Enchondromatose

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Patienten mit Enchondromatose leiden an multiplen Tumoren der Knochen, die Wachstumsstörungen, Frakturen und Fehlstellungen hervorrufen. Eine genetische Mutation scheint für die Erkrankung verantwortlich zu sein. Die Behandlung beschränkt sich auf die Korrektur von Fehlstellungen, die Frakturbehandlung und die Entartungsüberwachung der einzelnen Tumore.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Enchondromatose?

Prinzipiell handelt es sich bei der Enchondromatose um das multiple Auftreten einzelner Chondrome, Enchondrome und juxtakortikaler Chondrome.
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Enchondrome sind knorpelige Tumore, die vorwiegend von den Diaphysen der Phalangen ausgehen. Zum Teil kommen die Tumore auch in den Metaphysen langer Röhrenknochen vor. Die Wissenschaft geht mittlerweile davon aus, dass Epiphysenfugenreste in den Metaphysen Enchondrome entstehen lassen.

Lange bleiben die Tumore asymptomatisch. Bemerkbar machen sie sich im weiteren Verlauf durch Schmerzen und unerklärliche Frakturen. In bestimmten Fällen liegen Enchondrome im Rahmen eines größeren Erkrankungszusammenhangs vor. Das ist zum Beispiel bei der Enchondromatose der Fall. Bei dieser Erkrankung des Skeletts treten multiple Enchondrome auf.

Bei der Enchondromatose handelt es sich um eine eher seltene Erkrankung, deren Prävalenz auf rund einen Fall in 100.000 Menschen geschätzt wird. Von der Erkrankung sind in der Regel Kinder betroffen. Die ersten Symptome manifestieren sich klinisch meist innerhalb der ersten zehn Lebensjahre. Durch die begrenzte Fallzahl fällt die Forschungslage im Kontext der Echondromatose relativ dürftig aus. Die Erkrankung ist bislang also nicht abschließend verstanden.

Ursachen

Die Ätiologie und Pathogenese der Enchondromatose sind nicht abschließend geklärt. Obwohl die Ätiologie aber nicht abschließend verstanden ist, sind einige scheinbar ursächlichen Hintergründe mittlerweile bekannt. Bei einer großen Anzahl der dokumentierten Fälle wurden genetische Mutationen nachgewiesen.

Diese Veränderungen in der Erbsubstanz waren in den Genen IDH1 und IDH2 lokalisiert, die innerhalb der DNA die Kodierung für Isocitrat-Dehydrogenase 1 und 2 übernehmen. Bei diesen Subtanzen handelt es sich um Enzyme, die wie alle anderen Enzyme als Katalysatoren aktiv sind. Bei Katalysatoren handelt es sich um biochemische Reaktionsbeschleuniger. Im Fall der genannten Enzyme bezieht sich die Katalyse auf die Synthese von α-Ketoglutarat, ein Produkt des Citratzyklus.

Bei den krankheitsauslösenden Mutationen handelt es sich um somatische Veränderungen. Da für die Genmutationen bislang keine familiäre Häufung dokumentiert werden konnte, handelt es sich bei den Mutationen vermutlich nicht um erbliche Ereignisse. Die Enchondromatose wird von Wissenschaftlern daher nicht als genetische Erkrankung eingeschätzt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Prinzipiell handelt es sich bei der Enchondromatose um das multiple Auftreten einzelner Chondrome, Enchondrome und juxtakortikaler Chondrome. Meist treten die Tumore nahe der Wachstumsplatte in den Epiphysen auf, oder treffen die Metaphysen der langen Röhrenknochen sowie distalen Fuß- und Handknochen.

Das Wachstum der Tumore orientiert sich in der Regel an den Wachstumsphasen des kindlichen Skeletts. Mit dem Ende des Längenwachstums wachsen meist auch die Tumore nicht mehr. Meist bleiben die Knochenveränderungen zunächst schmerzlos. Allerdings tritt eine Wachstumsbeeinträchtigung ein, die mit Deformierungen und Frakturen vergesellschaftet sein kann.

