Malignes Neuroleptika-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein malignes Neuroleptika-Syndrom (Kurzform MNS) wird ebenso als malignes neuroleptisches Syndrom bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine seltene Nebenwirkung, die aus der Einnahme von Neuroleptika resultiert.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das maligne Neuroleptika-Syndrom?

Ein malignes Neuroleptika-Syndrom verursacht verschiedene Beschwerden wie extrapyramidal-motorische Störungen, extreme Muskelsteife oder Blickkrämpfe. Betroffene schwitzen stark, mitunter kommt es zu Schweißausbrüchen, es kommt zu Tachykardie und Tachypnoe.
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Das Neuroleptika-Syndrom ist ein seltenes, jedoch lebensbedrohliches Krankheitsbild, welches durch Dopaminantagonisten (insbesondere Neuroleptika), aber ebenso durch Lithium oder Antidepressiva ausgelöst wird. Meist tritt es bei einer hohen Dosierung der Medikamente oder einer schnellen Erhöhung der Dosis in den ersten vier Wochen nach dem Therapiebeginn beziehungsweise der Umstellung der Medikamente auf.

Das Neuroleptika-Syndrom soll bei rund 0,2 Prozent der Patienten, die mit Neuroleptika behandelt werden, in Erscheinung treten. Am häufigsten konnte das Krankheitsbild unter der Einnahme von Haloperidol, aber prinzipiell auch bei allen anderen Neuroleptika beobachtet werden. Zudem sind einzelne familiäre Fälle bekannt, sodass auch eine genetische Komponente hinsichtlich der Entstehung der Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann.

Ein malignes Neuroleptika-Syndrom stellt in der Psychiatrie einen gefürchteten Notfall dar, denn das Krankheitsbild verläuft schnell und kann zudem rasch lebensbedrohliche Komplikationen auslösen.

Ursachen

Zu den Arzneistoffen, die als Auslöser für ein malignes Neuroleptika-Syndrom infrage kommen, gehören unter anderem:

  • Aripiprazol
  • Carbamazepin
  • Niederpotente Neuroleptika wie Chlorpromazin, Perazin, Pipamperon und Triflupromazin
  • Thioxanthene: Chlorprothixen und Flupentixol
  • Trizyklische Antidepressiva: Desipramin und Trimipramin
  • Phenothiazine Prokinetika: Domperidon und Metoclopramid
  • Allgemeine Phenothiazine: Fluphenazin und Perphenazin
  • Butyrophenone: Haloperidol, Benperidol und Melperon
  • Lithium
  • Pimozid
  • Atypische Neuroleptika: Risperidon und Aripiprazol
  • SSRI: Sertralin und Escitalopram
  • SNRI: Tiaprid
  • Benzamide: Amisulprid

Weitere Risikofaktoren wie die Einnahme von stark antipsychotisch wirkenden Neuroleptika und eine hohe Dosierung die können ein malignes Neuroleptika-Syndrom begünstigen. Bereits bestehende Gehirnschäden und Schilddrüsenerkrankungen können ebenso Einfluss auf die Entstehung eines malignen Neuroleptika-Syndroms haben. Dies gilt auch bei körperlicher Erschöpfung, Flüssigkeitsmangel oder Hyponatriämie.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein malignes Neuroleptika-Syndrom verursacht verschiedene Beschwerden wie extrapyramidal-motorische Störungen, extreme Muskelsteife oder Blickkrämpfe. Betroffene schwitzen stark, mitunter kommt es zu Schweißausbrüchen, es kommt zu Tachykardie und Tachypnoe. Auch Herzrasen, schneller Atem und Veränderungen des Blutdrucks, Harn- beziehungsweise Stuhlinkontinenz sind in einem solchen Fall beobachtet worden.

Desweiteren kann es zu Sprach- und Schluckstörungen, vermehrtem Speichelfluss und einem Anstieg der Köpertemperatur kommen. Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und sogar Koma treten im Zusammenhang mit dem malignen Neuroleptika-Syndrom auf.

