Embryofetopathia diabetica

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein mütterlicher Diabetes mellitus – in der Medizin als Embryofetopathia diabetica bekannt – bedingt während einer Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für vor- und nachgeburtliche Komplikationen beim Kind. Dabei ist vor allem das Ausmaß der Blutzuckerentgleisung sowie deren Beginn während der Schwangerschaft von Bedeutung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Embryofetopathia diabetica?

Typische Symptome eines Diabetes mellitus sind starker Durst, trockene Haut, vermehrter Harndrang und Müdigkeit.
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Die Embryofetopathia diabetica bezeichnet eine pränatale Entwicklungsstörung des Ungeborenen, die durch einen schlecht eingestellten, unerkannten oder im Rahmen der Schwangerschaft entgleisten Diabetes mellitus der Mutter verursacht wird. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Auftretens der erhöhten Blutzuckerwerte kann es zu verschiedenen Komplikationen beim Kind kommen.

Während der Embryonalzeit (Frühschwangerschaft) werden beim Kind die Organe angelegt. Zudem bilden sich Arm- und Beinknospen. Treten zuckerbedingt in dieser Zeit Störungen auf, können teils schwere Fehlbildungen die Folge sein. Diese bezeichnet man auch als Embryopathia diabetica. Zwei Drittel der diabetes-assoziierten Fehlbildungen betreffen das Herz-Kreislauf- sowie das Nervensystem.

Auch Fehlgeburten treten in dieser Zeit bei stoffwechselentgleisten Müttern häufiger als bei gesunden Schwangeren auf. Als Fetopathia diabetica werden dagegen die Folgen erhöhter mütterlicher Glukosespiegel beim Ungeborenen in der Fetalperiode (ab 9. Woche nach Befruchtung) bezeichnet. Über die Plazenta kommt es auch beim Feten zu erhöhten Blutzuckerwerten mit nachfolgender gesteigerter Insulinproduktion.

Ursachen

Bei der Stoffwechselstörung der Mutter kann es sich zum einen vorbestehenden Diabetes mellitus handeln. Hierbei wird zwischen einem Typ 1 und einem Typ 2 unterschieden. Während es sich beim Diabetes mellitus Typ 1 um eine Autoimmunerkrankung mit schrittweiser Zerstörung der Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse handelt, liegt dem Typ 2 eine Insulinresistenz zugrunde.

Das eigentlich in der Menge hinreichend vorhandene Insulin erzielt keine ausreichende Wirkung mehr. Zum anderen kann eine Embryofetopathia diabetica auch durch einen erstmalig in der Schwangerschaft aufgetretenen Diabetes, dem sogenannten Schwangerschaftsdiabetes (= Gestationsdiabetes), verursacht werden. Dieser tritt meist ab der 24. Schwangerschaftswoche und mit zunehmender Häufigkeit auf.

Unabhängig von der Ursache führen die erhöhten Blutzuckerwerte der Schwangeren über die Plazenta auch zu erhöhten Glukosespiegeln im fetalen Blut. Der Fötus produziert gegenregulierend viel Insulin. Dieses hat neben seiner blutzuckersenkenden auch eine wachstumsfördernde Wirkung. Hierdurch kommt es zu einem unverhältnismäßigen Wachstum des ungeborenen Kindes.

Geburtsverletzungen werden so begünstigt. Weitere Folgen der sogenannten Hyperinsulinämie können unter anderem eine gestörte oder verzögerte Lungenreife oder auch eine vermehrte Produktion roter Blutkörperchen beim Kind mit nachfolgend krankhaft erhöhter Blutviskosität sein. Weiterhin ist das Risiko einer Frühgeburt erhöht.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Typische Symptome eines Diabetes mellitus sind starker Durst, trockene Haut, vermehrter Harndrang und Müdigkeit. Teils kommt es auch zum Gewichtsverlust oder erhöhter Infektanfälligkeit. Die Symptome können in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sein.

Häufig bleibt der Diabetes mangels Schmerzen jedoch lange unentdeckt. Sonographische Hinweise auf eine Embryofetopathia diabetica können vermehrte Fruchtwasserbildung (Polyhydramnion), vergrößerter oder vergleichsweise zu schnell zunehmender fetaler Bauchumfang sowie das Vorliegen diabetes-assozierter Fehlbildungen sein.