Neben Fehlstellungen können weitere Komplikationen eintreten. Die schwerwiegendste Komplikation stellt sich mit der malignen Entartung der skelettalen Läsionen. Das Risiko für spätere Chondrosarkomen liegt für die Patienten bei etwa 25 Prozent. Ein erhöhtes Risiko gibt die medizinische Literatur bei den Patienten auch für Neoplasien wie Astrozytome, Granulosazelltumore und Pankreaskarzinome an.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose auf eine Enchondromatose stellt der Arzt in der Regel über konventionelle Röntgenbilder. Die betroffenen Skelettanteile zeigen auf diesen Bildern multiple Enchondrome, die als zystische Auftreibungen ohne Randsklerose imponieren. Abhängig vom Alter der Läsionen können Verkalkungen vorliegen.

Außerdem können Frakturen in den betroffenen Skelettanteilen ein wichtiger Hinweis sein. Falls zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits Verdacht auf maligne Entartung besteht, muss dieser Verdacht weiter abgeklärt werden. Dazu ist eine Biopsie erforderlich, die eine histopathologische Untersuchung ermöglicht.

Die Prognose hängt für Patienten mit Enchondromatose vor allem von eventuell eintretenden Entartungen und deren rechtzeitiger Identifizierung ab. Je früher der Beginn der Erkrankung, desto schwerwiegender häufig auch der Verlauf.

Komplikationen

Bei der Enchondromatose kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen, die vor allem vom weiteren Wachstum der Tumore in den Knochen einhergehen. Auch die anderen Wachstumsstörungen am Körper und die Fehlbildungen können den Alltag des Patienten relativ stark erschweren und die Lebensqualität verringern. Der Betroffene leidet in der Regel nicht an Schmerzen.

Die Tumore selbst wachsen auch nur bis zum Ende des Wachstums im Kindesalter, wobei dieses allerdings beeinträchtigt ist. Es können verschieden Deformationen am Skelett auftreten, die an unterschiedlichen Stellen zu unterschiedlichen Komplikation führen. Meistens werden die Fehlbildungen von Bewegungseinschränkungen begleitet. #

Bei der Behandlung selbst kommt es zu keinen Komplikationen. Der Patient muss sich allerdings auf häufige und regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt einstellen, um mögliche Folgeschäden zu vermeiden. Bei starken Fehlbildungen oder der Ausbreitung der Tumore können operative Eingriffe eingesetzt werden. In der Regel verlaufen diese positiv.

Je früher die Tumore behandelt werden, desto höher sind die Chancen auf eine vollständige Heilung. Die Bewegungseinschränkungen können mit Hilfe einer Physiotherapie behandelt werden. Bei einer frühzeitigen Untersuchung und Behandlung wird die Lebenserwartung des Betroffenen nicht verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eltern, die bei ihrem Kind Frakturen, Deformierungen oder Wachstumsstörungen bemerken, sollten einen Arzt konsultieren. Diese Symptome deuten auf eine ernste Erkrankung hin, die diagnostiziert und unter Umständen behandelt werden muss. Ob es sich dabei um eine Enchondromatose handelt, kann nur ein Mediziner feststellen.

Sollten sich schwerwiegende Komplikationen einstellen, ist eine sofortige Abklärung durch den Orthopäden oder einen Facharzt für Tumorerkrankungen erforderlich. Klagt das Kind also über Knochenschmerzen, neurologische Störungen oder Bewegungseinschränkungen, muss umgehend ein Arzt hinzugezogen werden.

Während und nach der Behandlung sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen in der Klinik angezeigt, denn nur durch eine engmaschige Überwachung können Folgeschäden zuverlässig vermieden werden. Sollten sich Rezidive bilden, also erneut Tumoren auftreten, bedarf dies einer sofortigen Abklärung durch den zuständigen Arzt.

