Gangzyklus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Begriff Gangzyklus wird in der Ganganalyse benutzt. Er ist ein Kriterium, das zur objektivierten Beschreibung des Gangbildes herangezogen wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Gangzyklus?

Der Begriff Gangzyklus wird in der Ganganalyse benutzt. Er ist ein Kriterium, das zur objektivierten Beschreibung des Gangbildes herangezogen wird.

Die Ganganalyse umfasst die Beobachtung, Untersuchung und Dokumentation des menschlichen Ganges. Sie kann entweder mit apparativen Messvorrichtungen, die objektivierbare Daten liefern, oder von erfahrenen Beobachtern mit Hilfe von spezifischen Beobachtungskriterien durchgeführt werden.

Der Gangzyklus ist ein solches Kriterium, das den Zeitraum beschreibt, den ein Bein in einer kompletten Stand- und Schwungbeinphase durchläuft. Er beginnt mit dem Aufsetzen der Ferse zu Beginn der Standbeinphase, durchläuft diese bis zum Abheben des Fußes, worauf die Schwungbeinphase folgt. Mit dem erneuten Aufsetzen der Ferse endet er. Der gleiche Bewegungsablauf des anderen Beines läuft um eine halbe Phase zeitversetzt ab.

Ein Schritt umfasst einen halben Gangzyklus und beginnt mit dem Abheben des Fußes zu Beginn der Schwungbeinphase und endet, wenn dieser am Ende mit der Ferse wieder Bodenkontakt bekommt. Auf das gesamte Gangbild bezogen werden während eines Gangzyklus 2 Schritte gemacht.

Um den sehr komplexen Bewegungsablauf besser und genauer analysieren und beschreiben zu können, wird dieser in weitere Unterphasen eingeteilt, die jeweils der Stand- oder Schwungbeinphase zugeordnet werden.

Funktion & Aufgabe

Der Gangzyklus dient als Beschreibungsinstrument in der Ganganalyse insbesondere als Hilfsmittel für die Beobachtung der zeitlichen und räumlichen Ausdehnung im Seitenvergleich. Bei einseitigen Erkrankungen wird in der Regel das betroffene Bein, das sogenannte Referenzbein, im Vergleich zur anderen Seite beurteilt.

Verschiedene Kriterien stehen zur Verfügung, um quantitative und qualitative Vorgänge zu analysieren. Der Gangrhythmus ist ein solches Merkmal, das den gesamten Gangzyklus betrifft. Er vergleicht die Zeiträume, in denen die Gangzyklen beider Beine oder die zugehörigen Unterphasen ablaufen. Bei einem physiologischen Gangbild sind die jeweiligen Bewegungsabläufe links und rechts gleich lang.

Die Schrittlänge misst die räumliche Entfernung zwischen der Fußspitze des einen Fußes bis zur Ferse des anderen beim Gehen. Bei diesem Kriterium können Normmaße zum Vergleich herangezogen werden, anhand derer die Einstufung als zu kurz oder zu lang erfolgt. Zusammen mit der Schrittfrequenz können Aussagen über die Gehgeschwindigkeit und die Mobilität des Beobachteten gemacht werden.

Ein qualitatives Kriterium für die korrekte Beschreibung des Gangzyklus ist die Beobachtung des koordinativen Ablaufs des Bewegungsvorgangs. Damit ist die zielgerichtete, in den physiologischen Bewegungsbahnen stattfindende Bewegung gemeint, ohne zeitliche und räumliche Abweichungen.

Die Dokumentation der Beobachtungs- und Beurteilungsergebnisse ist ein wichtiger Gesichtspunkt für den Nutzen einer Ganganalyse, egal ob diese mit computergestützten Programmen oder manuell anhand von Dokumentationsbögen erstellt wird. Die gewonnenen Erkenntnisse können für die Therapieplanung genutzt werden und zu einem späteren Zeitpunkt für den Vergleich der Ergebnisse nach einer erfolgten Therapiesequenz. Erfolg oder Nichterfolg der Behandlung entscheiden dann darüber, ob diese wie bisher oder modifiziert fortgesetzt oder beendet wird.

