Erythrophobie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Erythrophobie ist eine Angst vor dem Erröten, genauer gesagt vor dem Erröten der Gesichtshaut. Es handelt sich um eine psychische Störung, nicht aber um eine psychische Erkrankung im klassischen Sinne, auch wenn das ungewollte und vegetativ gesteuerte Erröten der Haut als unangenehm erlebt wird und auch sehr belastend sein kann.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Erythrophobie?

Das Erröten wird von den Betroffenen oft wie ein aus dem Bauch hinaufsteigender Impuls wahrgenommen, der unbeherrschbar erscheint und sich in seinem Gefühl verselbstständigt.
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Der Begriff Erythrophobie ist ein aus zwei Silben zusammengesetztes Wort aus der griechischen Sprache. „Erythros“ bedeutet „rot“ und „Phobos“ bedeutet „Angst“, es handelt sich also bei der Erythrophobie um eine Angst vor dem Erröten, die akut oder chronisch auftreten kann. Manche Menschen leiden nur in bestimmten Phasen ihres Lebens unter dieser Angststörung, andere begleitet die Errötungsangst das ganze Leben lang, wenn nicht rechtzeitig therapiert wird.

Sehr oft schweigen die Betroffenen lange Zeit über ihre Neigung, schnell zu erröten und vertrauen sich auch nicht dem Arzt an. Denn Erröten ist immer noch nicht allgemein gesellschaftlich akzeptiert. Die Öffentlichkeit setzt das Erröten einer Person oft mit Scham, Ertapptheit oder Lüge gleich. Der Betroffene kann in den entsprechenden Situationen innerlich derart blockiert sein, dass er nicht mehr fähig ist, auch nur ein Wort zu sprechen. Dadurch werden die Ängste leider nochmals verstärkt, es entsteht eine Art Teufelskreislauf aus Errötung, innerer Anspannung und Verlegenheit.

Ursachen

Die meisten vom peinlichen Erröten betroffenen Menschen versuchen mit aller Kraft dagegen anzukämpfen, indem sie sich einfach innerlich vorstellen, nicht zu erröten. Das kann aber nicht erfolgreich sein, denn es handelt sich bei der impulsiven Gesichtsrötung, auch Flush genannt, um eine streng vegetative Reaktion, die, ähnlich wie der Herzschlag, eben nicht willkürlich beeinflusst werden kann. Die Erythrophobie darf nicht mit klassischen Phobien wie Angst vor Spinnen oder Höhenangst verwechselt werden. Denn diese sind in der Regel durchaus besser zu therapieren.

Ursache der psychischen Erythrophobie ist ein sogenannter Angstkreislauf. Eine als unangenehm empfundene Situation oder negative Gedanken führen zur Eigenwahrnehmung des Errötens. Dann entstehen Gedanken der Gefahr und der Bedrohung, auch wenn objektiv keine Bedrohung erkennbar ist. Es folgt die psychische Angst mit Meidung und Rückzugstendenzen. Besteht der Angstkreislauf länger, dann entstehen in den Neuronen auch physische Veränderungen, die ihrerseits den Angstkreislauf aufrechterhalten. In dieser chronischen Phase gilt eine Therapie dann als besonders schwierig.

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Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Obwohl Symptome, Beschwerden, Anzeichen der Erythrophobie überwiegend psychischer Natur sind, müssen körperliche Ursachen trotzdem ausgeschlossen werden. Hinter den Hautrötungen könnte sich auch eine Rosazea, eine Couperose oder die Neigung zu übermäßigem Schwitzen verbergen.

Das Erröten wird von den Betroffenen oft wie ein aus dem Bauch hinaufsteigender Impuls wahrgenommen, der unbeherrschbar erscheint und sich in seinem Gefühl verselbstständigt. Wird dann innerlich dagegen angekämpft, ist das Ergebnis ein noch heftigeres und schnelleres Erröten. Oft reichen bereits Kleinigkeiten des Alltags aus, um mühsam erarbeitetes Selbstvertrauen wieder zu verlieren.

Die Erythrophobie kann begleitet sein von heftiger innerer Anspannung und Unruhe, auch Blutdruckschwankungen kommen häufig dabei vor, denn durch die Fehlregulation des Hormonsystems schaltet der Körper in den sogenannten Flucht- und Angriffsmodus mit einer verstärkten Ausschüttung von Stresshormonen aus der Nebennierenrinde. Das Erröten kann geografisch beispielsweise nur an den Ohren, flächenhaft oder in Form sogenannter hektischer Flecken auftreten.

Neben dem Gesicht sind oft auch Dekolleté, Halspartie oder der Nacken betroffen. Schnelles Erröten wird auch als blushing, langsames erröten als flushing und dauerhaftes Rotwerden als permanente Verlaufsform bezeichnet. In der psychologischen Praxis kann diese Art der Differentialdiagnostik zur Verlaufskontrolle wichtig sein.

