sehr langsamen Krankheitsverlauf. Bei der medullär-zystischen Nierenerkrankung vom Typ 1 beginnt die Ausbildung der Symptome im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt. Das vollständige Nierenversagen tritt durchschnittlich im Alter von 62 Jahren ein.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Wie bei allen Zystennieren beginnt die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 mit blutigem Urin, Bluthochdruck, Schmerzen im Bauchraum, Vergrößerung des Bauchumfanges und Harnwegsinfekten. Der Blutdruck steigt deshalb, weil beim Verdrängen von Nierengefäßen durch die Zysten distal dazu der Blutdruck sinkt.

Dabei wird das Hormon Renin ausgeschüttet, welches den Blutdruck wieder ansteigen lässt. Die ersten Symptome der Erkrankung beginnen im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt. Dabei gibt es jedoch auch Patienten, die bis zum endgültigen Nierenversagen symptomlos bleiben. Oft besteht ein chronischer Schmerz, der durch den Druck der wachsenden Zysten auf umgebende Nerven ausgelöst wird.

Die Blutungen werden durch Risse in den Zysten verursacht. Dabei sind die Blutungen jedoch nicht gefährlich und verschwinden von alleine wieder. Da die Zysten zu einem Sammelpunkt für Urin werden, haben Keime hervorragende Möglichkeiten, sich zu vermehren. Daraus resultieren die vielen Harnwegsinfekte. Die Nieren werden im Laufe des Krankheitsprozesses immer größer und können schließlich einige Kilogramm wiegen, weil sich in den Zysten immer mehr Flüssigkeit ansammelt.

Gesunde Nieren wiegen in der Regel 160 Gramm. Das Gewicht von Zystennieren kann bis auf acht Kilogramm anwachsen. Im Urin werden außerdem erhöhte Mengen an Proteinen ausgeschieden. Die Bestimmung der Proteine im Harn trägt zur Diagnostik der Erkrankung bei. Da die Zysten auch den Harnabfluss behindern, kann es in 20 bis 30 Prozent der Fälle zu Nierensteinen kommen. Welche Vorgänge schließlich zum vollständigen Nierenversagen führen, ist noch nicht genau bekannt.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Zur Diagnostik der medullär-zystischen Nierenerkrankungen eignen sich Ultraschalluntersuchungen. Im Rahmen dieser Untersuchungen können Zysten ab einer Größe von fünf Millimetern festgestellt werden. So ist es möglich, schon recht früh bei beginnenden Symptomen eine Zystenniere zu 90 Prozent zu diagnostizieren.

Eine Biopsie von Nierengewebe soll zur Bestimmung des Typus beitragen. Oftmals können hier jedoch keine Entscheidungen getroffen werden, sodass die Anamnese der Krankheitsgeschichte innerhalb der Familie weiterhilft. Wenn in der Familie oder Verwandtschaft ein bestimmter Typ der Erkrankung bereits aufgetreten ist, kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich um die gleiche Nierenerkrankung handelt.

Auch eine molekulargenetische Untersuchung kann Aufschluss geben. Allerdings gestaltet sich das beim PKD1-Gen schwierig. Über die Symptomatik der Erkrankung auf den Typ der medullär-zystischen Nierenerkrankung zu schließen, ist nicht möglich. Nicht alle zystischen Nierenerkrankungen sind erblich bedingt. In manchen Fällen können sich auch durch andere zugrunde liegende Erkrankungen Zystennieren bilden. Zur Abgrenzung dieser Fälle müssen differenzialdiagnostische Untersuchungen durchgeführt werden.

Komplikationen

Diese Erkrankung muss auf jeden Fall von einem Arzt behandelt werden. Ohne Behandlung kommt es dabei in der Regel zum Tode des Patienten. Die Betroffenen leiden dabei in erster Linie an einem blutigen Urin. Dieser führt nicht selten zu Schweißausbrüchen oder zu einer Panikattacke. Weiterhin kommt es nicht selten auch zu Infekten an den Harnwegen, welche zu brennen Schmerzen beim Wasserlassen führen können.