Während des Gangzykluses sind drei funktionelle Hauptaufgaben zu erfüllen. Zu Beginn muss, aus der Schwungbeinphase kommend, die Gewichtsübernahme erfolgen. Danach muss das Gewicht auf einem Bein gehalten werden, während gleichzeitig der Vorwärtsschub erfolgt. Schließlich muss in der Schwungbeinphase das freie Bein nach vorne bewegt werden. Voraussetzung dafür, dass diese Aufgaben korrekt und ohne Störungen ablaufen, ist neben dem intakten Muskel-Skelett-System, eine funktionierende Steuerung durch das neuronale Netzwerk.


Krankheiten & Beschwerden

Eine Störung des Gangrhythmus tritt meistens dann auf, wenn der zeitliche Ablauf auf der einen Seite normal ist, während er auf der anderen durch Erkrankungen oder Verletzungen verkürzt ist.

Verschiedene Ursachen können die Zeiträume, in denen die Standbein- oder die Schwungbeinphase stattfinden, reduzieren. Dazu gehören Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Kraftabbau und koordinative Störungen. Die Standbeinphase ist häufig betroffen, wenn Schmerzen durch den auftretenden Druck entstehen oder verstärkt werden. Diese können auftreten als Folge von Verletzungen, die die Muskeln betreffen, die gegen die Schwerkraft halten müssen und den Vorwärtsschub bewerkstelligen. Zerrungen und Muskelfaserrisse in der vorderen und hinteren Oberschenkelmuskulatur, den Adduktoren des Hüftgelenkes und der Wadenmuskulatur sind häufig vorkommende Verletzungen dieser Art. Auch Schädigungen im und am Gelenk, die Schmerzen direkt oder indirekt durch eine Druckerhöhung auf den Knochen verursachen, modifizieren die Ausführung der Standbeinphase. Meniskusläsionen oder Knie- und Hüftarthrosen sind solche Erkrankungen.

In allen Fällen sind Veränderungen des Gangrhythmus und der Schrittlänge die Folge, die sich in einem humpelnden Gangbild äußern, da die Standbeinphase auf der betroffenen Seite zeitlich und räumlich verkürzt wird, um dem Schmerz möglichst schnell zu entgehen. Das gleiche gilt für die Schwungbeinphase, betrifft aber eher die Muskeln, die gegen die Schwerkraft bewegen, vor allem die Hüftbeuger.

Eine symmetrische Veränderung der Schrittlänge und der Gangzyklen tritt bei Parkinson auf. Er ist bekannt für das typisch kleinschrittige und trippelnde Gangbild.

Andere neurologische Erkrankungen des Zentralnervensystems können die koordinative Ausführung des Ganges betreffen. Die auf einen Schlaganfall folgende Hemiplegie führt meistens zu einer Streckspastik im betroffenen Bein. Neben den koordinativen Komponenten sind auch alle anderen Gangkriterien verändert. Das Bein wird in einer Kreisbewegung und mit Schwierigkeiten bei der Zielfindung nach vorne bewegt und nur mit dem Vorfuß aufgesetzt. Die Kontaktphase und die Schrittlänge sind verkürzt, um das andere Bein möglichst schnell nach vorne zu bringen.

Ein Kennzeichen der multiplen Sklerose und anderen ataktischen Erkrankungen ist der unsichere und unkoordinierte Gang, der eine Kombination aus koordinativen Problemen und einer symmetrischen Veränderung von Schrittlänge und Spurbreite darstellt. Es entsteht ein breitbeiniges Gangbild, dass durch Unsicherheit gekennzeichnet ist und durch wackelige unkoordinierte Schritte. Diese Gangbildveränderung ist gelegentlich auch nach zu viel Alkoholkonsum zu beobachten.

Quellen

  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Hüter-Becker, A., Dölken, M.: Physiotherapie in der Orthopädie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Rössler, H., Rüther, W.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München, 2005

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