In den meisten Fällen beginnt ein malignes Neuroleptika-Syndrom innerhalb von weniger als zehn Tagen, nachdem die Therapie mit dem Medikament, das der Auslöser ist, begonnen wurde. Selten kann dies bis zu zwei Monate dauern. Innerhalb von zwei Tagen, aber zum Teil auch schon nach wenigen Stunden entwickelt sich das maligne Neuroleptika-Syndrom meist zum Vollbild.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Um die Diagnose zu stellen, dass ein malignes Neuroleptika-Syndrom vorliegt, werden zunächst einmal allgemeine Maßnahmen durchgeführt, zum Beispiel Fieber und Blutdruck messen. Letzterer kann entweder hoch oder nieder sein, aber ist auch oft labil. Weitere Anzeichen sind meist ein CPK Anstieg, kann aber ebenfalls nur leicht sein, eine erhöhte LDH (Laktat-Dehydrogenase), Leukozytose, Proteinurie und Myoglobinurie.

Zudem liegen eine Hyponatriämie und Hypernatriämie, eine leichte Eiweißerhöhung im Liquorein, ein niedriges Serumeisen, Serumkalzium sowie Magnesium vor. Eine möglichst frühzeitige Diagnose und Behandlung sind sehr wichtig, um Folgeschäden zu vermeiden. Eine ernsthafte Komplikation, die ein malignes Neuroleptika-Syndrom verursachen kann, ist die Rhabdomyolyse mit einer Myoglobinurie.

Diese kann zu einem akuten Nierenversagen führen. Weitere Risiken sind die Hyperthermie, die möglicherweise eine Dehydrierung verursacht, was wiederum Phlebothrombosen sowie eine Lungenembolie auslösen kann. Zudem sind Krampfanfälle möglich.

Im schlimmsten Fall kann ein malignes Neuroleptika-Syndrom zu einem Multiorganversagen führen. Die Eintrübung sowie insbesondere die Muskelstarre und das Fieber können rasch zunehmen und sehr schnell zu einer lebensgefährlichen Dekompensation führen. Daher ist die Behandlung unverzichtbar.

Komplikationen

Beim Neuroleptika-Syndrom kommt es in der Regel zu vielen verschiedenen Beschwerden. Sie deuten dabei allerdings nicht immer direkt auf das Syndrom hin, sodass es in vielen Fällen erst zu einer verzögerten Behandlung kommt. In der Regel leiden die Betroffenen an einer stark erhöhten Schweißbildung und dabei auch an starken Schweißausbrüchen. Diese können die Lebensqualität deutlich einschränken und verringern.

Ebenso kommt es beim Neuroleptika-Syndrom nicht selten zu Herzrasen, das im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt führen kann. Die Betroffenen leiden an einer Stuhlinkontinenz, wodurch es nicht selten zu Depressionen und zu anderen psychischen Verstimmungen kommt. Die Betroffenen leiden weiterhin auch an Fieber und ohne Behandlung der Krankheit auch oft an einer Niereninsuffizienz. Diese kann zum Tode führen und der Betroffene ist dann auf eine Dialyse oder auf eine Spenderniere angewiesen.

Die Behandlung des Neuroleptika-Syndroms erfolgt relativ einfach und schnell mit Hilfe von Medikamenten und durch eine erhöhte Zufuhr an Flüssigkeit. Komplikationen treten dabei nicht ein und die Beschwerden können relativ gut gelöst werden. In der Regel wird bei einer frühzeitigen Behandlung auch die Lebenserwartung des Patienten durch das Neuroleptika-Syndrom nicht verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen, die unter Einfluss eines Medikaments aus der Reihe der Neuroleptika stehen, sollten bei negativen Veränderungen des gesundheitlichen Zustands einen Arzt konsultieren. Kommt es zu Störungen der Motorik oder des Herzrhythmus, ist eine medizinische Abklärung der Beschwerden erforderlich.

Bei Herzrasen, einem erhöhten Blutdruck, Schweißausbrüchen, einem gestiegenen Sauerstoffbedarf oder anderen vegetativen Unregelmäßigkeiten ist ein Arzt aufzusuchen. Ist die Atmung erschwert oder leidet der Betroffene unter einer verschnellerten Atemtätigkeit, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es zu Kommunikationsproblemen, besteht ebenfalls Anlass zur Besorgnis. Bei Sprach- oder Schluckstörungen ist ein Arzt aufzusuchen.

