Hämophilie (Bluterkrankheit)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Hämophilie, die im Volksmund auch als Bluterkrankheit bekannt ist, ist eine Erbkrankheit, die sich auf die Funktion der Blutgerinnung auswirkt. Neben vorbeugenden Maßnahmen sind in schweren Fällen Dauertherapien möglich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Hämophilie (Bluterkrankheit)?

Eine Hämophilie im Kindesalter kann man häufig an der erhöhten Neigung zu blauen Flecken erkennen. Schon bei kleinen Verletzungen kann es zu starken Einblutungen im Gewebe und in den Gelenken kommen, die starke Schmerzen verursachen und bei nicht ausreichender Behandlung die betroffenen Gelenke verformen können.
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Bei der Hämophilie bzw. Bluterkrankheit handelt es sich um eine Erkrankung, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Das bedeutet, dass Blut, das bei Verletzungen aus der Wunde eines Erkrankten austritt, entweder nur sehr langsam oder gar nicht gerinnt.

Es gibt zwei Varianten der Bluterkrankheit; die Hämophilie A und die Hämophilie B. Dabei ist die Hämophilie B die seltenere der beiden Erkrankungen; ca. 85% der Betroffenen sind an Hämophilie A erkrankt. Obwohl sich die Hämophilie A und die Hämophilie B kaum in ihren Symptomen unterscheiden, sind bei den beiden Formen der Bluterkrankheit die betroffenen Gerinnungsfaktoren verschieden.

Bei Hämophilie A ist der Gerinnungsfaktor VIII, bei Hämophilie B der Faktor XI betroffen. In Deutschland ist circa jeder 10.000ste von Hämophilie betroffen. Die Hämophilie ist damit eine der häufigsten Erbkrankheiten.

Ursachen

Die Bluterkrankheit wird durch das Geschlechtschromosom X übertragen. Da Frauen zwei X-Chromosomen haben, können sie die Bluterkrankheit übertragen, ohne selbst daran erkrankt zu sein, wenn sie über ein zweites gesundes X-Chromosom verfügen; denn die Bluterkrankheit wird rezessiv vererbt.

Das bedeutet, dass eine Erkrankung nur auftritt, wenn kein zweites X-Chromosom vorliegt, das intakt ist.

Da Männer neben einem Y-Chromosom nur ein einzelnes X-Chromosom haben, erkranken sie an der Bluterkrankheit, wenn ihnen ein nicht intaktes X-Chromosom übertragen wird.

Das ist auch ein Grund dafür, dass Frauen seltener von der Hämophilie betroffen sind als Männer.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Hauptsymptom der Bluterkrankheit (Hämophilie) ist generell eine erhöhte Blutungsneigung, die sich meistens schon im Kindesalter abzeichnet. Auch bei Operationen fallen Blutungen stärker aus als bei gesunden Menschen. Ein weiteres Anzeichen ist, dass Blutungen, wenn sich die Betroffenen verletzt haben, schwierig wieder zu stillen sind.

Eine Hämophilie im Kindesalter kann man häufig an der erhöhten Neigung zu blauen Flecken erkennen. Schon bei kleinen Verletzungen kann es zu starken Einblutungen im Gewebe und in den Gelenken kommen, die starke Schmerzen verursachen und bei nicht ausreichender Behandlung die betroffenen Gelenke verformen können. Schnitt- und Schürfwunden stellen dabei keine größeren Probleme dar, weil sich oberflächliche Wunden bei Blutern genauso schnell schließen wie bei Gesunden.

Ein besonderes Risiko besteht bei Blutungen im Bereich des Kopfes und der inneren Organe. Ein typisches Anzeichen für die Bluterkrankheit kann eine Blutung sein, die zunächst aufhört und nach mehreren Stunden oder Tagen wieder anfängt zu bluten. Eine leichte Hämophilie verursacht kaum Beschwerden, weil spontane Blutungen selten auftreten.

Bei einer mittelschweren Hämophilie können schon durch geringfügige Verletzungen starke Blutungen verursacht werden und bei einer schweren Hämophilie können ohne erkennbaren Grund Spontanblutungen auftreten, die in die Gelenke einbluten und die typischen Gelenkschmerzen (Hämarthrose)auslösen .

Diagnose & Verlauf

Symptome der Hämophilie sind häufige Blutungen bei den Betroffenen. Dabei ist die Blutungsneigung von Patient zu Patient verschieden; vor allem hängt dies damit zusammen, wie hoch der Mangel an Gerinnungsfaktoren beim Einzelnen ausgeprägt ist.