Diagnose

Besonderer Bedeutung kommt daher der Schwangerschaftsvorsorge mit regelmäßigen Blut-, Urin- und Ultraschalluntersuchungen zu. Vor der 24. SSW sollte bei vorhandenen Risikofaktoren gezielt ein manifester Diabetes mellitus ausgeschlossen werden. Weiterhin sollte bei jeder schwangeren, bisher nicht unter einen Diabetes leidenden Patientin zwischen der 24. und 28. SSW ein oraler Glukosetoleranztest standardisiert mit 75 Gramm Glukose durchgeführt werden.

Komplikationen

Eine Embryofetopathia diabetica gehört zu den pränatalen Entwicklungsstörungen. Die Ursachen für das Symptom sind entweder eine nicht erkannte Diabetes mellitus bei der werdenden Mutter beziehungsweise eine mangelhaft eingestellte Diabetes-Variante. Bedingt durch den zu hohen Blutzuckerwert erfolgt über die Plazenta auch beim ungeborenen Kind eine gesteigerte Insulinproduktion.

Werden die Anzeichen des Symptoms wie extreme Müdigkeit, dauerhaftes Durstgefühl, trockene spannende Haut und ständiger Harndrang sowie unerklärlicher Gewichtsverlust und Infektanfälligkeit nicht von der werdenden Mutter ärztlich abgeklärt, kommt es zu erheblichen Schwangerschafts-Komplikationen. In der Embryonalzeit können Fehlbildungen an den Arm- und Beinknospen sowie Organschädigungen an Herz, Leber und Nieren entstehen.

Neonatale Anpassungsstörungen, verzögerte Lungenreife und eine verstärkte rote Blutkörperchenproduktion sind keine Seltenheit. Neben der Gefahr einer Fehl- oder Totgeburt fällt die Neugeborenen-Sterblichkeit höher aus. Zeigt das Neugeborene keine sichtbaren Fehlbildungen, wird es dennoch in den ersten Lebenstagen aufmerksam überwacht, da der Stoffwechsel verlangsamt anläuft.

Als weitere Komplikationsfolge einer Embryofetopathia diabetica gelten Geburtsverletzungen, wo das Neugeborene beim Geburtsvorgang mit einer Schulter im Geburtskanal stecken bleiben kann und zu ersticken droht. Wird während der Schwangerschaft eine Diabetes-Erkrankung festgestellt oder ist vorher bekannt, erfolgt die Überwachung der werdenden Mutter sowie der Geburtsprozess und die anschließenden Nachsorgeuntersuchungen in einer diabetisch ausgerichteten Klinik.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Hat eine werdende Mutter ein diffuses Gefühl einer gesundheitlichen Unstimmigkeit, sollte sie einen Arzt aufsuchen. Bei einer nicht rational erklärbaren Wahrnehmung von ungewöhnlichen Veränderungen bei sich oder dem ungeborenen Kind, ist es grundsätzlich ratsam, die Bedenken offen mit einem Arzt oder einem Geburtshelfer zu besprechen. Treten Ängste, panische Verhaltenszüge, Unsicherheiten oder grübelnde Gedanken auf, ist ein Arztbesuch nötig. Dies gilt insbesondere, wenn die Beschwerden über längere Zeit unvermindert anhalten oder an Intensität zunehmen.

Kommt es zu einem plötzlichen starken Durstempfinden, einer anhaltenden Müdigkeit trotz ausreichendem sowie gesunden Schlaf oder einem nicht erklärbaren Harndrang, sollte eine ärztliche Untersuchung eingeleitet werden. Tritt ein ungewollter Verlust des Gewichts trotz einer ausreichenden und gehaltvollen Nahrungsaufnahme auf, gilt dies als besorgniserregend. Ein Arzt sollte konsultiert werden, um die Ursache für diese Entwicklung abzuklären. Wächst der Bauchumfang der schwangeren Frau in einer atypischen Weise zur Schwangerschaftsentwicklung an, ist ein Arzt aufzusuchen.

Bei einem Krankheitsgefühl, Veränderungen der Gemütslage sowie Verhaltensauffälligkeiten, die sich nicht mit einem normalen Verlauf der Schwangerschaft erklären lassen, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Leidet die werdende Mutter trotz eines ausreichendes Schutzes sowie entsprechender Vorsichtsmaßnahmen unter einer starken Infektanfälligkeit, sollten diese Beobachtungen mit einem Mediziner besprochen werden.

