Hyperabduktionssyndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Hyperabduktionssyndrom verklemmt sich ein Gefäß-Nervenstrang des Arms unter dem knöchernen Fortsatz des Schulterblatts und ruft damit Störungen der Sensibilität und der Durchblutung hervor. Die meisten Patienten des Syndroms klagen ausschließlich über Symptome, wenn sie die Arme kopfwärts zur maximalen Abduktion bringen. Eine Therapie ist in der Regel nicht erforderlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Hyperabduktionssyndrom?

Patienten des Hyperabduktionssyndroms leiden aus einem Komplex aus Symptomen der Durchblutungs- und Nervenstörung.
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Unter der Abduktion versteht die Anatomie ein Fortführen des Arms oder Beins von der Körpermitte fort. Das Hyperabduktionssyndrom ist eine seltene Erscheinung, die bei der Abduktion des Arms und einer gleichzeitig dorsalen Bewegung der Extremität auftritt. Das Syndrom ist durch eine Kompression des Gefäß-Nerven-Strangs am Arm gekennzeichnet und geht mit Symptomen wie Sensibilitätsstörungen gekennzeichnet.

Die Kompression des Gefäß-Nervenstrangs entspricht beim Hyperabduktionssyndrom einer Verklemmung unter den Processus coracoideus. Dabei handelt es sich um einen knöchernen Fortsatz des Schulterblatts. Das Syndrom wird daher auch als neurovaskuläres Abduktionssyndrom bezeichnet. Viele neurovaskulären Syndrome werden unter dem Begriff des Thoracic-outlet-Syndroms zusammengefasst.

Neben dem Hyperabduktionssyndrom fallen in diese Krankheitsgruppe zum Beispiel das Pectoralis-minor-Syndrom, das Paget-von-Schroetter-Syndrom und das Kostoklavikularsyndrom. Das klinische Bild eines neurovaskulären Syndroms kann im Einzelfall große Ähnlichkeit zu anderen Syndromen aus dieser Gruppe aufweisen.

Ursachen

Die Ursache des Hyperabduktionssyndroms liegt in einer Bewegung des Arms. So handelt es sich bei der ursächlichen Bewegung um eine außergewöhnlich starke Abduktion bei gleichzeitiger Dorsalbewegung der oberen Extremität, die den Nerv-Gefäß-Strang im Schulterbereich unter den knöchernen Fortsatz der Schulter schiebt.

Da Venen verklemmt sind, wird der Arm nach der Kompression des Gefäß-Nervenstrangs nicht mehr ausreichend durchblutet und kann dadurch beispielsweise kalt werden oder einschlafen. Weil bei einer Kompression des Gefäß-Nervenstrangs gleichzeitig Nerven mit verklemmt sind, können sich bei dem Syndrom darüber hinaus neurologische Symptome einstellen. Verbreitete Symptome der Neurologie sind in diesem Zusammenhang Missempfindungen der Finger oder Hände.

Ein Taubheitsgefühl oder Schweregefühl des Arms kann sich infolge der Kompression ebenso gut einstellen wie etwaige Koordinationsstörungen der betroffenen Extremität. Auch Störungen der Tiefensensibilität sind auf die Verklemmung des Gefäß-Nervenstrangs zurückzuführen. Oft ist das Syndrom mit einer vorher bestehenden Enge unter dem Processus coracoideus assoziiert.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten des Hyperabduktionssyndroms leiden aus einem Komplex aus Symptomen der Durchblutungs- und Nervenstörung. Nach der maximalen Abspeizbewegung oder einer maximalen Hebebewegung des Arms tritt eine Minderdurchblutung der Extremität ein, die sich vor allem in Kälte oder einem Einschlafen des Arms äußert.

Die Nervenstörungen manifestieren sich als Sensibilitätsstörungen der Finger, so zum Beispiel in Form einer Taubheit oder zumindest verminderten Sensibilität. In einigen Fällen beschreiben die Patienten die auftretenden Symptome auch ähnlich eines Raynaud-Syndroms. In diesem Zusammenhang sprechen sie zum Beispiel von ausstrahlenden Schmerzen oder plötzlich auftretender Blässe des betroffenen Arms.

Symptomatisch können außerdem Klopf- oder Kribbelgefühle sein. Die Haut kann sich unter Umständen röten. Ausstrahlende Schmerzen treten vor allem an denjenigen auf, die an einer bestehenden Enge unterhalb des Schulterblattfortsatzes leiden. Typischerweise treten die Symptome vor allem im Schlaf auf und wecken den Patienten auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Arzt stellt die Diagnose auf ein Hyperabduktionssyndrom in der Regel anhand der Anamnese und sichert sie weiter durch eine körperliche Untersuchung ab. In der Regel wird er einen Provokationstest oder Adson-Test durchführen. Er kann den Patienten zum Beispiel bitten, die Arme kopfwärts maximal abzuspreizen oder maximal zu heben.

