Fingerbeugereflex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Fingerbeugereflex ist ein Eigenreflex der Fingerbeuger, der durch einen Schlag auf die palmare Seite der Mittelfingerendglieder ausgelöst wird. Eine Übersteigerung der Reflexbeugung gilt als unsicheres Pyramidenbahnzeichen oder Anzeichen für vegetative Dystonie. Die endgültige Abklärung erfolgt über Bildgebungen und Liquordiagnostik.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Fingerbeugereflex?

Der Fingerbeugereflex ist ein Eigenreflex der Fingerbeuger, der durch einen Schlag auf die palmare Seite der Mittelfingerendglieder ausgelöst wird.

Die Hand verfügt über verschiedene Beugemuskeln. Zwei dieser Flektoren sind der Musculus flexor digitorium profundus und der Musculus flexor digitorium superficialis. Dabei handelt es sich um den tiefen und oberflächlichen Fingerbeuger. Der Muskeleigenreflex dieser Fingerbeuger wird als Fingerbeugerreflex bezeichnet.

Die reflektorische Beugebewegung wird durch einen Schlag auf die palmare Seite des Mittelfingerendglieds ausgelöst und entspricht einer Fingerflexion. Entdeckt wurde der monosynaptische Eigenreflex im 20. Jahrhundert vom deutschen Neurologen Ernest L. O. Trömner.

Die beteiligten Nerven sind die Rückenmarksegmente C7 und C8 sowie der Nervus medianus und der Nervus ulnaris. Der Fingerbeugereflex ist an sich ein schwellennah physiologischer Eigenreflex. Bei einem übersteigerten oder lediglich einseitigen Reflex ist dagegen von einem Trömner-Zeichen mit pathologischen Wert die Rede. Anders als der Trömner-Reflex kann das Trömner-Zeichen als Indiz für Läsionen der Pyramidenbahnen bewertet werden (wenn auch als unsicheres) und entspricht so einem schwachen Pyramidenbahnzeichen.

Die Pyramidenbahnen sind die Rückenmarksbahnen zwischen oberem und unterem zentralem Motoneuron und sind eine wichtige Schaltstelle für jegliche Willkür- und Reflexmotorik.

Funktion & Aufgabe

Muskeleigenreflexe sind monosynaptisch verschaltene Schutzreflexe, die die Skelettmuskulatur vor Überdehnungen schützen. Sie werden durch Schläge auf die Sehnen ausgelöst, in denen die Muskelspindel der jeweiligen Muskeln sitzen.

Muskelspindel sind extrozeptive Rezeptoren. Sie detektieren Dehnungen und wandeln diese mechanischen Reize in bioelektrische Informationen um. Die nicht-kontraktile Mitte einer Muskelspindelfaser wird von afferent sensiblen Nervenfasern umsponnen. Diese Fasern sind als Ia-Fasern bekannt und leiten dem Zentralnervensystem Erregungen zu.

Wenn ein Muskel gedehnt wird, so kommt es zugleich zur Dehnung der Muskelspindel. Die Ia-Fasern leiten diesen Reiz in Form eines Aktionspotentials über die Spinalnerven im Rückenmarkhinterhorn und übertragen die Erregung durch eine Synapse im Rückenmarkvorderhorn auf die sogenannten α-Motoneuronen. Diese Motoneuronen geben die Information auf efferenten Bahnen wieder zurück an die Skelettmuskelfasern und regen den gedehnten Muskel so zur Kontraktion an.

Am Fingerbeugereflex nach diesem Prinzip sind der Musculus flexor digitorum superficialis und der Musculus flexor digitorum profundus beteiligt. Der Musculus flexor digitorium superficialis bildet die mittlere Beugerschicht des Unterarms. Er ist im Karpaltunnel in vier Sehnen geteilt, die sich kurz nach ihrem Ansatz in zwei verschiedene Zügel teilen.