Ein trockener Mund und Rachen, eine Unterbrechung des regelmäßigen natürlichen Speichelflusses sowie eine erhöhte Körpertemperatur sind Anzeichen einer bestehenden Unregelmäßigkeit. Ein Arztbesuch ist notwendig, damit eine Optimierung des erarbeiteten Behandlungsplans zur Therapie der Grunderkrankung stattfinden kann. Stellt sich eine Unregelmäßigkeit des Verdauungstraktes ein, kommt es zu Inkontinenz oder Problemen beim Toilettengang, ist ein Arzt zu konsultieren.

Zeigt der Patient eine geistige Verwirrtheit oder setzen Bewusstseinsstörungen ein, muss ein Arzt von den Beobachtungen unterrichtet werden, da es sich um wichtige Warnhinweise des Organismus handelt. Bei einem Verlust des Bewusstseins ist ein Rettungsdienst zu alarmieren. Der Betroffene benötigt eine Erste-Hilfe-Versorgung von anwesenden Personen bis zum Eintreffen des Notfallmediziners.

Behandlung & Therapie

Die primäre Maßnahme, falls ein malignes Neuroleptika-Syndrom festgestellt wurde, ist es, die verursachenden Neuroleptika oder das auslösende Antipsychotikum sofort abzusetzen. Alle weiteren Maßnahmen dienen eher als Unterstützung und beziehen sich in erster Linie auf die Sicherung der wichtigen Vitalfunktionen. Dazu gehören gegebenenfalls eine Beatmung, Rehydratation sowie die Vermeidung von weiteren Komplikationen.

Der Flüssigkeits- und Elektrolytverlust müssen ausgeglichen werden und das Fieber ist schnellstmöglich mit Medikamenten zu senken. Manchmal kann in schwierigen Fällen eine zeitweise Dialyse erforderlich werden. Auch Muskelrelaxantien und Dopaminagonisten sind eine wirksame Unterstützung. Zu weiteren Maßnahmen gehören ein Monitoring wie EKG, eine Volumensubstitution und eine Thromboseprophylaxe.

In schweren Fällen oder wenn nach 24 Stunden keine Besserung eintritt, kommt Dantrolen zum Einsatz. Dies ist bei einer gesteigerten Muskelspannung der Fall, die zu schweren Krämpfen der Muskulatur führt. Aufgrund der Tatsache, dass ein malignes Neuroleptika-Syndrom ein lebensbedrohliches Krankheitsbild darstellt, wird es auf der Intensivstation behandelt.

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Aussicht & Prognose

Ohne eine schnellstmögliche medizinische Versorgung, ist die Prognose dieses Syndroms ungünstig. Es liegt ein lebensbedrohlicher Zustand vor, bei dem schnellstmöglich gehandelt werden muss. Andernfalls kommt es zu einem vorzeitigen Ableben des Betroffenen. Auslöser der Erkrankung ist eine Nebenwirkung von ärztlich verschriebenen medizinischen Präparaten zur Therapie einer vorliegenden Primärerkrankung. Aus diesem Grund kann eine Linderung der zusätzlichen Beschwerden erreicht werden, wenn die Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt gesucht wird.

Sobald erste gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten, sollte der Arzt konsultiert werden, der die Grunderkrankung behandelt. Eine Veränderung des erarbeiteten Behandlungsplanes ist notwendig, damit sich das maligne Neuroleptika-Syndrom zurückbildet und vollständig therapiert werden kann. Durch die Gabe von alternativen Medikamenten, kommt es zu einer Linderung der aufgetretenen gesundheitlichen Unregelmäßigkeiten. Die unerwünschten Nebenwirkungen verschwinden allmählich, wenn schnellstmöglich reagiert wird. Andernfalls kann es neben der Entwicklung eines lebensbedrohlichen Zustandes auch zu irreparablen Schäden des Organismus kommen.

Das Risiko für Beeinträchtigungen der Nierentätigkeit ist durch die auslösenden Medikamente deutlich erhöht. Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf kann es daher trotz aller Bemühungen zu dauerhaften Komplikationen kommen. Darüber hinaus können Krampfanfälle eintreten, die ebenfalls irreversible Veränderungen auslösen können. Eine verbesserte Prognose wird erreicht, indem neben der Konsultation des Arztes unverzüglich eine erhöhte Zufuhr an Flüssigkeit eingeleitet wird.

