Enterisches Nervensystem

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das enterische Nervensystem (ENS) durchzieht den gesamten Verdauungstrakt und arbeitet weitgehend unabhängig vom übrigen Nervensystem. Umgangssprachlich wird es auch als Bauchhirn bezeichnet. Grundsätzlich ist es für die Regulierung aller Vorgänge des gesamten Verdauungsprozesses verantwortlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Enterische Nervensystem?

Die Funktion des enterischen Nervensystems besteht in der Steuerung des Verdauungsvorganges. Dabei reguliert es die Darmmotilität, den mit Absorption und Sekretion verbundenen Ionentransport, die immunologischen Funktionen des Verdauungstraktes und den gastrointestinalen Blutfluss.
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Wie der Name bereits sagt, ist das enterische Nervensystem für den gesamten Verdauungstrakt verantwortlich. Es wird im Englischen als second brain oder abdominal brain bezeichnet. Neben dem Sympathikus und dem Parasympathikus ist es der dritte Bestandteil des Nervensystems.

Als zweites Gehirn oder Bauchhirn besitzt es einen ähnlichen Aufbau wie das Gehirn und arbeitet nach dem gleichen Prinzip. Dabei wurde festgestellt, dass es ungefähr vier- bis fünfmal mehr Neuronen als das Rückenmark besitzt. Im enterischen Nervensystem existieren komplizierte Verschaltungen, die dafür sorgen, dass die Verdauungsvorgänge genau miteinander abgestimmt werden. Dabei arbeitet es weitestgehend autonom.

Die notwendigen Vorgänge innerhalb des Verdauungstraktes werden eigenständig reguliert. Allerdings unterliegt das ENS auch den Einflüssen von Sympathikus und Parasympathikus. Es bestehen selbstverständlich auch Verbindungen zum Haupthirn. So wird vermutet, dass der Informationsaustausch zwischen enterischem Nervensystem und Haupthirn intuitive Entscheidungen (Bauchgefühl) beeinflussen.

Anatomie & Aufbau

Das enterische Nervensystem stellt ein Geflecht aus Nervenzellen dar, welches den gesamten Verdauungsbereich von der Speiseröhre bis zum Mastdarm umfasst. Dabei bestehen die Hauptkomponenten des ENS aus zwei Nervengeflechten, die sich innerhalb der Darmwand befinden.

Das ist einerseits der Plexus myentericus (Auerbachscher Plexus) und andererseits der Plexus submucosus (Meissnerscher Plexus). Der Plexus myentericus stellt ein Komplex aus Nervenzellen in der Ring- und Längsmuskelschicht des Darms dar. Der Plexus submucosus ist in die Darmschleimhaut integriert. Außerdem sind noch weitere kleine Plexus unterhalb der Serosa, in der Ringmuskulatur und in der Mukosa selbst anzutreffen. Neben den Neuronen existieren noch interstitielle Zellen von Cajal (Cajal´sche Zellen).

Dabei handelt es sich um spezialisierte Muskelzellen, die unabhängig von den Nervenzellen Muskelkontraktionen auslösen können und somit eine Art Schrittmachersystem ähnlich des Herzschrittmachers darstellen. Das enterische Nervensystem arbeitet zwar autonom, wird aber von Sympathikus und Parasympathikus beeinflusst. Der Sympathikus sorgt für die Senkung der Motilität und Sekretion innerhalb des Verdauungssystems. Umgekehrt beeinflusst der Parasympathikus das ENS dahin gehend, dass die Motilität und Sekretion gesteigert wird.

Funktion & Aufgaben

Die Funktion des enterischen Nervensystems besteht in der Steuerung des Verdauungsvorganges. Dabei reguliert es die Darmmotilität, den mit Absorption und Sekretion verbundenen Ionentransport, die immunologischen Funktionen des Verdauungstraktes und den gastrointestinalen Blutfluss. Für die Darmmotilität ist der Plexus myentericus verantwortlich.

