Erregungsleitung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Begriff Erregungsleistung versteht man die Weiterleitung von Erregungen in Nerven- oder Muskelzellen. Häufig wird die Erregungsleitung auch als Reizleitung bezeichnet, aus medizinischer Sicht ist diese Bezeichnung allerdings nicht ganz korrekt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Erregungsleitung?

Unter dem Begriff Erregungsleistung versteht man die Weiterleitung von Erregungen in Nerven- oder Muskelzellen.

Die Erregungsleitung ist die Grundlage für die Funktionalität des Nervensystems und der Nerven. Bei der Erregungsleitung werden Erregungen innerhalb von Nervenzellen (Neuronen) oder Muskelzellen weitergeleitet. Wenn eine Erregung hingegen von einer Zelle auf eine andere Zelle übertragen wird, spricht man von Erregungsübertragung. Dies geschieht meist in chemischer Form an Synapsen. Die Erregungsleitung an sich ist ein bioelektrischer Prozess.

Funktion & Aufgabe

Grundsätzlich werden bei der Erregungsleitung zwei Formen unterschieden. Die elektrische Erregungsleitung verläuft passiv. Sie ist darauf ausgelegt, kurze Entfernungen zu überwinden. Über elektrische Reize am Axon wird eine Depolarisation an der spezifischen Stelle ausgelöst. Hier ist die Ladung also im Gegensatz zur Umgebung positiver geladen. Der Ladungsunterschied führt dazu, dass sich das elektrische Feld entlang der Nervenfaser ausbildet. Die Wand der Nervenfasern ist bei der elektrischen Erregungsleitung allerdings eher schlecht isoliert. So wird das elektrische Feld bei zunehmender Entfernung immer schwächer und die Depolarisation nimmt ab. Daher können mit dieser Form der Erregungsleitung nur sehr kurze Strecken zurückgelegt werden.

Die elektrische Leitung findet sich zum Beispiel in den äußeren Schichten der Netzhaut. Die Photorezeptoren und die Bipolarzellen der Netzhaut leiten ihre Erregungen auf diese passive Art weiter.

Die andere Form der Erregungsleitung ist die Erregungsleitung durch Aktionspotentiale. Hier kann wiederum zwischen der kontinuierlichen und der saltatorischen Erregungsleitung unterschieden werden. Die kontinuierliche Erregungsleitung findet sich bei marklosen Nervenfasern. Der Nervenimpuls wird bei der Form der Weiterleitung entlang der Nervenfaser von Abschnitt zu Abschnitt übertragen. Diese Form der Erregungsleitung ist mit einer maximalen Geschwindigkeit von 30 Metern pro Sekunde eher langsam. Sie findet sich vor allem bei Nerven, die die inneren Organe versorgen. Auch Nozizeptoren, also freie sensorische Nervenendigungen, leiten ihre Erregungen so weiter.

Deutlich schneller ist die saltatorische Erregungsleitung. Die meisten Nervenfasern im menschlichen Körper sind von Myelinscheiden umhüllt. Diese fungieren als eine Art Isolierungsschicht. Die Schicht ist in gewissen Abständen unterbrochen. Man spricht hier von Ranvierschen Schnürringen. Die Erregung springt bei diesen Nervenfasern von Schnürring zu Schnürring. Damit können Geschwindigkeiten von bis zu 100 Metern pro Sekunde erreicht werden. So können Erregungen blitzschnell durch den gesamten Körper bis zum Zielorgan geleitet werden.

Eine Besonderheit des Körpers ist die Erregungsleitung im Herzen. Hier besteht eine Kombination von einem Erregungsleitungssystem mit einer Erregungsübertragung von Zelle zu Zelle. Über das Erregungsleitungssystem werden jene elektrischen Signale weitergeleitet, die die Tätigkeit des Herzens regulieren. Der Takt wird dabei durch das Erregungsbildungssystem vorgegeben. Bemerkenswert ist, dass diese Erregungssysteme des Herzens nicht etwa aus Nervenzellen, sondern aus spezialisierten Herzmuskelzellen bestehen. Damit sich die Erregung über das Herz ausbreiten kann, sind alle Herzmuskelzellen miteinander über sogenannte Gap junctions verbunden. Nur durch die Zusammenarbeit der Systeme wird es dem Herzmuskel ermöglicht, dass sich alle Zellen koordiniert kontrahieren können.


Krankheiten & Beschwerden

Unter den Begriff der Erregungsleitungsstörungen fallen alle Fehlfunktionen der Erregungsleitung im Herzen. Durch diese Fehlfunktionen kommt es zu einer verzögerten oder unterbrochenen Übertragung der elektrischen Erregungen. Zu den Erregungsleitungsstörungen gehören der Rechtsschenkelblock, der Linksschenkelblock und der AV-Block.

Beim AV-Block ist der AV-Knoten des Erregungsleitungssystems des Herzens blockiert. Dies tritt häufig bei älteren Menschen auf, kann aber auch in Zusammenhang mit Herzerkrankungen wie Herzinfarkt oder Herzmuskelentzündung auftreten. Bei einer Beeinträchtigung des AV-Blocks kommt es zu einem Abfall der Herzfrequenz. Dadurch fällt die Pumpleistung des Herzens ab und der Körper kann nicht mehr ausreichend mit arteriellem Blut versorgt werden. Bei nicht reversiblen Störungen des AV-Blocks wird den Patienten ein Herzschrittmacher eingesetzt.

Beim Linksschenkelblock ist die Erregungsleitung der linken Herzhälfte, beim Rechtsschenkelblock die Erregungsleitung der rechten Herzhälfte eingeschränkt. Ursachen für diese Phänomene sind die koronare Herzkrankheit, arterielle Hypertonie oder Herzmuskelentzündungen.

Eine Erkrankung, bei der die saltatorische Erregungsleitung stark beeinträchtigt wird, ist die Multiple Sklerose. Es handelt sich dabei um eine chronisch-entzündliche Krankheit. Betroffen sind die Myelinscheiden der Nervenzellen des zentralen Nervensystems (ZNS). Man spricht hier von einer Entmarkung. Entmarkungsherde finden sich bevorzugt in der weißen Substanz des Rückenmarks und des Gehirns. Ursache für die Entzündungen ist ein Angriff von körpereigenen Abwehrzellen. Warum die Zellen aber körpereigenes Gewebe attackieren, konnte bisher noch nicht geklärt werden.

Erste Symptome zeigen sich meist zwischen dem 16. und dem 40. Lebensjahr. Die Erkrankung verläuft in Schüben. Anfangs bilden sich die Symptome der Schübe meist noch zurück, später bleiben Defizite zurück. Die Art der Symptome ist abhängig von der Lokalisation der Entmarkungsherde. Typische Frühsymptome sind Sehstörungen wie Doppeltsehen oder Sehunschärfe. Es kann zudem zu Missempfindungen, Taubheitsgefühlen oder Schmerzen kommen. Sind das Kleinhirn und der Hirnstamm betroffen, treten Symptome wie Schluckstörungen, Schwindel, Sprechstörungen oder Bewegungsstörungen auf. Die Erkrankung ist nicht heilbar. Mit den therapeutischen Maßnahmen soll den Patienten ein möglichst unabhängiges Leben ermöglicht werden.

Quellen

  • Diener, H.-C., et al.: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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