Bei Begleitbeschwerden wie Gelenkverschleiß, Fehlstellungen, neurologischen Beschwerden oder Knochenerkrankungen muss der entsprechende Facharzt aufgesucht werden. Begleitend dazu empfiehlt sich, abhängig vom Ausmaß der Enchondromatose, eine physiotherapeutische Behandlung. In Einzelfällen ist auch eine therapeutische Beratung sinnvoll.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Behandlungsmöglichkeit existiert für Patienten mit Enchondromatose nicht. In Zukunft können genetherapeutische Ansätze möglicherweise Abhilfe schaffen, diese Ansätze haben bislang aber nicht die klinische Phase erreicht. Grundsätzlich wird der Enchondromatose vor allem mit supportiven Maßnahmen wie Kontrolluntersuchungen begegnet.

Nicht jedes Enchondrom muss histologisch untersucht werden. Stellt sich bei der Kontrolluntersuchung einer der Tumore aber als verdächtig heraus, muss eine Histologie erfolgen. Mögliche Entartungen lassen sich auf diese Weise frühzeitig entdecken und gegebenenfalls behandeln. Neben den regelmäßigen Kontrollen erhalten Patienten mit Enchondromatose im Grunde nur bei Komplikationen eine symptomatische Behandlung.

Pathologische Frakturen sowie Schmerzen und Wachstumsstörungen erfordern chirurgische Eingriffe. Bei Fehlstellungen ist zum Beispiel eine Umstellungsoperation angezeigt, um Fehlbelastungen und damit verbundenen Folgebeschwerden vorzubeugen. Bei Umstellungsoperationen handelt es sich in der Regel um relativ aufwendige Operationen.

Das Erfordernis von wiederholten Eingriffen ist zur Korrektur von Fehlstellungen denkbar. Außerdem wird nach derartigen Operationen die konsequente Physiotherapie zu einem unbedingt erforderlichen Behandlungsschritt. Rufen die Läsionen oder die Fehlstellungskorrekturen stärkere Schmerzen hervor, so bietet sich eine kurzweilige Behandlung mit schmerzlindernden Medikamenten an.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der Enchondromatose ist ungünstig. Die Erkrankung hat genetische Ursachen, die nicht heilbar sind. Da eine Veränderung der Genetik aus rechtlichen Gründen nicht gestattet ist, kann die Behandlung nur auf symptomatischer Ebene stattfinden.

Fehlstellungen und Fehlbildungen werden durch chirurgische Eingriffe korrigiert. Trotz aller Bemühungen wird dabei meist keine vollständige Beschwerdefreiheit erreicht. Darüber hinaus sind bei vielen Patienten aufgrund des natürlichen Wachstumsprozesses mehrere Operationen notwendig, um eine Optimierung des Bewegungsapparates zu erzielen. Bei der Prognosestellung ist zu berücksichtigen, dass operative Eingriffe grundsätzlich mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind. Es können Komplikationen auftreten, die zu einer weiteren Verschlechterung der Prognose führen.

Neben den Veränderungen des Skelettsystems verursacht die Enchondromatose die Entstehung von Tumoren. In einer medizinischen Versorgung werden diese engmaschig überwacht und bei Entartung entfernt. Im Verlauf des Wachstumsprozesses kommt es bei den Erkrankten zu einer Neubildung der Gewebeveränderungen. Die Wiederkehr der Tumore sorgt bei Kindern und Jugendlichen für emotionale und seelische Probleme. In schweren Fällen kann es zu Folgeerkrankungen kommen. Entstehen psychische Störungen, verschlechtert dies die Gesamtprognose zusätzlich.

Ohne eine medizinische Betreuung erleidet der Betroffene starke Schmerzen und Unregelmäßigkeiten des Bewegungsapparates. Es sind lebenslange Beeinträchtigungen zu erwarten, die zu einer stark eingeschränkten Lebensqualität führen.


