Isolierte Lissenzephalie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als isolierte Lissenzephalie wird eine angeborene Fehlentwicklung des Gehirns bezeichnet, die durch einen genetischen Defekt bedingt ist. Dieser führt bei den betroffenen Kindern zu sehr schweren körperlichen und geistigen Behinderungen. Die isolierte Lissenzephalie kommt nur sehr selten vor.

Inhaltsverzeichnis

Was ist isolierte Lissenzephalie?

Die isolierte Lissenzephalie ist eine unheilbare, genetisch bedingte Erkrankung, weshalb derzeit keine wirksame Therapie möglich ist.
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Die isolierte Lissenzephalie ist eine angeborene Entwicklungsstörung des menschlichen Gehirns und zählt zu den fünf Formen der Lissenzephalie. Die erkrankten Kinder leiden an schweren körperlichen und geistigen Behinderungen, die bereits im Neugeborenenalter erkennbar sind.

Unter einer Lissenzephalie verstehen Ärzte generell eine Migrationsstörung des Gehirns, die dazu führt, dass die Entwicklung des menschlichen Gehirns zwischen der achten und sechzehnten Schwangerschaftswoche gestört ist. Im Detail führt diese Fehlentwicklung bei der isolierten Lissenzephalie dazu, dass die Schaltung und Vernetzung der Nervenzellen im Gehirn nicht korrekt funktioniert.

Zudem ist die Großhirnrinde bei der isolierten Lissenzephalie glatt und nicht wie üblich mit Furchen versehen. Die isolierte Lissenezephalie unterscheidet sich von den anderen Formen dadurch, dass sie in den meisten Fällen durch ein verändertes Gen hervorgerufen wird. Zusätzlich zur Fehlbildung des Gehirns sind meist auch verschiedene innere Organe bei der isolierten Lissenzephalie nicht richtig ausgebildet.

Ursachen

Die isolierte Lissenzephalie ist in den meisten Fällen auf eine Genmutation, also eine Veränderung des menschlichen Erbguts, zurückzuführen. Betroffen ist das Chromosom 17, weshalb Mediziner auch von der isolierten Lissenzephalie Sequenz 17 sprechen.

Wie genau der Gendefekt, der zur isolierten Lissenzephalie führt, vererbt wird, ist nicht geklärt. Es scheint, dass die isolierte Lissenzephalie sowohl von den Eltern vererbt sein kann, als auch durch eine unvorhersehbare Veränderung des Erbgutes entstehen kann. Es sind jedoch auch Fälle der Erkrankung bekannt, in der keine genetischen Veränderungen zur isolierten Lissenzephalie geführt haben.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Kinder, die an isolierter Lissenzephalie leiden, haben eine schwere Entwicklungsstörung. Sie verlassen nie den Entwicklungsstand eines Kleinkindes und können selbst im Erwachsenenalter weder laufen noch sprechen oder auf andere Weise mit ihrer Umwelt kommunizieren. Die Betroffenen müssen lebenslang gepflegt werden.

Eine isolierte Lissenzephalie kann verschiedene Symptome und Beschwerden hervorrufen. Die Erkrankung äußert sich zunächst durch Schluckstörungen und einer Neigung zu Lungenentzündungen. Infolge der typischen Probleme bei der Nahrungsaufnahme kommt es zu Erbrechen und Mangelerscheinungen. Meist resultiert daraus ein Gewichtsverlust.

Betroffene Kinder leiden zudem an wiederkehrenden Krampfanfällen und epileptischen Anfällen. Die unkontrollierten Spasmen gehen oft mit Einnässen oder selbstverletzendem Verhalten einher. So beißen sich die Erkrankten zum Beispiel auf die Zunge oder verkrampfen Arme und Beine. Bei älteren Kindern kann es zu einer Verkrampfung der Muskeln kommen.