Diagnose

Es stimmt nicht, dass dunkelhäutige Menschen nicht erröten würden, sie erröten ebenso wie hellhäutige Menschen, aber es ist eben nicht so offensichtlich sichtbar. Leiden Betroffene gleichzeitig unter einer sozialen Phobie, also einer Angst vor der Begegnung oder Kontakt mit Menschen, dann ist eine frühzeitige Diagnose besonders wichtig, um Rückzugstendenzen oder gar suizidales Verhalten rechtzeitig zu erkennen.

Die Diagnose sollte nach eingehender körperlicher Untersuchung und dem Ausschluss organischer Ursachen von einem Psychiater, Psychologen oder Neurologen gestellt werden. In der internationalen Klassifikation des ICD-Registers wird die Erythrophobie bis heute nicht als eigenständiges Krankheitsbild aufgeführt.

Komplikationen

Ohne Behandlung ist es möglich, dass sich die Erythrophobie verschlimmert. Eventuell entwickeln sich andere Angststörungen wie die soziale Phobie oder die Agoraphobie. Eine häufige Komplikation im Zusammenhang mit Erythrophobie ist die Vermeidung von Situationen, in denen der Betroffene zu erröten glaubt oder in denen das Erröten als besonders peinlich empfunden werden könnte. Soziale Verarmung und Rückzug sind häufige Folgen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.

Auch andere psychische Störungen können entstehen, wenn die Erythrophobie nicht behandelt wird. Isolation, Scham und Minderwertigkeitsgefühle können beispielsweise zur Entstehung von Depressionen beitragen oder einen Rückfall begünstigen. Bei einigen Menschen, die unter Erythrophobie leiden, entwickeln sich Zwänge.

Diese dienen (anfänglich) oft dazu, die Angst zu reduzieren. Kontrollzwänge sind dabei besonders häufig: Der Betroffene prüft eventuell häufig sein Gesicht in spiegelnden Oberflächen oder sucht nach anderen Hinweisen auf mögliches Erröten. Das ständige Kontrollieren dehnt sich eventuell auf andere Bereiche aus.

Dieses Verhalten kann von Außenstehenden als Eitelkeit fehlgedeutet werden. Darüber hinaus wirken Betroffene durch Kontrollblicke auf ihr Spiegelbild unter Umständen abweisend oder desinteressiert. Konflikte mit Freunden oder in der Familie sind dadurch ebenfalls möglich. Auch am Arbeitsplatz leiden viele Betroffene unter den Folgen Erythrophobie – wenn sie sich beispielsweise nicht trauen, als Vorgesetzter zu anderen sprechen oder sich nicht aktiv an Teamgesprächen beteiligen. Daraus können sich berufliche Einschränkungen entwickeln.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In der Regel muss bei einer Erythrophobie nicht immer ein Arzt aufgesucht werden. Die Krankheit kann durch verschiedene Übungen oder Therapien behandelt werden. Sollten die Betroffenen aufgrund der Erythrophobie allerdings an starken Einschränkungen im Alltag leiden, sollte ein Besuch bei einem Arzt vorgenommen werden.

Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Krankheit aufgrund von traumatischen Erlebnissen auftritt. Ein Besuch beim Arzt ist dann notwendig, wenn der Patient in vielen Situationen an einem Erröten oder an einem starken Schweißausbruch leidet. In der Regel können diese Symptome nicht vorhergesehen oder vorgebeugt werden, sodass der Betroffene das Erröten nicht selbst steuern kann. Auch eine innere Unruhe oder eine dauerhafte Anspannung kann zur Erythrophobie führen und sollte dabei untersucht werden. Schwankungen des Blutdruckes können dabei zu echten gesundheitlichen Beschwerden führen und müssen ebenso untersucht werden.

Die erste Diagnose der Krankheit kann durch einen Psychologen oder durch einen Therapeuten gestellt werden. Auch die Behandlung wird in der Regel von diesen Ärzten durchgeführt. In vielen Fällen kann die Erythrophobie damit eingeschränkt werden. Ein vollständig positiver Krankheitsverlauf kann allerdings nicht immer vorhergesagt werden.

Behandlung & Therapie

Entscheidend für den Erfolg einer Therapie der Erythrophobie ist der unbedingte Wille des Patienten, sich auf eine oft langwierige Behandlung mit Rückschlägen einzulassen. Darüber hinaus muss so früh als möglich therapiert werden, noch bevor sich physiologische Strukturen im Gehirn verändert haben. In der Psychotherapie ist keine valide Methode zur sicheren Überwindung der Erythrophobie bekannt.

Aufdeckende Gesprächspsychotherapie, die Teilnahme der Betroffenen an Selbsthilfegruppen, sowie psychodynamische und Verhaltenstherapien konnten jedoch bereits vielen Betroffenen helfen, erträglich mit den Symptomen umzugehen. Bei Therapieresistenz kann auch eine besondere Form der Operation, die endoskopische transthorakale Sympathektomie, nach strenger Indikationsstellung, hilfreich sein. Sie kommt aber nur für Patienten in Frage, die suizidal sind und sich völlig von der Außenwelt abgekapselt haben.

