Embryonale Kopfentwicklung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als embryonale Kopfentwicklung werden die Schädelentwicklung, die Differenzierung der Schlundbögen-Anlagen und die Entwicklung des kraniofazialen Systems zusammengefasst. Die Schädelentwicklung bildet vor allem die knöcherne Schädelbasis, während sich aus den Schlundbögen Organe bilden. Entwicklungsstörungen verursachen Dysplasien (sichtbare Fehlbildungen).

Inhaltsverzeichnis

Was ist die embryonale Kopfentwicklung

Die Kopfentwicklung des Embryos ist ein mehrphasiger Prozess, während dem sich neben dem Kopf und dessen Strukturen auch der embryonale Hals entwickelt.

Die Kopfentwicklung des Embryos ist ein mehrphasiger Prozess, während dem sich neben dem Kopf und dessen Strukturen auch der embryonale Hals entwickelt. Die Entwicklungsphasen entsprechen der Schädelentwicklung, der Differenzierung von Schlundbögen und der Ausdifferenzierung des kraniofazialen Systems. Das Basiselement für die embryonale Anlage des Kopfes und des Halses bilden dabei die Schlundbögen und die para- und prächordalen Knorpel, die an den obersten Somiten angelegt sind.

Die Realisierung der Entwicklungsschritte erfolgt auf genetischer Basis. Die zuständigen Gene sind an die Homeobox-Gene gekoppelt. Für den Schädel an sich sind als Ausgangsmaterialien die Neuralleiste, das paraxiale Mesoderm, die Okzipitalsomiten und die zwei oberen Schlundbögen relevant. Aus den Schlundbögen differenzieren sich der Kauapparat, die Gehörknöchelchen, die mimische Muskulatur, das Zungenbein, der Kehlkopf und Teile der Arterien. Die Entwicklung des kraniofazialen Systems entspricht einer gesichtsstrukturellen Entwicklung aus den vorher angelegten Gesichtswülsten.

Funktion & Aufgabe

Zwischen der Schädelkapselentwicklung und der Entwicklung der Hirnhäute besteht ein enger Zusammenhang. In der sechsten Woche der Embryonalentwicklung ist die Anlage für das Gehirn von verdichteten Mesenchymzellen umgeben. Das äußere Blatt wird zur Dura mater encephali verdichtet. Aus dem inneren Blatt entsteht die Leptomeninx. Im Abschnitt der Hirnbasis werden aus der Meninx primitiva die Vorknorpelzellen des Chondrocraniums. Außerdem entstehen Desmocranium-Osteoblasten. Der vorgebildete Teil des Schädels ist knorpelig und wird Chondrocranium genannt. Nach der Verknöcherung entspricht dieser Abschnitt der Schädelbasis.

Ein Teil des Schädels ist mesenchym angelegt. Dieses sogenannte Desmocranium wird zum Schädeldach verknöchert und bildet einen Großteil an Knochen, die im Viszerocranium liegen. Chondrale und desmale Herkunft haben die Squama occipitalis und die Pars squamosa ossis temporalis.

Die Schädelbasis entsteht im Rahmen der Embryonalentwicklung vor allem durch Prozesse der chondralen Ossifikation, die sich am Chondrocranium abspielen. Die Kalotte des Schädels hat ihren Ursprung in desmaler Ossifikation auf Basis des Desmocraniums. Die knorpelige Schädelbasis bildet sich aus Anlagematerial der Chorda dorsalis. Die Basis dessen bilden prächordal paarig mittige Knorpel und ihre seitlichen Knorpelpaare aus Alae temporales und orbitales.

Die Basalplatte des Schädels entsteht am vorderen Ende der Chorda dorsalis. An der gegenüberliegenden Seite entstehet die paarige Ohrkapsel, die später das Innenohr aufnimmt. Die Basalplatte erhält Anschluss an okzipitale Somiten, die an der Entwicklung des Foramen magnum beteiligt sind. Reste von Knorpel aus den Ossifikationszentren bleiben bis in die Pubertät im Clivus erhalten. Einige Schädelteile bleiben ein Leben lang knorpelig, so beispielsweise das Nasenseptum.

Im Bereich des Desmocraniums baut sich eine gegenläufige Interaktion der knochenbildenden Osteoblasten und knochenabbauenden Osteoklasten auf, die eine breitgefächerte Ossifikation ermöglicht. So können die komplizierten Formverhältnisse und Längenverhältnisse der einzelnen Schädelknochen entstehen.

Als Suturen werden die Kontaktstellen der aufeinander-zuwachsenden Schädelplatten bezeichnet, die Knochennähte entstehen lassen. Die Nähte verknöchern meist postnatal. Das Schädeldach kann sich daher formgerecht ausdehnen. An den Berührungsstellen sind an Neugeborenen große Deckknochenplatten und bindegewebige Lücken auszumachen, die als Fontanellen bezeichnet werden.

An diese Schädelbildungsprozesse schließt sich die Schlundbogen-Differenzierung an. Die Entwicklung setzt im Alter von vier oder fünf Wochen ein. Im ventrolateralen Kopfbereich liegen in der fünften Woche vier ektodermale Einsenkungen, die als Kiemenfurchen bezeichnet werden. Vier Schlundtaschen des Entoderms wachsen innen diesen Kiemenfurchen entgegen. Diese Prozesse teilen das mesodermale Gewebe in vier Schlundbögen auf. Der kaudale, fünfte Schlundbogen ist schlechter differenziert und bildet sich alsbald zurück. Alle Schlundbögenen werden zu Knorpelelementen oder Muskelanlagen, denen je ein Schlundbogennerv und eine Schlundbogenarterie zugeordnet ist.