Die Spastik wird von einer schlaffen Muskulatur begleitet, die weniger berührungsempfindlich ist als bei gesunden Kindern. Die Symptome der isolierten Lissenzephalie bestehen meist schon von Geburt an oder entwickeln sich in den ersten Lebensjahren. Eine symptomatische Behandlung ist nur sehr begrenzt möglich, weshalb die Beschwerden dauerhaft bestehen bleiben und infolge der körperlichen und geistigen Auszehrung zunehmen.

Diagnose & Verlauf

Meist besteht der Verdacht auf eine isolierte Lissenzephalie bereits im Mutterleib. Um vor der Geburt zu klären, ob das Baby an der Erkrankung leiden wird, empfehlen Mediziner bei Auffälligkeiten im Ultraschall meist eine Fruchtwasseruntersuchung.

Bei dieser werden entnommene Zellen auf die genetische Veränderung getestet. In einigen Fällen wird die isolierte Lissenzephalie jeodch erst nach der Geburt festgestellt. Anzeichen für diese Erkrankung können beispielsweise eine verzögerte Entwicklung, Schluckstörungen, unübliche Bewegungsmuster oder Krampfanfälle sein.

Eine Blutuntersuchung gibt über das Vorliegen einer isolierten Lissenzephalie Aufschluss. Mit Hilfe bildgebender Verfahren wie beispielsweise einer Magnetresonanztomographie ([[MRT]6) oder einer Computertomographie (CT) wird zudem das Gehirn des Kindes untersucht, um die Diagnose mit Hilfe von Bildern des Gehirns zu überprüfen. Kinder, die an einer isolierten Lissenzephalie leiden, haben eine verkürzte Lebenserwartung.

Komplikationen

Bei dieser Erkrankung kommt es zu relativ starken physischen und psychischen Beschwerden beim Patienten. In den meisten Fällen treten die Beschwerden dabei schon direkt nach der Geburt ein und können damit die Lebensqualität des Betroffenen deutlich verringern. Ebenso leiden nicht selten auch die Eltern der Patienten an starken psychischen Beschwerden oder an Depressionen.

Die Kinder leiden an Störungen der Entwicklung. Dabei kann es auch zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen. Auch eine Spastik und Krämpfe können auftreten. Ebenso kommt es in vielen Fällen zu geistigen Einschränkungen und damit zu einer Retardierung. Der Patient kann gegebenenfalls den Alltag nicht alleine meistern und ist dabei auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.

Nicht selten kommt es zu Entzündungen in der Lunge und weiterhin auch zu Schluckbeschwerden. Die Lebenserwartung wird durch diese Krankheit erheblich verringert und eingeschränkt. Eine kausale Behandlung dieser Krankheit ist nicht möglich. Die Beschwerden können zum Teil eingeschränkt werden, wobei allerdings keine vollständige Heilung möglich ist. In der Regel ist der Patient sein Leben lang auf Therapien und die Einnahme von Medikamenten angewiesen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Kinder, die körperliche sowie geistige Auffälligkeiten zeigen, sind ärztlich untersuchen zu lassen. Kommt es im direkten Vergleich zu Gleichaltrigen zu deutlichen Verzögerungen der Entwicklung, besteht Anlass zur Besorgnis. Wird das Laufen nicht erlernt, bestehen schwerwiegende Probleme beim Sprechen oder gibt es Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, muss ein Arzt konsultiert werden. Treten Schluckbeschwerden auf, wird die Lebensmittelzufuhr verweigert und verliert das Kind an Gewicht, muss ärztliche Hilfe erfolgen. Es droht eine Unterversorgung des Organismus, die in schweren Fällen mit dem vorzeitigen Ableben enden kann.

Bei Krämpfen, einer Spastik oder epileptischen Anfällen ist schnellstmöglich ein Arztbesuch erforderlich. Kommt es zu Störungen des Bewusstseins oder Aussetzern der Atemtätigkeit, wird ein Rettungsdienst benötigt. Erste Hilfe Maßnahmen sollten eingeleitet werden, damit das Überleben des Betroffenen gewährleistet wird. Treten im Alltag permanente Verständigungsprobleme auf, reagiert das Kind nicht in einer normalen Form wie Gleichaltrige auf direktes Ansprechen oder zeigt es kein Interesse an spielerischen Aktivitäten, sollte eine Kontrolluntersuchung durchgeführt werden.