Vorbeugung

Bislang wurden zwei unterschiedliche Mutationen entdeckt, die scheinbar mir der Pathogenese der Enchondromatose zusammenhängen. Welche äußeren Faktoren für die Mutationen verantwortlich sind, bleibt bislang ungeklärt. Daher stehen für die Knochenerkrankung bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine präventiven Maßnahmen zur Verfügung. Vorbeugemaßnahmen sind erst nach der abschließenden Klärung der Pathogenese und Ätiologie zu erwarten.

Nachsorge

Bei einer Enchondromatose sind die Möglichkeiten der Nachsorge in den meisten Fällen stark eingeschränkt, da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Aus diesem Grund steht dabei die frühzeitige Diagnose und auch die frühzeitige Behandlung der Enchondromatose im Vordergrund, um weitere Komplikationen zu verhindern. Auch nach einer erfolgreichen Behandlung der Krankheit sollte sich der Betroffene regelmäßig untersuchen lassen, um weitere Tumore schon früh zu erkennen und zu entfernen.

Sollte beim Betroffenen ein Kinderwunsch bestehen, kann auch eine genetische Beratung und Untersuchung sinnvoll sein, um eventuell das Vererben der Krankheit an die Nachfahren zu vermeiden. In den meisten Fällen werden die Beschwerden mit Hilfe von operativen Eingriffen gelindert. Nach der Entfernung der Tumore sollte sich der Betroffene dabei immer ausruhen und seinen Körper auch schonen.

Hierbei ist von anstrengenden Tätigkeiten oder von anderen stressigen oder sportlichen Betätigungen abzusehen, um den Körper nicht unnötig zu belasten. Auch die intensive und liebevolle Pflege durch die eigene Familie und durch Freunde kann dabei die Heilung unterstützen. Ob es durch die Enchondromatose zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht universell vorhergesagt werden.

Das können Sie selbst tun

Echondromatose verursacht multiple knorpelartige Tumore an den Knochen. Bei den Betroffenen entstehen durch das genetisch bedingte Symptom bereits im Kleinkindalter Wachstumsstörungen, die sich zudem in Fehlstellungen und Frakturen äußern. Die Selbsthilfe erfolgt daher a priori seitens der Eltern für das Kind und umfasst insbesondere psychologisch wirkende Maßnahmen der Unterstützung, der liebevollen Zuwendung sowie der Einhaltung des klinisch erstellten Therapieplans.

Medizinisch muss eine regelmäßige sogenannte Entartungsüberwachung einzelner Tumore erfolgen, welche oftmals mehrere operative Eingriffe benötigen, auch um schwere körperliche Defizite so gut als möglich auszugleichen. Von Beginn an sollten die Eltern ihrem betroffenen Kind eine konsequente Physiotherapie ermöglichen und auch zu Hause die Übungen befolgen.

Durch die Medikamentengaben und den zahlreichen Aufenthalten in der Klinik wird der Immunhaushalt der betroffenen Kinder und Heranwachsenden beeinträchtigt. Daher ist eine gesunde, vitaminreiche und omega-3-fettsäurehaltige Kost sowie ausreichend Bewegung an der frischen Luft eine wertvolle Ergänzung.

Insbesondere ein intaktes wohlbehütetes Familienleben hilft betroffenen Kindern, sich mit den Umständen der Echondromatose im Übergang zur Adoleszenz auseinanderzusetzen. Dahingehend sollte ein regulierender Tagesablauf mit Massagen und dem Besuch einer Ergo- und Psychotherapie angestrebt werden. In der Selbsthilfe haben Eltern die Möglichkeit Methoden der Akupressur zu erlernen, um ihren Kindern auftretende Schmerzen im Alltag zu erleichtern.

Quellen

  • Debrunner, A.M.: Orthopädie/Orthopädische Chirurgie. Huber, Bern, 2005
  • Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Strauss, A.: Ultraschallpraxis. Springer, Berlin 2008

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