Die Lebensqualität des Betroffenen wird aufgrund der Erkrankung deutlich verringert. Ebenso kommt es zu einem Bluthochdruck, welcher zu einem Herzinfarkt führen kann. Ebenso treten nicht selten Schmerzen im Bereich des Magens und des Bauches auf. Die Betroffenen können dabei im schlimmsten Falle auch ein vollständiges Nierenversagen erleiden und an diesem versterben. Dabei sind die Betroffenen schließlich auf eine Dialyse oder auf eine Transplantation der Nieren angewiesen.

Die Niere wird dabei immer größer und führt nicht selten zu Schmerzen. Die Behandlung dieser Erkrankung kann in der Regel nur symptomatisch erfolgen und die Schmerzen verringern. Weiterhin ist allerdings immer eine Transplantation oder eine Dialyse notwendig. Die Lebenserwartung wird durch diese Krankheit deutlich verringert und eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wurde in der Familie bereits eine genetisch bedingt Nierenerkrankung diagnostiziert, sollte bereits unmittelbar nach der Geburt des Kindes ein umfangreicher Gentest durchgeführt werden. Da die Erkrankung unbehandelt zu einem frühzeitigen Ableben führt, empfiehlt sich eine rechtzeitige Diagnosestellung. Ein Behandlungsplan kann auf diesem Wege bereits im Anfangsstadium erstellt und stets an die aktuellen Bedürfnisse des Organismus angepasst werden.

Alternativ ist ein Arztbesuch notwendig, sobald sich Blut im Urin zeigt. Ist dieser nicht durch eine einmalige körperliche Überlastung des Organismus ausgelöst oder tritt er wiederholt auf, sollte ein Arzt konsultiert werden. Bei Bluthochdruck, Schmerzen im Oberkörper oder ungewöhnlichen Schwellungen ist ein Arzt aufzusuchen. Kommt es zu einer Deformierung im Bereich des Oberbauches, besteht Anlass zur Besorgnis. Ein Arztbesuch ist vonnöten, damit eine Ursachenforschung eingeleitet werden kann.

In vielen Fällen stellen sich die ersten gesundheitlichen Beeinträchtigung im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt ein. Daher ist Menschen im Erwachsenenalter grundsätzlich anzuraten, an den regelmäßig angebotenen Kontrolluntersuchungen bei einem Arzt teilzunehmen. Veränderungen oder Auffälligkeiten beim Urinieren, Besonderheiten des Geruchs oder eine verminderte Urinmenge weisen auf Unstimmigkeiten hin, die abgeklärt werden müssen. Ein chronisches Schmerzerleben, Schlafstörungen oder eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit sind weitere Anzeichen, die medizinisch untersucht werden sollten.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Therapie für die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 gibt es wie auch für alle anderen erblich bedingten Zystennieren nicht. Es können zunächst nur symptomatische Behandlungen durchgeführt werden. Dazu gehört die Behandlung der Harnwegsinfektionen sowie des hohen Blutdrucks.

Die Schmerzen lassen sich durch Punktion von gefüllten Zysten mildern, weil dadurch der Druck auf benachbarte Nerven nachlässt. Eine nachhaltige Behandlung kann jedoch nur durch Dialyse oder bei vollständigem Nierenversagen durch Nierentransplantation erfolgen.


Aussicht & Prognose

Die genetisch bedingte Medullär-zystische Nierenerkrankung Typ 1 ist eine schwere und zum Tode führende Erkrankung der Nieren. Diese tritt meistens in der dritten Lebenshälfte auf. Binnen weniger Jahre ist bei dieser selten auftretenden Erkrankung komplettes Nierenversagen zu erwarten. Das ist durchschnittlich in den ersten Lebensjahren um die Sechzig der Fall.

Die Prognose ist auch wegen der zahlreichen Folgen der Medullär-zystischen Nierenerkrankung Typ 1 schlecht. Seltsamerweise sind blonde und rothaarige Menschen eher von der Medullär-zystischen Nierenerkrankung Typ 1 betroffen als dunkelhaarige Menschen. Für diese Menschen ist die Prognose also durchschnittlich schlechter, weil die Erkrankung häufiger auftritt.