Vorbeugung

Da ein malignes Neuroleptika-Syndrom in der Regel als Nebenwirkung von Medikamenten auftritt, ist ein Vorbeugen der Erkrankung nicht möglich, sondern lediglich ein Abwenden, indem die verursachenden Medikamente sofort abgesetzt werden. Hierfür ist es wichtig, bei der Einnahme genau auf eventuelle Nebenwirkungen und Veränderungen in Bezug auf den Körper zu achten und diese sehr ernst zu nehmen.

Da die Wahrscheinlichkeit, dass ein malignes Neuroleptika-Syndrom wieder auftritt, deutlich erhöht ist, ist es zudem sehr wichtig, den Neubeginn einer neuroleptischen Therapie sehr vorsichtig und sensibel anzugehen. Im Idealfall werden atypische Neuroleptika verschrieben, die in einer möglichst niedrigen Dosierung eingenommen werden, um das Risiko von Anfang an gering zu halten. Ebenso ist es wichtig, falls ein Wechsel des Arztes ansteht, einen neuen Mediziner über die vorangegangene Erkrankung zu informieren, falls die Einnahme von entsprechenden Medikamenten geplant ist.

Nachsorge

Eine Arzneimittelallergie ist in der Regel nicht heilbar. Der Patient muss zur Vermeidung von Beschwerden das betreffende Medikament absetzen und es künftig nicht mehr einnehmen. Nur so wird ein Wiederauftreten der Erkrankung verhindert. Dieses setzt ein hohes Maß an Eigenverantwortung im Alltag voraus.

Die Nachsorge im Fall des Neuroleptika-Syndroms zielt grundsätzlich darauf, Komplikationen präventiv anzugehen. Gerade in lebensbedrohlichen Situationen ist dieses wichtig. Da eine Behandlung innerhalb weniger Minuten erfolgt, kann ein solches Wissen lebenswichtig sein. Da die Arzneimittelintoleranz ständig vorliegt, liegt die effektivste Nachsorge im Schutz vor gefährlichen Konsequenzen. Dies kann nur durch eine Vermeidung etwaiger Stoffe erfolgen.

Das können Sie selbst tun

Treten bei der Einnahme von Neuroleptika Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten auf, sollte der Betroffene in seinem eigenen Interesse das Gespräch zum behandelnden Arzt suchen. Da das Malignes Neuroleptika-Syndrom auf einer Intensivstation behandelt wird, sind die Möglichkeiten der Selbsthilfe sehr eingeschränkt. Verzögerungen bei der Konsultation eines Arztes führen zu einer schnellen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und sollten vermieden werden.

Die Erkrankung ist mit zahlreichen Symptomen und Beschwerden verbunden, die häufig beim Erkrankten sowie dessen Angehörigen eine Überforderung darstellen. Aufkommende Ängste und Sorgen aller Beteiligten sollten nicht zu stark werden. Ein Hineinsteigern ist dringend zu unterlassen. Der Austausch mit Angehörigen, Therapeuten oder ebenfalls Erkrankten kann hilfreich sein. Sprachbarrieren können mit digitalen Hilfsmitteln oder über eine Zeichensprache überwunden werden. Grundsätzlich ist eine positive Grundeinstellung dem Leben und dessen Herausforderungen gegenüber wichtig. Sie helfen bei der Bewältigung der Geschehnisse und führen zu neuen Lösungsmöglichkeiten. Das Denken sollte positiv und gleichzeitig realistisch sein. Hilfreich ist das Festlegen neuer Ziele, die erreichbar sind und keinen weiteren Stress auslösen.

Um keine zusätzlichen Erkrankungen zu erleiden ist ein gesunder Lebenswandel wichtig. Eine gesunde Ernährung, optimierte Schlafbedingungen sowie die Zufuhr von ausreichendem Sauerstoff stärken das Immunsystem fördern das Wohlbefinden. Gleichzeitig ist der Konsum von Schadstoffen wie Alkohol oder Nikotin zu unterlassen.

Quellen

  • Gleixner, C., Müller, M., Wirth, S.: Neurologie und Psychiatrie. Für Studium und Praxis 2015/16. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2015
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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