Kallus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Fraktur eines Knochens kommt es im Zuge der Frakturheilung zur Ausbildung eines Kallus. Dieses Gewebe verknöchert mit der Zeit und sorgt für eine vollständige Wiederherstellung von Funktion und Stabilität. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Frakturheilung jedoch pathologisch verlaufen und verschiedene Komplikationen mit sich bringen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Kallus?

Nicht immer verläuft die Knochenheilung physiologisch. Störungen des Heilungsprozesses können durch einen Versorgungsmangel von sauer- und nährstoffreichem Blut auftreten.
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Die Bezeichnung Kallus leitet sich vom lateinischen Wort callus („Schwiele“, „dicke Haut“) ab. Dieser Begriff steht für neugebildetes Knochengewebe nach einer Fraktur. An der Bruchstelle bildet sich zuerst Narbengewebe, welches den Frakturspalt überbrückt. Nach und nach verknöchert der Kallus und bildet neues Knochengewebe aus. Synonym dazu werden häufig die Begriffe Knochenkallus oder ‘‘‘Frakturkallus‘‘‘ verwendet.

Bei der Knochenheilung wird zwischen einem primären und einem sekundären Heilungsprozess unterschieden. Lediglich bei der sekundären Knochenbildung kommt es zu einer Kallusbildung, welche nach mehreren Tagen bis Wochen röntgenologisch dargestellt werden kann.

Je nach Phase der Knochenheilung werden verschiedene Formen des Kallus unterschieden: Kallus aus reinem Bindegewebe wird als myelogener, periostaler oder endostaler Kallus bezeichnet, je nach Art des ausbildenden Bindegewebes. Verfestigt sich dieses durch die Einlagerung von Kalk, handelt es sich um einen provisorischen Kallus oder Intermediärkallus. Kurz vor der vollständigen Heilung entsteht knöcherner Kallus, welcher mit der Zeit modelliert und abgebaut wird.

Anatomie & Aufbau

Abhängig von der Phase der Knochenheilung bildet sich der Kallus aus unterschiedlichem Gewebe. Fibrokartilaginärer Kallus besteht aus straffem Binde- und Knorpelgewebe und verbindet die Frakturenden provisorisch. Dieses Gewebe wird im Zuge der endochondralen Ossifikation in Geflechtknochen umgewandelt.

Im Gegensatz zu Lamellenknochen handelt es sich hierbei um eine unreife Form des Knochens, bei der die Kollagenfasern der Knochenmatrix in keine bestimmte Richtung, sondern kreuz und quer verlaufen. Erst im letzten Stadium des Heilungsprozesses werden die Fasern der Knochenmatrix parallel ausgerichtet, sodass ein belastbarer Lamellenknochen entsteht. Der anfangs knorpel- und bindegewebsartige Kallus ist zu diesem Zeitpunkt vollständig verknöchert.

Funktion & Aufgaben

Es wird zwischen einer primären und einer sekundären Knochenheilung unterschieden. Die primäre Knochenheilung läuft über die Havers-Kanäle ab. Hierbei handelt es sich um Kanäle in der Knochenrinde, welche Blutgefäße und Nervenfasern beinhalten. Die Aufgabe der Havers-Kanäle besteht in der Versorgung des Knochens mit Nährstoffen und der Reizübertragung.

Beträgt die Breite des Frakturspaltes weniger als einen Millimeter und ist die äußere Knochenhaut noch intakt, kann durch die Havers-Kanäle kapillarreiches Bindegewebe in den Frakturspalt wachsen. Zellen aus der inneren und äußeren Knochenhaut werden eingelagert und so umgebaut, dass die Belastbarkeit des Knochens nach etwa drei Wochen wieder gegeben ist.

Zu einer sekundären Frakturheilung kommt es, wenn der Spalt zwischen den Knochenteilen zu groß ist oder die Bruchenden leicht verschoben sind. Auch wenn Bewegung zwischen den Frakturteilen möglich ist, ist eine sekundäre Heilung mit Kallusbildung nötig.

Die sekundäre Frakturheilung läuft in fünf Phasen ab. Zuerst kommt es zu einer Gewalteinwirkung auf den Knochen, welche die Knochenstruktur zerstört und die Bildung eines Hämatoms zur Folge hat (Verletzungsphase). In der darauf folgenden Entzündungs- oder inflammatorischen Phase dringen Makrophagen, Mastzellen und Granulozyten in das Hämatom ein. Gleichzeitig mit dem Abbau des Hämatoms werden knochenbildende Zellen aufgebaut.

Nach vier bis sechs Wochen klingt die Entzündung ab und es kommt zur Granulationsphase. Nun wird ein weicher Kallus aus Fibroblasten, Kollagen und Kapillaren gebildet. Im Bereich der Knochenhaut wird neues Knochengewebe aufgebaut. In der vierten Phase (Kallushärtung) härtet der weiche Kallus aus und das neugebildete Gewebe mineralisiert. Nach etwa drei bis vier Monaten ist die physiologische Belastbarkeit wieder gegeben. In der letzten Phase (Umbauphase) wird die ursprüngliche Knochenstruktur mit Markraum und Havers-Kanälen zur Nährstoffversorgung wieder hergestellt.

Die sekundäre Knochenheilung kann sechs Monate bis zwei Jahre dauern. Die Zeitspanne hängt von verschiedenen Faktoren wie der Art des Knochens oder dem Alter des Betroffenen ab.


Krankheiten

Nicht immer verläuft die Knochenheilung physiologisch. Störungen des Heilungsprozesses können durch einen Versorgungsmangel von sauer- und nährstoffreichem Blut auftreten. Darüber hinaus ist eine normale anatomische Lage der Knochenteile mit engem Kontakt zueinander erforderlich. Die Beweglichkeit der beiden Teile sollte auf das Minimum reduziert werden, außerdem beschleunigen permanente Kompressionskräfte die Frakturheilung.

Offene Brüche können den Heilungsprozess verzögern oder unmöglich machen, wenn es dadurch zu einer Infektion des Knochens oder des umliegenden Gewebes kommt. Regelmäßiger Nikotinkonsum und durchblutungsschädigende Erkrankungen wie Diabetes oder Osteoporose wirken sich ebenfalls negativ auf die Frakturheilung aus.

Liegen eine oder mehrere dieser Voraussetzungen vor, kann es zu einem pathologischen Verlauf kommen. Ein Ausbleiben der knöchernen Kallusbildung innerhalb der regulären Zeitspanne wird als verzögerte Bruchheilung bezeichnet. Dauert diese länger als sechs Monate, kann eine Pseudarthrose auftreten. Hierbei handelt es sich um ein zusätzliches, pathologisches Gelenk im Knochen. Der Grund dafür ist meist eine unzureichende Ruhigstellung. Jedoch kann nicht nur eine ausbleibende, sondern auch eine überschießende Kallusbildung zum Auftreten einer Pseudarthrose führen. Dies erfolgt durch eine übermäßige Verdichtung der Bruchstellen, deren Ursache ebenfalls in mangelnder Ruhigstellung liegt.

Befindet sich die Fraktur in einem Gelenk oder in dessen Nähe, kann es im Laufe der Heilung zu einer Bewegungseinschränkung und in weiterer Folge zu einer Kontraktur des betroffenen Gelenks kommen. In sehr seltenen Fällen werden durch die Kallusbildung knochennahe Nerven und Gefäße durch Kompression geschädigt.

Quellen

  • Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
  • Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2008
  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007

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