Da die Diagnose der isolierten Lissenzephalie bereits im Mutterleib erfolgen kann, ist es der werdenden Mutter anzuraten, an allen angebotenen Untersuchungen während der Schwangerschaft teilzunehmen. Eine Analyse des Fruchtwassers ermöglicht bereits eine Diagnosestellung und sollte daher grundsätzlich in Anspruch genommen werden.

Behandlung & Therapie

Die isolierte Lissenzephalie ist eine unheilbare, genetisch bedingte Erkrankung, weshalb derzeit keine wirksame Therapie möglich ist. Die betroffenen Kinder sind meist schwerst körperlich und geistig behindert, so dass ihre behandelnden Ärzte in erster Linie darum bemüht sind, Symptome und Folgeerkrankungen zu behandeln und Beschwerden so gut wie möglich zu lindern.

Kinder, die an der isolierten Lissenzephalie leiden, sind meist schwer entwicklungsverzögert und bleiben auf dem geistigen Stand eines Kleinkindes. Sie sind auf die ständige Hilfe und Unterstützung ihrer Familienangehörigen oder von Pflegepersonal angewiesen. Da Kinder mit isolierter Lissenzephalie ein erhöhtes Risiko haben, an Lungenentzündungen zu erkranken, muss der behandelnde Arzt ein besonderes Augenmerk auf deren Behandlung legen.

Viele Kinder zeigen zudem Spastiken oder Muskelschwäche, die mit Hilfe von Krankengymnastik oder Massagen gelindert werden können. Eine Unterstützung der Eltern durch Fachpersonal in der Pflege sowie eine angemessen psycho-soziale Begleitung ist bei der Erkrankung des Kindes an isolierter Lissenzephalie unbedingt empfehlenswert.

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Aussicht & Prognose

Die Prognose der isolierten Lissenzephalie gilt als ungünstig. Die Erkrankung basiert auf einem Gendefekt des Menschen. Aus rechtlichen Gründen ist es Forschern und Wissenschaftlern nicht erlaubt, die Genetik des Patienten zu verändern. Da die Erkrankung auf schweren körperlichen sowie geistigen Behinderungen basiert, ist eine Heilung bei dem derzeitigen Stand nicht gegeben. Es liegen Störungen des Gehirns vor, die zu verschiedenen Beeinträchtigungen führen und eine starke Belastung für den Betroffenen sowie den Menschen aus dem nahen Umfeld darstellen.

Ein Leben ohne die tägliche Hilfe von Pflegepersonal und Angehörigen ist bei dieser Erkrankung nicht möglich. Obgleich verschiedene Therapiemethoden bereits unmittelbar nach der Geburt angewendet werden, ist das Ziel einer Behandlung nicht die Genesung des Patienten. Im Mittelpunkt steht die Verbesserung der vorhandenen Lebensqualität.

In vielen Fällen treten Folgeerscheinungen oder weitere Erkrankungen auf. Einige von ihnen stellen eine potentielle Gefährdung des Lebens dar, sodass Patienten mit der isolierten Lissenzephalie häufig eine verringerte Lebenserwartung haben. Zudem sind die Betroffenen lebenslang auf die Gabe von Medikamenten angewiesen. Diese sollen die Wahrscheinlichkeit von auftretenden Entzündungen lindern sowie Muskelkrämpfen vorbeugen. Die Krankheit ist verbunden mit einer starken Entwicklungsverzögerung des Kindes. Unterschiedliche Therapiemöglichkeiten sollen Verbesserungen bewirken. Dennoch ist es aktuell nicht möglich, über den geistigen Stand eines Kleinkindes hinauszukommen.