Wenn ein Hyperabduktionssyndrom vorliegt, wird sich daraufhin der Nerven-Gefäßstrang unter dem knöchernen Fortsatz des Schulterblatts verklemmen. Nach rund zwei Minuten sollte der Radialispuls eigentlich noch gut fühlbar sein. Wenn allerdings eine Verengung unter dem Schulterfortsatz oder unterhalb des Musculus pectoralis minor vorliegt, treten nach zwei Minuten bereits ausstrahlende Schmerzen ein und der Arzt kann den Radialispuls kaum noch ertasten.

Komplikationen

Durch das Hyperabduktionssyndrom kommt es vorwiegend zu Störungen der Sensibilität und der Durchblutung am Arm des Patienten. In den meisten Fällen ist allerdings nur eine Seite des Körpers betroffen. Der Arm fühlt sich dabei eingeschlafen an und kann kribbeln oder etwas schmerzen. In der Regel handelt es sich beim Hyperabduktionssyndrom nicht um ein gefährliches Syndrom, das unbedingt behandelt werden muss. Die Beschwerden verschwinden meistens wieder von alleine.

Es kann sich dabei eine Taubheit ausbilden, aus welcher plötzlich starke Schmerzen entstehen können. Dabei kommt es für den Patienten gegebenenfalls zu Einschränkungen im Alltag und in der Bewegung. Nicht selten ist der Arm gerötet oder juckt. Komplikationen treten dabei nicht auf. Die Beschwerden kommen in den meisten Fällen im Schlaf auf, sodass es zu Schlafstörungen beim Patienten kommen kann.

Die Lebenserwartung wird durch das Hyperabduktionssyndrom nicht eingeschränkt. Eine Behandlung des Hyperabduktionssyndroms findet in den meisten Fällen nicht statt. Erst wenn die Beschwerden den Alltag zu sehr einschränken, kann eine operative Behandlung durch den Arzt erfolgen. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch das Syndrom allerdings nicht eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Hyperabduktionssyndrom ist in jedem Falle eine Behandlung bei einem Arzt notwendig. Es kommt bei dieser Krankheit nicht zu einer Selbstheilung und in vielen Fällen zu einer Verschlimmerung der Beschwerden. Ein Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn der Betroffene häufig und ohne einen besonderen Grund an Gefühlsstörungen oder an Störungen der Durchblutung leidet. Dabei können Gliedmaßen einschlafen oder kribbeln. Ebenso kann eine ständige Taubheit in den Extremitäten auf das Hyperabduktionssyndrom hindeuten und sollte von einem Arzt untersucht werden.

Die betroffenen Körperregionen können auch schmerzen oder angeschwollen sein. Auch eine gerötete Haut deutet dabei auf die Erkrankung hin. Die meisten Beschwerden treten im Schlaf auf und können sich negativ auf die Schlafqualität auswirken oder den Betroffenen sogar aufwecken. In der Regel kann das Hyperabduktionssyndrom durch einen Allgemeinarzt diagnostiziert werden. Bei der Behandlung sind allerdings Eingriffe von verschiedenen Fachärzten notwendig, um die Beschwerden dauerhaft zu lösen. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch die Erkrankung meist nicht verringert.

Behandlung & Therapie

Das Hyperabduktionssyndrom erfordert nur in den seltensten Fällen eine weiterführende Therapie. Die auftretenden Störungen sind zwar unangenehm, aber nicht weiter gefährlich. Davon abgesehen lösen sie sich in der Regel in Luft auf, sobald der Betroffene den Arm anders positioniert. Wenn der Patient unter dem Syndrom leidet, kann ihm der Arzt eine konservative Therapiemethode empfehlen, bei der er seinen Arm vor dem Schlafengehen ans Bein der jeweiligen Seite befestigt.

In der so fixierten Position treten keine Beschwerden mehr auf, da der Arm kopfwärts nicht mehr zur maximalen Abduktion gebracht werden kann. Zur Fixation kann eine herkömmliche Schlinge benutzt werden. Falls eine starke Enge unter dem Musculus pectoralis minor und dem Schulterblatt besteht, kann zur kausalen Auflösung der Enge ein invasives Verfahren zum Einsatz kommen. Ein solcher Eingriff ist aber nur dann angezeigt, wenn die Verklemmung anhält und die Gefäße und Nerven in Gefahr laufen, bleibende Schäden zu beziehen.

Bei Patienten, deren Beruf regelmäßig eine kopfseitige Maximalabduktion der Arme erfordert, kann die operative Auflösung der bestehenden Enge zum Beispiel Sinn machen. Die Operation erfolgt in Form einer Deinsertion des Musculus pectoralis minor. In der Regel tritt das Hyperabduktionssyndrom an so behandelten Patienten nie wieder auf.