Das Problem besteht darin, dass es bisher keine Therapieansätze gibt. Die Symptome und Begleiterscheinungen der Medullär-zystischen Nierenerkrankung Typ 1 können lediglich gelindert werden. Im Endstadium kann den Betroffenen nur noch mittels Dialyse oder einer Nierentransplantation geholfen werden.

Steht ein passendes Transplantat zur Verfügung, sind die Chancen auf eine Heilung aber recht gut. Mittels Dialyse lässt sich allerdings nur eine gewisse Zeitspanne überbrücken. Auch die Funktionsdauer eines Transplantats ist begrenzt. Findet sich kein passendes Nierentransplantat, ist das so gut wie ein Todesurteil. Möglicherweise kann in späteren Jahrzehnten die Gentherapie Linderung oder Heilung für die Betroffenen erbringen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Vorbeugung

Die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 ist eine erblich bedingte Erkrankung. Daher kann es keine Empfehlungen zu ihrer Vorbeugung geben. Wenn in der Familie bereits Fälle von medullär-zystischen Nierenerkrankungen aufgetreten sind, können bei Kinderwunsch humangenetische Beratungen in Anspruch genommen werden, um das Risiko eines erneuten Auftretens abzuklären.

Nachsorge

Ausschlaggebend für die Heilung der Medullär-zystischen Nierenerkrankung Typ 1 ist die Transplantation der neuen Nieren. Dies muss von einem darauf spezialisierten Arzt behandelt werden. Im Nachgang an diesen Eingriff gilt es, den geschwächten Körper allmählich und behutsam wieder zu stärken. Anfangs empfiehlt sich jedoch striktes Schonen, um die Operationswunden ausheilen zu lassen. Die Transplantation macht regelmäßige Besuche beim Arzt notwendig, um abzuklären, ob der Genesungsprozess erwartungsgemäß verläuft und um eventuell auftretende Komplikationen rechtzeitig zu erkennen. Da die Anschluss-Behandlung relativ komplex und langwierig ist, konzentriert sich die Nachsorge auf einen guten Umgang mit der Erkrankung. Betroffenen sollten versuchen, sich trotz der Widrigkeiten auf einen positiven Heilungsprozess zu konzentrieren. Um die entsprechende Haltung aufzubauen, können Entspannungsübungen und Meditation helfen, den Geist zu beruhigen und zu fokussieren. Sofern psychische Verstimmungen auftreten und länger anhalten, kann es ratsam sein, einen Psychologen aufzusuchen und dies abzuklären. Mitunter kann eine begleitende Therapie helfen, einen positive Haltung aufzubauen.

Das können Sie selbst tun

Wurde eine medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 festgestellt, ist eine ärztliche Behandlung erforderlich. Einige Selbsthilfe-Maßnahmen und Mittel aus dem Haushalt und der Natur unterstützen den Heilungsverlauf. Wichtig ist zunächst eine Behandlung der Symptome.

Eine Harnwegsinfektion kann, begleitend zur Antibiotika-Therapie, durch Wärme und Schonung gelindert werden. Außerdem ist auf eine ausreichende Hygiene im Intimbereich zu achten, um eine Ausbreitung der Infektion zu verhindern. Bei einer akuten Infektion sollte auf reizende Pflegeprodukte wie Reinigungsseifen oder Deodorants verzichtet werden. Besser geeignet sind natürliche Mittel ohne künstliche Zusatzstoffe. Gegen Bluthochdruck hilft in erster Linie eine Ernährungsumstellung. Außerdem sollte viel Sport getrieben und auf Genussmittel wie Alkohol, Zigaretten oder Koffein verzichtet werden. Übergewichtige Personen sollten Maßnahmen ergreifen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Bei starkem Bluthochdruck ist eine medikamentöse Behandlung sinnvoll. Der zuständige Arzt sollte die genannten Maßnahmen überwachen und diese durch die Gabe von Arzneimitteln unterstützen.

Die medullär-zystische Nierenerkrankung vom Typ 1 kann normalerweise gut behandelt werden, insofern das Grundleiden frühzeitig erkannt wird. Ein langfristiger Behandlungserfolg lässt sich allerdings nur durch eine dauerhafte Umstellung der Lebensgewohnheiten erzielen.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Keller, C.K., Geberth, S.K.: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin 2010
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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