Hypogammaglobulinämie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einer Hypogammaglobulinämie handelt es sich um ein Krankheitsbild, das zur Gruppe der sogenannten primären Immundefekte zählt. Kennzeichnend für diesen speziellen Immundefekt ist, dass er durch einen Mangel an Antikörpern bestimmt wird. Grundsätzlich sind Hypogammaglobulinämien Krankheiten, bei denen Gammaglobuline, insbesondere Immunglobuline, vollständig fehlen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Hypogammaglobulinämie?

An den Augen treten vermehrt Bindehautentzündungen auf, während sich an der Nase eitriger Schnupfen zeigt.
© Birgit Reitz-Hofmann – stock.adobe.com

Der Begriff Hypogammaglobulinämie wird überwiegend als Synonym für die Bezeichnung Agammaglobulinämie verwendet. Ein Unterschied besteht lediglich darin, dass bei einer Hypogammaglobulinämie die Gammafraktion verringert ist, während sie bei einer Agammaglobulinämie überhaupt nicht existiert.

Beobachtungen haben gezeigt, dass ein großer Teil der Agammaglobulinämien im Grunde Hypoglobulinämien sind. Dieser Unterschied ist in den meisten Fällen jedoch nicht von klinischer Relevanz. Hingegen wird die Hypogammaglobulinämie von der Dysgammaglobulinämie differenziert, die weitaus häufiger vorkommt.

Sowohl Hypogammaglobulinämien als auch Dysgammaglobulinämien treten bei einer Vielzahl von Immundefekten auf, wie etwa beim WHIM-Syndrom, der ICOS-Defizienz, CVID und dem Hyper-IgM-Syndrom. Auch als begleitende Symptomatik ist eine Hypogammaglobulinämie möglich. Generell handelt es sich bei Antikörpermangelerkrankungen wie beispielsweise der Hypogammaglobulinämie um die am häufigsten vorkommenden Immundefekte.

Ursachen

Prinzipiell liegt sämtlichen Antikörpermangelerkrankungen, so auch der Hypogammaglobulinämie, eine reduzierte Produktion von Antikörpern zugrunde. Antikörper lauten mit medizinischer Bezeichnung Immunglobuline. Es handelt es sich um körpereigene Eiweißstoffe, die zur Abwehr spezieller Mikroorganismen zum Einsatz kommen.

Grundsätzlich werden in angeborene, sogenannte primäre Hypogammaglobulinämien und andererseits in erworbene beziehungsweise sekundäre Hypogammaglobulinämien unterschieden. Sekundäre Hypogammaglobulinämien können von bestimmten Krankheiten hervorgerufen werden, etwa von malignen beziehungsweise bösartigen Erkrankungen. Diese stehen oftmals in Zusammenhang mit dem System, das für die Blutbildung verantwortlich ist.

Aus physiologischen Gründen kommen Hypogammaglobulinämien bei Babys im Zeitraum vom zweiten bis zum sechsten Monat vor. In dieser Zeitspanne ersetzt der Organismus des Säuglings die Antikörper, die im Uterus von der Mutter aufgenommen wurden, gegen selbst produzierte. In diesem Zeitraum ist die Wahrscheinlichkeit für schwerwiegende bakterielle Infekte erhöht.

Eine besondere und zudem relativ häufige Ausprägung der Hypogammaglobulinämie ist der sogenannte selektive IgA-Mangel. Bei manchen Antikörpermangelerkrankungen, etwa der Agammaglobulinämie, sind auch genetische Ursachen an der Entstehung der Krankheit beteiligt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Im Rahmen einer Hypogammaglobulinämie kann es bei den betroffenen Patienten zu einer Vielzahl verschiedener Symptome und Beschwerden kommen. Eine gefürchtete Komplikation bei der Durchführung von Impfungen ist etwa eine mangelnde Reaktion auf die Impfantigene.

Darüber hinaus führt die Krankheit in vielen Fällen dazu, dass die Anfälligkeit für bakterielle Infektionen erhöht ist. Die entstehenden Infekte betreffen oftmals die oberen Atemwege, den Magen-Darm-Trakt sowie die Haut. Bei einer Reihe von Syndromen tritt die Hypogammaglobulinämie zudem als Hauptmerkmal auf.

Eine geistige Retardierung kommt mitunter in Verbindung mit einer X-chromosomalen Hypogammaglobulinämie und neurologischen Ausfällen vor. Auch bei einem Kleinwuchs, der infolge eines isolierten Mangels an Wachstumshormonen entsteht, tritt teilweise eine X-chromosomale Hypogammaglobulinämie auf. Zudem ist die Erkrankung Bestandteil des Osteopetrose–Hypogammaglobulinämie–Syndroms.