Vorbeugung

Bislang gibt es keine Möglichkeiten der isolierten Lissenzephalie vorzubeugen. Sollten jedoch in der näheren Verwandtschaft Fälle von isolierter Lissenzephalie bekannt sein, so ist es empfehlenswert bei vorhandenem Kinderwunsch eine genetische Beratung und gegebenenfalls Untersuchung durchführen zu lassen. So kann das Risiko, dass das eigene Kind an erkrankt, minimiert werden.

Nachsorge

Die isolierte Lissenzephalie lässt sich nicht heilen, darum geht es bei der Nachsorge eher um Maßnahmen, die das Leben der Patienten erleichtern. Die betroffenen Kinder leiden unter einer körperlichen und geistigen Behinderung. Für die Eltern bedeutet das eine große Umstellung. Um die Beschwerden zu lindern, erhalten sie vom verantwortlichen Arzt nützliche Informationen.

Die Patienten benötigen ihr ganzes Leben lang ärztliche Betreuung, wobei die praktische Unterstützung von den Erziehungsberechtigten kommt. Im alltäglichen Umgang sind somit die Eltern für die Pflege verantwortlich. Die Patienten gehen nicht in eine klassische Schule, doch es gibt spezielle Einrichtungen. Abhängig vom Schweregrad der Erkrankung bleiben die Patienten dauerhaft bei den Eltern oder sie kommen in eine Betreuungseinrichtung.

Die Lebensqualität kann unter schwierigen Bedingungen leiden. In den ständigen Kontrolluntersuchungen stellen die Fachärzte fest, ob bestimmte Folgeerkrankungen zu behandeln sind. Gegen die typischen Muskelschwächen und Spastiken helfen krankengymnastische Übungen, welche die Muskulatur kräftigen. Für die Eltern bedeutet die Betreuung einen hohen Aufwand. Oft benötigen sie psychologische Betreuung, um die Situation zu bewältigen. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe ist in diesem Zusammenhang hilfreich und gibt den Betroffenen mehr Energie für ihre schwierige Aufgabe.

Das können Sie selbst tun

Die von der Isolierten Lissenzephalie betroffenen Patienten sind aufgrund ihrer starken körperlichen sowie geistigen Retardierung üblicherweise nicht in der Lage, Selbsthilfemaßnahmen zu ergreifen. Derartige Maßnahmen zur Linderung von Krankheitsbeschwerden liegen daher in der Hand der Eltern oder Sorgeberechtigten. Die Isolierte Lissenzephalie bedarf während der gesamten Lebenszeit der Erkrankten einer intensiven ärztlichen Betreuung. So sind es vielmehr die Eltern des erkrankten Kindes, die Unterstützung im Alltag bei der Pflege und Betreuung der Patienten benötigen.

Betroffene sind nicht in der Lage, eine normale Schule zu besuchen. Stattdessen erhalten sie eine angepasste Betreuung in entsprechenden Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Je nach Schweregrad der Isolierten Lissenzephalie lebt der Patient zu Hause bei seinen Eltern oder wohnt in einer Betreuungseinrichtung.

Um die Lebensqualität der Patienten zu steigern, sind Kontrolluntersuchungen bei diversen Fachärzten besonders wichtig. So erhalten die Betroffenen geeignete Medikamente, um die Symptome und Folgeerkrankungen zu therapieren. Da viele Patienten an einer Schwäche der Muskulatur sowie Spastiken leiden, macht eine krankengymnastische Therapie zur Kräftigung Sinn. Damit die Eltern des erkrankten Kindes die aufwendige Betreuung bewältigen können, ist eine begleitende psychologische Therapie der Erziehungsberechtigten sehr wichtig.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Korinthenberg, R., Panteliadis, C.P., Hagel, C. (Hrsg.): Neuropädiatrie – Evidenzbasierte Therapie. Urban & Fischer, München 2014
  • Michaelis, R., Niemann, G.W.: Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie. Thieme, Stuttgart 2010

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