Aussicht & Prognose

Die Prognose des Hyperabduktionssyndroms ist sehr günstig. Im Normalfall besteht kein Handlungsbedarf, da es zu eine Spontanheilung kommt. Die Beschwerden bilden sich innerhalb kurzer Zeit selbständig vollständig zurück. Mit Folgeschäden oder Beeinträchtigungen ist langfristig nicht zu rechnen. Die auftretenden Unannehmlichkeiten sind vorübergehender Natur und lösen keine dauerhaften Schäden aus. Für das Eintreten der Beschwerdefreiheit sollte eine ausreichende Ruhe und Schonung stattfinden. Dadurch wird die Heilungszeit verkürzt. Zudem werden die Selbstheilungskräfte dadurch besser aktiviert.

Im Verlauf des Lebens kann es zu einem erneuten Hyperabduktionssyndrom kommen. In diesen Fällen ist die Prognose ebenfalls günstig. Die Wiederkehr der Beschwerden führt zu keinerlei Veränderungen des Heilungsprozesses. Belastet der Betroffene trotz der vorhandenen Symptome seinen Körper unvermindert, ist mit einer Verzögerung des Heilungsprozesses zu rechnen. Die notwendige Zeit zur Regeneration wird dadurch unterbrochen und löst die Verzögerungen aus. Damit es zu keinen Folgeschäden oder Entzündungen im Organismus kommt, sollte sich der Betroffene an die Vorgaben der Ruhe oder der Ruhigstellung des Armes halten. Andernfalls sind Komplikationen zu erwarten.

Werden aufgrund der vorhandenen Schmerzen Medikamente eingenommen, kann es zu Risiken und Nebenwirkungen kommen. Die Arzneien haben einen negativen Einfluss auf bestimmte Organe und führen bei vielen Menschen zu einer Sucht.

Vorbeugung

Das Hyperabduktionssyndrom lässt sich vermeiden, indem die Arme vor allem beim Schlafen nicht kopfwärts zur maximalen Abduktion gebracht werden. Das lässt sich zum Beispiel durch eine Schlinge realisieren, die die Arme mit den Beinen verbindet und damit die Abduktionsbewegung über den Kopf verhindert.

Nachsorge

Beim Hyperabduktionssyndrom stehen dem Betroffenen keine besonderen Maßnahmen oder Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Der Patient ist in erster Linie auf eine schnelle und frühzeitige Diagnose angewiesen, damit es nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden oder zu weiteren Komplikationen kommt. Es kann nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, sodass im Vordergrund die frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser Krankheit steht.

In den meisten Fällen kann beim Hyperabduktionssyndrom eine Fixierung durchgeführt werden, um die Beschwerden zu lindern. Diese sollte so lange erhalten bleiben, bis die Beschwerden vollständig verschwunden sind. Allerdings ist beim Hyperabduktionssyndrom nicht immer eine Behandlung notwendig. Es kann jedoch auch ein operativer Eingriff notwendig sein, um die Symptome zu lindern.

Nach einem solchen Eingriff sollte sich der Betroffene auf jeden Fall ausruhen und seinen Körper schonen. Stressige oder körperliche Aktivitäten sind zu vermeiden, um die Heilung zu beschleunigen. Dabei kann auch die Hilfe und die Unterstützung der eigenen Familie und von Freunden sinnvoll sein. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen dieser Erkrankung lohnt sich häufig, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommt.

Das können Sie selbst tun

In vielen Fällen kann das Hyperabduktionssyndrom direkt verhindert werden, indem der Betroffene beim Schlafen die Arme nicht über dem Kopf positioniert. In schwerwiegenden Fällen kann dafür auch eine Schlinge eingesetzt werden, die die Beine mit den Armen verbindet, um die Bewegung zu verhindern.

In vielen Fällen ist allerdings keine Behandlung des Syndroms notwendig. Dies gilt auch dann, wenn der Patient an Einschränkungen in seinem Alltag leidet. Diese können zwar unangenehm sein, bedürfen aber nicht immer einer Behandlung. Sollte der Betroffene auf die Abduktionsbewegung in seinem Alltag oder durch seinen Beruf angewiesen sein, so ist eventuell ein operativer Eingriff notwendig. Möglichkeiten zur Selbsthilfe stehen dem Patienten dabei nicht zur Verfügung. In der Regel sollten alle Tätigkeiten oder Bewegungen unterlassen werden, die zu Symptomen des Hyperabduktionssyndroms führen. Sollte der Patient durch das Syndrom an einer verringerten Sensibilität leiden, so kann diese eventuell durch Massagen oder durch Wärmeanwendungen gelindert werden.

In vielen Fällen gehen die Beschwerden auch wieder von alleine zurück, sobald die Arme in eine gewöhnliche Position gebracht werden. Bei einem regelmäßigen Auftreten der Symptome ist das Aussuchen eines Arztes sehr ratsam.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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