Er steuert die Darmperistaltik und sorgt gleichzeitig für die Sekretion von Enzymen in das Darmlumen. Unterstützt wird der Plexus myentericus auch von den Cajal-Zellen, welche die Muskelbewegungen starten. Obwohl die Cajal-Zellen keine Neuronen darstellen, werden sie zum Plexus myentericus gerechnet. Der Plexus submucosus steuert die Feinbewegung der Darmschleimhaut. Er befindet sich in der dünnen Schicht aus glatter Muskulatur, die zur Mucosa gehört. Gemeinsam mit dem Plexus myentericus reguliert er die Peristaltik des Darms.

Darüber hinaus steuert er autonom die Sekretion der Drüsen der Mucosa. Des Weiteren ist er auch an der Regulierung immunologischer Vorgänge beteiligt. Das enterische Nervensystem analysiert die Nahrung auf Nährstoffzusammensetzung, Wassergehalt sowie Salzgehalt und entscheidet über Absorption und Ausscheidung. Des Weiteren übernimmt es die Feinabstimmung der Funktion hemmender und aktivierender Neurotransmitter. So wird die Darmfunktion äußeren Bedingungen angepasst. Während der Konzentration auf andere Tätigkeiten kommt es beispielsweise zur Hemmung der Darmperistaltik.

In anderen Situationen wird die Darmmotilität wieder angeregt. Dabei steht das enterische Nervensystem ständig mit dem Haupthirn in Verbindung. Allerdings fließen 90 Prozent der Informationen vom ENS zum Gehirn und nur 10 Prozent in umgekehrter Richtung. Das erfolgt in Fällen, wo Gifte oder Krankheiterreger in den Darm gelangen. Dann ordnet das Gehirn etwa durch Aussendung von Botenstoffen zentrale Maßnahmen an, die zur Normalisierung der Verdauungsvorgänge führen.


Krankheiten

In der Regel kann das enterische Nervensystem die Verdauungsvorgänge autonom regulieren. Besonders sensible Menschen reagieren jedoch häufig mit Magen- oder Darmstörungen auf Stress oder Alltagsprobleme. In diesen Fällen kommt es zu Fehlregulierungen innerhalb des ENS. Dabei wird von Reizmagen oder Reizdarm gesprochen.

Die Symptome sind unspezifisch. Es kann Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung auftreten. Die Feinabstimmung zwischen hemmenden und aktivierenden Verdauungsvorgängen ist gestört. Die Symptome sind zwar unangenehm, aber die Krankheit ist nicht gefährlich. Im enterischen und zentralen Nervensystem finden ähnliche Prozesse statt. Die Funktion der Neurotransmitter ist gleich. Auch die Reizweiterleitung in den Nervenzellen läuft nach dem gleichen Prinzip ab. So kann es durchaus vorkommen, dass bei sensiblen Menschen ein Reizüberschuss zu einem verstärkten Informationsfluss zwischen Haupthirn und Bauchhirn führt.

Reizmagen und Reizdarm können durch eine Änderung der Lebensweise, psychotherapeutische Maßnahmen und Medikamente gut behandelt werden. Es gibt jedoch auch angeborene Erkrankungen des Verdauungssystems, die auf dem Fehlen von Nervengewebe in ganzen Darmabschnitten beruhen.

Ein Beispiel für ein solches Leiden ist der Morbus Hirschsprung. Bei dieser Erkrankung fehlen Ganglienzellen im Bereich des Plexus submucosus oder Plexus myentericus in ganzen Darmabschnitten des Dickdarms. Das führt zu einer verstärkten Bildung von vorgeschalteten parasympathischen Nervenfasern, welche Acetylcholin ausschütten. Die dadurch verursachte permanente Stimulierung der Ringmuskulatur lässt den betreffenden Darmabschnitt dauerhaft zusammenziehen. Die Folge ist ein chronischer Darmverschluss.

Quellen

  • Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007

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