Die entodermal inneren Schlundtaschen bildet einzelne Organe der Kopf- und Halsregion. Unter den ektodermal äußeren Schlundfurchen entsteht nur aus der ersten ein Organ, das zum äußeren Gehörgang und einem Trommelfellanteil wird. Die Halsbucht macht eine Wanderungsbewegung nach kaudal durch und wandert in Richtung des zweiten Schlundbogens, sodass sich ein Hohlraum mit Wiederverschluss am seitlichen Hals bildet.

Die daran anschließende Entwicklung des kraniofazialen Systems fokussiert auf die Anlage der Gesichtswülste. Die Vorderhirnbläschens dehnen sich aus und umgrenzen gemeinsam mit dem ersten Schlundbogen und dem Herzwulst den Kopfbereich und die Mundbucht des Kindes. Die Mundbucht ist von der Mundrachenmembran verschlossen, die später einreißt und den Vorderdarm mit der Amnionhöhle verbindet. In der vierten Woche bildet sich ein ektodermal überzogenes Polster aus Mesenchym, von dem die medio-kranialen Stirnnasenwulste und die Ober- und Unterkieferwülste ausgehen.

Die erste Differenzierung der Gesichtswülste erfolgt durch eine ektodermale Verdickung, die an den Stirn-Nasenwulst-Enden die Riechplakode entstehen lässt. Die Proliferation des Mesoderm macht daraus die Riechgrübchen und die Riechsäckchen und gliedert außerdem beidseitig einen mittleren von einem seitlichen Nasenwulst ab. Danach trennt die Tränen-Nasenfurche den seitlichen Nasenwulst vom Oberkieferwulst. Die Einsprießung des Oberflächenepithels unterstützt die Tränensack- und Tränennasengangentwicklung. Aus den seitlichen Nasenwülsten bilden sich die Nasenflügel.

Das Zwischenkiefersegment wird durch die aufeinander zuwachsenden, mittleren Nasenwülste gebildet und fügt sich in die paarige Oberkiefer-Gaumenanlagen ein. Nach dem Zusammenwachsen der Elemente bildet sich ein Nasenrücken. Der Canalis incisivus bleibt als Nahtstelle offen.

Die Augenanlagen erfahren eine Frontalisierung. Aus dem Halsbereich wandern die Anlagen für das äußere Ohr in kraniale Richtung. Der Oberkieferwulst schiebt sich zur selben Zeit am seitlichen Nasenwulst vorbei und verschmilzt mit dem mittleren Nasenwulst. Aus dem Oberkieferwulst entstehen die seitliche Oberlippe, der Oberkiefer und die paarig sekundäre Gaumenanlage. Die medial verschmolzenen Oberkieferwülste lassen die Basis der Unterlippe und der desmalen Mandibula entstehen. Die lateralen Kiefer- und Oberwülste fusionieren, sodass sich die breite Stomatodeum-Öffnung zu einem definierten Mund einengt.


Krankheiten & Beschwerden

Embryonale Entwicklungsstörungen ab der vierten Woche der Embryonalentwicklung können verschiedene Fehlbildungssyndrome verursachen, indem sie die Kopfentwicklung stören. Einige dieser Störungen haben genetische Ursachen und stehen mit Mutationen im Zusammenhang. Andere werden durch äußere Faktoren wie Giftexposition oder Mangelernährung während der Schwangerschaft begünstigt.

Störungen in der Desmokranium-Entwicklung können zum Beispiel einer frühzeitigen Verknöcherung der einzelnen Suturen entsprechen. Dieses Phänomen ist als Kraniosynostose bekannt und lässt deformierte Schädelformen entstehen, so beispielsweise den Turmschädel, den Spitzschädel, den Kahnschädel, den Dreiecksschädel oder den Schiefschädel. Einige Schädeldysplasien gehen mit geistigen Entwicklungsverzögerungen oder geistiger Behinderung einher, so zum Beispiel die frühzeitige Verknöcherung aller Suturen, die das Gehirn des Patienten einengt und an der Ausdehnung hindert.

Falls die Entwicklungsstörung nicht einer Störung der Schädelentwicklung, sondern einer Störung der Schlundbögen-Entwicklung entspricht, können sich ebenfalls schwerwiegende Symptome einstellen. Aus Überbleibseln des Sinus cervicalis laterale können sich beispielsweise Halsfisteln entwickeln, die in den Rachenraum hinabreichen oder blind enden.

Andere Symptome liegen bei tatsächlichen Fehlbildungssyndromen wie dem Goldenhar-Syndrom vor, das eine okulo-aurikulo-vertebrale Dysplasie hervorruft. Dieses Syndrom wird durch kombinierte Anomalien am ersten und zweiten Schlundbogen verursacht und geht leitsymptomatisch mit einem unterentwickelten Kiefer und hypoplastischer Ohrregion einher.

Vergesellschaftet sind diese Fehlbildungen mit Dysplasien der Halswirbelsäule. Auch eine gestörte Entwicklung des kraniofazialen Systems kann offensichtliche Fehlbildungen zur Folge haben. Wenn die mittleren Nasenwulste zum Beispiel nur unvollständig mit dem Oberkieferwulst fusionieren, entsteht eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Die Spaltbildungsstörungen können Anomalien wie die quere Gesichtsspalte oder die Unterkiefer-Lippenspalte zur Folge haben. Das klinische Bild von Störungen während der embryonalen Kopfentwicklung ist dementsprechend vielseitig.

Quellen

  • Alberts, B., u. a.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Auflage. Wiley-VCH., Weinheim 2003
  • Lodish et al.: Molekulare Zellbiologie. 4. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2001
  • Weyerstahl, T., Stauber, M.: Gynäkologie und Geburtshilfe, duale Reihe. Thieme, Stuttgart 2013

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