Zumeist kommt es bei Menschen, die an der Bluterkrankheit erkrankt sind, bereits vor ihrem ersten Lebensjahr zu ersten Blutungen. Erste Anzeichen für Hämophilie können dabei auch häufige und starke Blutergüsse sein. In der Regel sind Schürfwunden oder kleine Schnittwunden für an der Bluterkrankheit erkrankte Menschen nicht gefährlicher als für gesunde Menschen, denn das Verschließen solcher oberflächlicher Verletzungen ist bei Erkrankten intakt (gefährlich sind allerdings Verletzungen an Kopf oder Zungengrund). Die Hämophilie verläuft meist konstant. Das bedeutet, dass es im Lauf des Lebens meist weder zu einer Besserung noch einer Verschlechterung kommt.

Komplikationen

Durch die Hämophilie leiden die Betroffenen verstärkt an Blutungen. Diese treten schon bei sehr kleinen und einfachen Verletzungen auf und können damit die Lebensqualität des Patienten erheblich verringern. Ebenso kommt es nicht selten zu Blutergüssen und zu einer Störung der Blutgerinnung.

Durch diese Störung können Blutungen nur schwer gestoppt werden, was bei Unfällen oder großen Verletzungen zu lebensgefährlichen Notfällen führen kann. In der Regel ist der Betroffene durch die Hämophilie in seinem Alltag eingeschränkt und muss auf gewisse Risiken aufpassen und diese vermeiden. Meistens leidet der Patient an der Hämophilie schon seit seiner Geburt und es kommt auch nicht zu einer spontanen Heilung, Besserung oder Verschlechterung der Krankheit.

Falls es nicht zu besonderen Blutungen oder großen Verletzungen kommt, wird die Lebenserwartung durch diese Krankheit auch nicht verringert. In der Regel findet die Behandlung mit Hilfe von Medikamenten statt. Diese kann sich der Betroffene auch selbst injizieren, um gegebenenfalls Blutungen eigenhändig stoppen zu können. Da es keine kausale Behandlung der Hämophilie gibt, ist eine lebenslange Therapie erforderlich. Weiterhin kommt es zu keinen weiteren Komplikationen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn immer wieder Blutungen auftreten, die durch den Einsatz von Pflastern und anderer Hilfsmittel nicht zu stoppen sind, liegt womöglich eine Hämophilie zugrunde. Ein Arzt muss aufgesucht werden, wenn die Blutungen immer häufiger auftreten und mit Schmerzen oder Blutgerinnungsstörungen verbunden sind. Sollten begleitend dazu Blutergüsse bemerkt werden, ist in jedem Fall ärztlicher Rat gefragt. Dies gilt vor allem bei plötzlich auftretenden Blutungen und Ergüssen, die auf keine bestimmte Ursache zurückzuführen sind. Kommt es bereits bei leichten Schürfwunden oder kleinen Schnittwunden zu Blutungen, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Hämophilie.

Da es sich um eine genetische Erkrankung handelt, können keine vorbeugenden Maßnahmen ergriffen werden. Eltern, die selbst unter der Bluterkrankheit leiden, sollten ihr Kind frühzeitig untersuchen lassen. Kommt es infolge einer Blutung zu Kreislaufbeschwerden, Herzrasen und anderen Beschwerden, muss der Rettungsdienst gerufen werden. Bei einem Kreislaufzusammenbruch müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen werden, bis die medizinische Hilfe eintrifft. Kinder sollten bei wiederkehrenden Blutungen zum Kinderarzt gebracht werden.

Behandlung & Therapie

Derzeit ist Hämophilie nicht heilbar. Die Therapie der Hämophilie richtet sich unter anderem nach dem Schweregrad der Erkrankung. Ist eine Person von einer schweren Hämophilie betroffen, so kann eine Therapie darin bestehen, intravenös die benötigten Gerinnungsfaktoren zu verabreichen.

Entsprechende Gerinnungsfaktoren, die bei Hämophilie verabreicht werden, können entweder aus Spenderblut gewonnen oder gentechnisch hergestellt werden. Leiden Kinder an einer starken Hämophilie, werden ihnen in einigen Fällen in regelmäßigen Abständen Gerinnungsfaktoren verabreicht. Dies kann etwa zwei- bis dreimal wöchentlich geschehen.

Ist bei einem Patienten die Hämophilie weniger stark ausgeprägt, so kann eine Alternative zur Dauertherapie die sogenannte On-Demand-Behandlung bzw. Bedarfsbehandlung sein. Hierbei richtet sich die Gabe von Gerinnungsfaktoren nach der Bedarfslage. Eine solche Bedarfslage würde etwa bei einer akuten Blutung bestehen oder auch im Vorfeld einer notwendigen Operation.