Behandlung & Therapie

Ist die Diagnose gestellt, gilt es den maternalen Glukosestoffwechsel als Ursache der embryofetalen Störung schnellstmöglich weitestgehend zu normalisieren. Die Art der Therapie ist abhängig vom Typ der mütterlichen Diabetes-Erkrankung. Typ-1-Diabetikerinnen müssen neben einer optimalen Ernährung immer Insulin spritzen.

Bei Typ-2-Diabetikerinnen und an Gestationsdiabetes erkrankten Müttern kann in Abhängigkeit der Schwere der Zuckerentgleisung zunächst eine rein diätetische Behandlung versucht werden. Bei unzureichender Wirkung ist auch hier eine Insulintherapie angezeigt. Als Therapieerfolgskontrolle beim Kind wird der sonographisch gemessene Bauchumfang genutzt.

Allen Diabeteserkrankungen gemeinsam ist die unbedingt notwendige Diabetesschulung der Mütter. In dieser sollen sie die Blutzuckerselbstkontrolle mithilfe von Zuckermessgeräten sowie die Grundlagen einer ausgewogenen Ernährung erlernen. Die Geburt sollte bei diätetisch eingestellten Diabetikerinnen in einer in der Behandlung diabetischer Mütter und ihrer Kinder erfahrenen Klinik erfolgen.

Schwangere mit einem Insulin-pflichtigen Diabetes müssen gemäß der aktuellen Leitlinien in einem Perinatalzentrum Level 1 oder 2 entbunden werden. Die Entbindung sollte spätestens zum Termin erfolgen. Bei makrosomen Kindern mit einem Schätzgewicht von 4500 Gramm sollte der primäre Kaiserschnitt empfohlen werden.

Ziel ist hierbei die Vermeidung von Geburtsverletzungen wie der Schulterdystokie sowie durch einen Geburtsstillstand verursachten fetalen Sauerstoffmangel. Die Behandlung des Neugeborenen erfolgt zusätzlich zur neonatalen Routinetherapie entsprechend der auftretenden Komplikationen. Die quantitativ häufigste ist die Hypoglykämie (Unterzuckerung).

Neugeborene diabetischer Mütter müssen daher engmaschig überwacht werden. Bei Bedarf muss zusätzlich zum konsequenten Anlegen oder zur Frühfütterung eine intravenöse Glukosegabe erfolgen. Falls Symptome eines Kalzium- oder Magnesiummangels auftreten, muss auch dieser mittels Kalzium- oder Magnesiumsubstitution behandelt werden.

Neugeborene mit erhöhter Blutviskosität sollten überwacht und ausreichend mit Flüssigkeit versorgt werden. Je nach Ausprägung kann eine Infusionstherapie notwendig werden. Eine möglicherweise auftretende Kardiomyopathie sollte ebenfalls überwacht und bei auftretenden Symptomen unterstützend mittels Flüssigkeitsgabe sowie medikamentöser Therapie behandelt werden.

Aussicht & Prognose

Die Embryofetopathia diabetica ist keine heilbare Erkrankung. Sie tritt ausschließlich bei werdenden Müttern auf und muss engmaschig von den Ärzten betreut und überwacht werden. Bei einer ausreichenden medizinischen Versorgung, kann sich eine gute Prognose abzeichnen. Die Entwicklung des ungeborenen Kindes wird intensiv begleitet, bis meist eine im Vorfeld geplante Entbindung stattfindet. Im Anschluss finden ebenfalls mehrfache Kontrolluntersuchungen des Säuglings statt, damit bei Auffälligkeiten unverzüglich gehandelt werden kann.

Während der Schwangerschaft muss die werdende Mutter verschiedene Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Eine medikamentöse Behandlung findet über den gesamten Zeitraum statt. Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Verschiedene Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung treten ein und oftmals wird eine vorzeitige stationäre Aufnahme der schwangeren Frau empfohlen. Für eine gute Aussicht der weiteren Entwicklungen ist eine spezielle Diät notwendig.

Treten während der Gestation Komplikationen auf, verschlechtert sich die Prognose. Organschäden, eine Frühgeburt oder Verletzungen bei der Geburt sind möglich. Es kann ein Sauerstoffmangel des Säuglings eintreten, der zu irreparablen Schäden führt. In schweren Fällen kommt es zum Ableben des Kindes.