Grundsätzlich unterscheiden sich Antikörpermangelerkrankungen, zu denen die Hypogammaglobulinämie zählt, anhand der Schwere und Ausprägung der Symptome. Die Erkrankungen haben in der Regel gemeinsam, dass die Patienten unter wiederkehrenden Infekten leiden. Diese betreffen in erster Linie die Nasennebenhöhlen und Ohren, etwa in Form einer Mittelohrentzündung.

An den Augen treten vermehrt Bindehautentzündungen auf, während sich an der Nase eitriger Schnupfen zeigt. Die Bronchien sind oftmals von Bronchitis betroffen, an den Lungen kann es zur Lungenentzündung kommen. Wiederkehrende Infektionen an den Lungen können zu chronischen Veränderungen des Organs führen.

Die Bronchien erweitern sich, sodass sich Eiter leichter ansammeln kann. Durch gehäuft vorkommende Infektionen des Gastrointestinaltrakts werden Durchfälle begünstigt. Außerdem sind Autoimmunreaktionen möglich, bei denen das Immunsystem körpereigene Stoffe und Gewebe angreift.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Um eine Hypogammaglobulinämie zu diagnostizieren, ist es für die betroffene Person unerlässlich, einen geeigneten Facharzt zu konsultieren. Dieser erörtert zunächst gemeinsam mit dem Patienten dessen Krankengeschichte, mögliche Vorerkrankungen und den individuellen Lebensstil. Eine zentrale Bedeutung kommt den beschriebenen Symptomen zu, da sie Hinweise auf die Ausprägung der Hypogammaglobulinämie geben.

Um einen Antikörpermangel sicher zu diagnostizieren, sind Blutuntersuchungen nötig. Antikörper sind im Blut nachweisbar und können mengenmäßig genau bestimmt werden. Zudem kann der Mangel einer einzelnen Untergruppe von Antikörpern exakt festgestellt werden. Durchzuführen ist auch eine Analyse sogenannter spezifischer Antikörper, die sich gegen spezielle Erreger und Bestandteile von Blutgruppen richten.

Komplikationen

Durch die Hypogammaglobulinämie ist der Betroffene in der Regel relativ häufig krank und häufig von Infekten und Entzündungen betroffen. Dabei kommt es vor allem zu Infekten der Atemwege, sodass es zu Atembeschwerden oder zu einer Lungenentzündung kommt. Diese kann im schlimmsten Falle für den Patienten tödlich verlaufen.

Weiterhin kann es auch zu Beschwerden des Magens kommen. In vielen Fällen leiden die Patienten an einer verringerten Intelligenz und an einer Retardierung, sodass sie im Alltag auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind. Nicht selten führt die Hypogammaglobulinämie auch zu Minderwuchs. Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es auch zu Entzündungen in den Nasenhöhlen oder im Mittelohr.

Die ständigen Infekte und Entzündungen können sich auch negativ auf den psychischen Zustand des Patienten auswirken und führen zu einer verringerten Lebensqualität. Durch die Magenbeschwerden kommt es oft zu Durchfall oder zu Schmerzen in der Bauchgegend. In der Regel ist es nicht möglich, die Hypogammaglobulinämie dauerhaft zu heilen.

Die Behandlung erfolgt daher mit Hilfe von Infusionen und Medikamenten und kann die Beschwerden für einen kurzen Zeitraum einschränken. Allerdings muss sich der Betroffene der Behandlung mehrmals unterziehen. Die Lebenserwartung ist durch die Hypogammaglobulinämie in der Regel verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es bei der Hypogammaglobulinämie nicht zu einer Selbstheilung und in den meisten Fällen auch zu einem negativen Krankheitsverlauf kommt, muss der Betroffenen unbedingt einen Arzt aufsuchen. Dadurch können weitere Komplikationen und Beschwerden vermieden werden. Ein Arztbesuch ist dann notwendig, wenn der Patient häufig an Infekten und Entzündungen leidet.

Vor allem die Atemwege sind von diesen Infekten betroffen, sodass es zu starken Atembeschwerden kommen kann. Ebenfalls weist häufig eine geistige Retardierung auf die Hypogammaglobulinämie hin und sollte von einem Arzt untersucht werden. Beschwerden an den Augen oder häufige Entzündungen der Bindehaut können auch einen Hinweis auf die Erkrankung geben. Je früher die Beschwerden untersucht werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Heilung.