Eine Gabe der Gerinnungsfaktoren erfolgt beispielsweise bei kleinen Kindern, die an der Bluterkrankheit erkrankt sind, in der Regel zunächst durch einen behandelnden Arzt. Betroffenen Eltern ist es möglich, das Injizieren selbst zu erlernen, um die Verabreichung dann selbstständig zu Hause durchführen zu können.


Vorbeugung

Ist eine Person von der Bluterkrankheit betroffen, kann sie vor allem durch ein risikoarmes Verhalten den Symptomen (Blutungen) vorbeugen. So können beispielsweise Freizeitaktivitäten mit hohem Verletzungsrisiko vermieden werden. Personen, die an Hämophilie erkrankt sind, tragen außerdem meist einen Notfallausweis bei sich, der Auskunft über den behandelnden Arzt gibt. Vorsicht ist für Erkrankte außerdem geboten bei der Einnahme verschiedener Medikamente, da diese zusätzlich die Gerinnung des Blutes hemmen können.

Nachsorge

Wer unter Hämophilie leidet, für den gehen Vorsorge, Behandlung und Nachsorge direkt ineinander über. Es ist in jedem Fall sinnvoll, vorsichtig bei den alltäglichen Aktivitäten zu sein, um Blutungen zu vermeiden. Eine Sportart mit erhöhtem Verletzungsrisiko ist deshalb wenig empfehlenswert. Weniger gefährliche Sportarten und Reisen sind jedoch grundsätzlich kein Problem.

Die Betroffenen sollten ihren Notfallausweis stets dabei haben. Dieser enthält in einer Notsituation alle wichtigen Informationen. Teilweise gelten für die Erkrankten bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beim Einnehmen bestimmter Medikamenten, die eventuell Einfluss auf die Blutgerinnung haben. Ob es sich um erwachsene oder jüngere Patienten handelt, zur Sicherheit sollten die Angehörigen, Freunde und Kollegen über die Bluterkrankheit informiert werden.

Falls es zu einer Verletzung kommen sollte, wissen die Anwesenden, worauf sie besonders achten müssen. Wo bei gesunden Menschen ein Pflaster ausreicht, benötigt der Bluter einen festen Druckverband. Die Betroffenen sollten ihren Hämophilie-Ausweis auf dem aktuellen Stand halten und immer mitnehmen.

Auch die Medikamente für eine bessere Gerinnung sollten stets griffbereit sein. Für die Eltern von erkrankten Kindern gibt es eine weitere Möglichkeit: Sie können in die richtige Vorgehensweise beim Injizieren der Gerinnungsfaktoren eingewiesen werden und die Verabreichung selbst durchführen.

Das können Sie selbst tun

Heutzutage können Betroffene trotz der Hämophilie ein weitgehend normales Leben führen, wenn einige Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden. Familienangehörige, aber auch Arbeitskollegen, Freunde und Lehrer sollten über die Erkrankung umfassend informiert sein und über die möglichen Folgen größerer Verletzungen Bescheid wissen. Wichtig ist auch, dass der Hämophilie-Ausweis immer auf dem neuesten Stand und griffbereit ist – vom Arzt verordnete Medikamente oder bei Bedarf einzusetzende Gerinnungsfaktoren sollten ebenfalls stets zur Hand sein.

Werden kleinere Blutungen schnell mit einem Druckverband versorgt, sind oft keine weiteren Maßnahmen nötig: Insbesondere bei Verletzungen am Kopf oder im Bauchraum sollte der Betroffene wegen der Gefahr innerer Blutungen aber gut beobachtet und gegebenenfalls ein Arzt aufgesucht werden. Operationen im Mundbereich können bei einer Hämophilie große Blutungen verursachen, auf eine sorgfältige Zahnpflege und regelmäßige Zahnarztbesuche sollten Bluterkranke daher größten Wert legen.

Die Einnahme jeglicher Medikamente darf nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder Hämophilie-Zentrum erfolgen, da manche Wirkstoffe die Blutungsneigung erhöhen. Auf sportliche Aktivitäten müssen auch Bluterkranke nicht verzichten: Ideal sind Sportarten mit einem geringen Verletzungsrisiko wie Laufen, Wandern, Radfahren oder Schwimmen, Mannschaftssportarten mit häufigem Körperkontakt sind weniger geeignet. Urlaubsreisen sind ebenfalls möglich, dabei sollten immer eine ausreichende Menge an Gerinnungsfaktor-Konzentraten sowie sterile Einmalspritzen und Kanülen mitgeführt werden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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