Aussicht & Prognose

In den meisten Fällen kann die Erythrophobie relativ gut geheilt werden. Es treten dabei keine besonderen Komplikationen auf, wobei sich eine frühzeitige Diagnose und Behandlung immer positiv auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirken. In einigen Fällen kann es dabei auch zu einer Selbstheilung kommen, wobei diese in der Regel nur selten auftritt.

Sollte die Erythrophobie nicht behandelt werden, so leiden die Betroffenen an einem starken Erröten und weiterhin an einem übermäßigen Schwitzen. Auch Schwankungen des Blutdrucks können bei dieser Krankheit auftreten und sich negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen auswirken. Sollte die Erythrophobie über einen längeren Zeitraum auftreten, so kann die Erkrankung auch zu sozialen Beschwerden führen, wobei es vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu Schwierigkeiten kommen kann.

Da die Behandlung der Erythrophobie meist im Rahmen einer Psychotherapie durchgeführt wird, hängt der weitere Verlauf und der Erfolg der Behandlung stark von der Ausprägung der Krankheit und von der eigenen Einstellung des Patienten ab. In der Regel wird die Krankheit allerdings geheilt. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Erkrankung nicht negativ beeinflusst.

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Vorbeugung

Oft wird eine Erythrophobie durch einen Trigger im Kindesalter ausgelöst. Wenn Eltern ein vermehrtes unwillkürliches Erröten ihres Kindes bemerken, sollten diese sich nicht scheuen, einen Psychiater um Rat zu fragen. Denn frühzeitige Therapie kann die Entwicklung eines Angstkreislaufes und somit das Auftreten der Erythrophobie im Erwachsenenalter verhindern.

Nachsorge

Möglichkeiten der Nachsorge stehen dem Betroffenen bei einer Erythrophobie nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Der Patient ist dabei in erster Linie auf die direkte und medizinische Behandlung dieser Krankheit angewiesen, um weitere Komplikationen zu vermeiden. Da es dabei nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen kann, ist in erster Linie eine frühzeitige Diagnose dieser Krankheit sehr wichtig.

Die Behandlung selbst erfolgt dabei in der Regel mit Hilfe von Medikamenten und durch die Therapie bei einem Psychologen. Der Betroffene sollte dabei auf die regelmäßige Einnahme der Medikamente achten, wobei auch Wechselwirkungen oder Nebenwirkungen zu beachten sind. Bei Kindern sollten vor allem die Eltern die richtige Einnahme der Medikamente kontrollieren. Auch nach einer erfolgreichen Behandlung der Erythrophobie sind die meisten Betroffenen auf eine weiterführende Einnahme der Arzneimittel angewiesen.

Da es sich bei der Erythrophobie um eine psychische Verstimmung handelt, wirkt sich auch eine liebevolle und intensive Unterstützung der Patienten positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus. Dabei sollten die Patienten in das Leben anderer Menschen integriert werden, da sie sich oft von anderen Menschen abkapseln. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erythrophobie kann dabei sinnvoll sein, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommen kann, welche den Alltag erleichtern können.

Das können Sie selbst tun

Es stehen keine Behandlungsmethoden zur Verfügung, die ein Erröten hundertprozentig verhindern. Allerdings können Betroffene lernen, wie sie weniger häufig erröten. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, die Angst vor dem Erröten zu beseitigen. Zunächst sollten Betroffene das Erröten nicht mehr als Katastrophe oder Schande betrachten. Daneben ist es empfehlenswert, seine Fehler und Schwächen anzunehmen.

Betroffene sollten sich stets erlauben, zu erröten. Insbesondere der Gedanke daran, bloß nicht zu erröten, löst genau das Gegenteil aus. Es entsteht Panik, die zum Erröten führt. Betroffene sollten sich diese Eigenschaft nicht verbieten oder gar verstecken. Besser ist es, sich an die Errötung zu gewöhnen und positiv darauf zu reagieren. Es ist sinnvoll, sich selbst zu sagen, dass es in Ordnung ist. Das geht rasch vorbei. Diese Worte sollten Betroffene stets wiederholen, wenn sie eine Errötung bemerken.

Darüber hinaus ist es vorteilhaft, sein Selbstbewusstsein zu stärken. Wer dies beherzigt und sich selbst nicht verurteilt, wird weniger Angst haben, rot zu werden. Außerdem lernen Betroffene dadurch, das Erröten als weniger peinlich zu empfinden. Das bewirkt wiederum, grundsätzlich weniger zu erröten. Die Übungen nehmen einige Zeit in Anspruch, jedoch ist der Erfolg lohnenswert.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009

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