In den meisten Fällen kann die Hypogammaglobulinämie von einem Allgemeinarzt oder von einem Kinderarzt diagnostiziert werden. Bei der weiteren Behandlung ist jedoch der Einsatz verschiedener Fachärzte notwendig, um die Beschwerden der Hypogammaglobulinämie zu lindern. Bei einer frühzeitigen Diagnose kommt es in der Regel nicht zu einer verringerten Lebenserwartung.

Behandlung & Therapie

Bisher sind keine Möglichkeiten bekannt, um einen Antikörpermangel im Allgemeinen und eine Hypogammaglobulinämie im Speziellen langfristig zu heilen. Jedoch können betroffene Patienten einen Ersatz für das Immunglobulin G erhalten. Dabei handelt es sich um den Hauptbestandteil von Antikörpern. Zu diesem Zweck werden spezielle Antikörper aus dem Blut von Plasmaspendern gefiltert.

Nachdem die Antikörper einer intensiven Reinigung unterzogen wurden, werden sie den Personen entweder intravenös oder subkutan durch regelmäßig stattfindende Injektion verabreicht. Durch diese Zuführung von Antikörpern können wiederkehrenden Infektionen in den meisten Fällen gut eingedämmt werden.


Vorbeugung

Konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung einer Hypogammaglobulinämie sind bisher nicht bekannt. Zudem besitzt die Erkrankung auch eine genetische Komponente, auf die keinerlei Einfluss genommen werden kann. Umso wichtiger ist es, bei Anzeichen oder Symptomen der Erkrankung umgehend einen Arzt zu konsultieren.

Nachsorge

Bei einer Hypogammaglobulinämie stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen keine besonderen Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollten Betroffene schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen der Erkrankung einen Mediziner kontaktieren, damit eine frühzeitige Behandlung eingeleitet werden kann. Eine vollständige Heilung ist dabei nicht möglich.

Sollte ein Kinderwunsch bestehen, kann bei der Hypogammaglobulinämie auch eine genetische Untersuchung und Beratung erfolgen. Dadurch kann eventuell verhindert werden, dass die Krankheit bei den Nachfahren erneut auftritt. Die Betroffenen sind in der Regel auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen. Dabei ist immer auf die Anweisungen des Arztes zu achten, wobei die richtige Dosierung und eine regelmäßige Einnahme beachtet werden sollte.

Bei Unklarheiten oder bei Fragen sollte immer zuerst der Arzt konsultiert werden. Da eine vollständige Heilung der Hypogammaglobulinämie nicht möglich ist, sind die Betroffenen auf eine lebenslange Einnahme der Medikamente angewiesen. Weitere Maßnahmen einer Nachsorge sind in der Regel nicht notwendig. Die Krankheit verringert auch nicht die Lebenserwartung des Betroffenen. Allerdings ist durch die Krankheit das Risiko von Infektionserkrankungen relativ hoch, sodass sich der Betroffene vor diesen besonders schützen sollte.

Das können Sie selbst tun

Da der Mangel an Immunglobuline den Zustand der Hypogammaglobulinämie ausmacht, geht es in der Selbsthilfe in erster Linie um die Stärkung und Unterstützung der eigenen Immunabwehr.

Die Gefahr einer leichten Ansteckung mit Infektionskrankheiten, ist für viele Patienten schwer zu handhaben. Aber es gibt einige Vorkehrungen auf die man achten kann, die Herausforderung besteht darin, Bakterien so gut wie möglich zu meiden. Hierzu eignen sich Handreiniger, die in jedem Drogeriemarkt erhältlich sind. Ein großer Teil des Immunsystems befindet sich im Darm, oder hängt von der Darmgesundheit ab. Den Darm fit halten, helfen Probiotika und eine gesunde Ernährung. Obst und Gemüse, besonders Salate sind besonders gründlich zu waschen. Überall wo Bakterien sich bilden können, ist das Säubern und Waschen sehr wichtig für Hypogammaglobulinämie-Patienten.

Für viele Menschen, die an Hypogammaglobulinämie leiden, ist die Teilnahme an Selbsthilfegruppen hilfreich. Gerade in der Zeit nach der Diagnose ist die emotionale Unterstützung, die in Gruppen geboten wird eine große Stütze. Im Erfahrungsaustausch werden die individuellen Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität und zur Bekämpfung der Hypogammaglobulinämie ausgetauscht. Aber auch auf Online-Foren finden Patienten und Angehörige zum Erfahrungsaustausch zusammen und haben die Möglichkeit die individuelle Symptomatik mit Unterstützung anderer zu lindern.

Quellen

  • Murphy, K., Travers, P., Walport, M.: Janeway – Immunologie. Spektrum, Heidelberg, 2010
  • Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012
  • Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011

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