Wird keine oder eine unzureichende medizinische Versorgung in Anspruch genommen, ist die Prognose ungünstig. Das Risiko einer Fehlgeburt ist deutlich erhöht. Zudem sind Fehlbildungen möglich, die die Lebensqualität zusätzlich herabsetzt.


Vorbeugung

Die Embryofetopathia diabetica wird durch einen schlecht eingestellten, schwangerschaftsbedingt entgleisten oder bisher unentdeckten Diabetes mellitus der Mutter verursacht. Die Schwere der Folgen korrelieren mit dem Ausmaß und der Dauer der erhöhten Blutzuckerwerte.

Die konsequente Therapie eines vorbestehenden Diabetes sowie das gezielte und frühzeitige Gestationsdiabetesscreening mit nachfolgender suffizienter Behandlung kann das Risiko der Folgeerkrankungen beim Kind senken. Schwangerschaften beim vorbestehenden Diabetes mellitus sollten möglichst geplant werden. Präkonzeptionell sollten normnahe Blutglukosewerte für mindestens drei Monate erzielt werden.

Nachsorge

Bei einer Embryofetopathia diabetica ist der Betroffene in der Regel immer zuerst auf eine intensive medizinische Behandlung angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu weiteren Beschwerden kommt. Je früher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf dieser Krankheit. Dabei kann allerdings nicht in jedem Fall eine vollständige Heilung der Embryofetopathia diabetica erreicht werden, sodass die Kinder nicht selten auch an Fehlbildungen oder an anderen Defekten leiden, die nach der Geburt behandelt werden müssen.

Im Vordergrund steht bei dieser Krankheit daher die frühzeitige Erkennung und die anschließende Behandlung der Defekte des Kindes. Die Beschwerden selbst werden dabei in Abhängigkeit ihrer Ausprägung mit Hilfe von Medikamenten und durch andere Therapien behandelt. In vielen Fällen sind die Betroffenen auf regelmäßige Untersuchungen angewiesen, um Komplikationen zu verhindern.

Die Frauen sind dabei in ihrem Alltag auf die Unterstützung des Partners und der Familie angewiesen, damit es nicht zu Depressionen oder zu anderen psychischen Verstimmungen kommt. Auch das Kind sollte nach der Geburt überwacht und regelmäßig von einem Kinderarzt untersucht werden. Über die Lebenserwartung des Kindes kann bei der Embryofetopathia diabetica keine allgemeine Voraussage getroffen werden.

Das können Sie selbst tun

Die werdende Mutter sollte bei einem diffusen Gefühl, dass etwas mit ihr oder ihrem ungeborenen Kind nicht stimmen könnte, unverzüglich einen Arzt konsultieren. Eine Kontrolluntersuchung ist dann anzuraten.

Darüber hinaus ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig. Trotz einer möglichen Gewichtsabnahme bei der Embryofetopathia diabetica innerhalb der Schwangerschaft, sollte die Lebensmittelzufuhr nicht zu zucker- oder fetthaltig sein. Hilfreich ist es, wenn die aufgenommene Nahrung gut kontrolliert und dokumentiert ist. Dies ist über digitale Programme leicht realisierbar und zeigt schneller Unregelmäßigkeiten auf.

Bei einer guten Ernährung und der Einhaltung einer empfohlenen Flüssigkeitszufuhr lassen sich auffällige Veränderungen einfacher nachweisen. Der Bauchumfang sollte regelmäßig eigenständig kontrolliert und mit den Normalwerten des Schwangerschaftsfortschritts zu vergleichen.

Eine werdende Mutter muss sich vor einer Infektionserkrankung stärker schützen. Der Kontakt mit Erkrankten in der Inkubationszeit ist zu vermeiden. Die Kleidung sollte den Wetterverhältnissen abgepasst ausgesucht und getragen werden. Die Vorsorgemaßnahmen vor Infektionen sind zu optimieren und zu verstärken. Hält die Schwangere diese Vorsichtsmaßnahmen ein und tritt dennoch eine Infektion auf, ist dies als Warnhinweis einzustufen.

Quellen

  • Hiort, O., Danne, T., Wabitsch, M. (Hrsg.): Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie. Springer, Berlin 2010
  • Lücke, N.: Diabetes mellitus. Compact-Verlag, München 2010
  • Weyerstahl, T., Stauber, M.: Gynäkologie und Geburtshilfe, duale Reihe. Thieme, Stuttgart 2013

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