Der Muskel besteht aus den Muskelköpfen Caput humeroulnare und Caput radiale. Der Musculus flexor digitorum profundus bildet dagegen die tiefe Beugerschicht am Unterarm und teilt sich im Karpaltunnel wie der Musculus flexor digitorum superficialis in vier verschiedene Endsehnen.

Beide Beuger werden durch den Nervus medianus und den Nervus ulnaris versorgt. Der Nervus medianus ist ein gemischter Armnerv mit motorischen und sensiblen Anteilen. Er entspringt dem Fasciculus medialis und dem Fasciculus lateralis am Plexus brachialis und ist mit Faserteilen der Segmente C6 bis Th1 ausgestattet. Über die mediale Ellenbeuge läuft der Nervus medianus zum Unterarm, wo er zwischen dem Musculus flexor digitorum profundus und superficialis zum Handgelenk absteigt.

Motorisch innerviert der Nervus medianus außer dem ulnaren Anteil unter anderem den Musculus flexor digitorum profundus und viele weitere Flexoren des Unterarms. Auf der palmaren Hand versorgt der sensibel Anteil des Nervs außerdem die Haut oberhalb des Daumenballens und Hautflächen des Zeige-, Ring- und Mittelfingers. Der Mischnerv Nervus ulnaris enthält ebenfalls Faserteile aus C8 und Th1. Er innerviert die ulnaren Anteile des Fingerbeugers motorisch.

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Krankheiten & Beschwerden

Die Pyramidenbahnzeichen können dem Neurologen während der standardisierten Reflexuntersuchung, bei dazu passender Klinik, einen ersten Verdacht auf pyramidale Schädigungen geben. Dieser erste Verdacht kann ihn dazu veranlassen, unter Kontrastmittelgabe ein MRT in Auftrag zu geben.

Ein übersteigerter Fingerbeugereflex ist allerdings lediglich ein extrem schwaches Pyramidenbahnzeichen und muss nicht tatsächlich auf eine Läsion der Pyramidenbahnen verweisen. Stärkere Pyramidenbahnzeichen sind zum Beispiel die Reflexe der Babinski-Gruppe, die für eine entsprechende Verdachtsdiagnose weitaus wichtiger sind.

In der Vergangenheit wurde das Trömner-Zeichen als zweifelloser Hinweis auf spastische Läsionen der Pyramidenbahnen interpretiert. Mittlerweile steht die neurologische Anomalie eher für eine vegetative Dystonie, solange keine anderen Pyramidenbahnzeichen vorliegen und auch das klinische Bild des Patienten nicht zu einer pyramidalen Läsion passt.

Eine vegetative Dystonie liegt bei einer Übererregbarkeit des Zentralnervensystems vor. Nervosität, Unruhe, Schlaflosigkeit und Reizbarkeit oder Schwindelgefühle prägen das Bild. Bei diesem Phänomen ist die unbewusst autonome Körperfunktionsregulation des vegetativen Nervensystems gestört. Der Sympathikus und sein Antagonist Parasympathikus arbeiten dabei nicht mehr in Harmonie. Belastung, Hektik oder Stress können dieses Phänomen begünstigen. Auch das Leben entgegen natürlicher Rhythmen wie dem Tag-Nacht-Rhythmus kann eine vegetative Dystonie begünstigen.

Wenn das Trömner-Zeichen nach eingängiger Untersuchung doch mit pyramidalen Läsionen in Zusammenhang steht, dann kann es von spastischen oder schlaffen Lähmungen, Muskelschwäche oder ähnlichen Beschwerden begleitet sein. Abhängig von der genauen Lokalisation der pyramidalen Läsion kommen neurologische Erkrankungen wie MS oder ALS, Hirninfarkte, Rückenmarksinfarkte, Raumforderungen oder Traumata der beteiligten Strukturen als Ursache in Frage. Endgültigen Aufschluss liefert neben einem MRT des Gehirns und der Wirbelsäule oft die Liquordiagnostik.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Krämer, J., Grifka, J.: Orthopädie, Unfallchirurgie. Springer, Berlin 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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