Dravet-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Dravet-Syndrom
Hilfreiche Videos: MedLexi.de auf YouTube

Das Dravet-Syndrom bezeichnet eine sehr seltene und schwere Epilepsieform, bei der während des Verlaufs einer Epilepsie eine Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung auftritt. Die Krankheit beginnt meist vor dem ersten Lebensjahr, wobei Jungen häufiger vom Dravet-Syndrom betroffen sind als Mädchen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Dravet-Syndrom?

Kinder, die am Dravet-Syndrom erkrankt sind, leiden neben den Krampfanfällen oftmals an zusätzlichen Symptomen, die adäquat behandelt werden müssen.
© maniki – stock.adobe.com

Das Dravet-Syndrom ist dadurch geprägt, dass innerhalb des ersten Lebensjahres bei zunächst gesunden Kindern erstmalig epileptische Anfälle auftreten. Die Prognose hinsichtlich der geistigen Entwicklung des Kindes ist stets unterschiedlich. Meist handelt es sich um eine therapieresistente Epilepsieform, denn bei den am Dravet-Syndrom erkrankten Kindern kann es ein Leben lang zu den Anfällen kommen.

Dabei ist es möglich, dass das gesamte Hirn betroffen ist, in anderen Fällen sind es nur einzelne Areale. Zudem wird zwischen verkrampfenden, schlaffen und rhythmisch zuckenden Anfällen unterschieden, die allerdings auch in der Kombination auftreten können. Sie dauern oftmals besonders lange (meistens mehr als 20 Minuten).

Sie sind schwer zu durchbrechen. Selbst eine Notfallmedikation führt nicht immer zum Erfolg, sodass häufig eine notärztliche Intervention erforderlich wird. Die epileptischen Anfälle treten im Säuglings- und Kleinkindalter sehr häufig auf und werden mit einem zunehmenden Alter weniger.

Ursachen

Die Ursache der Erkrankung Dravet-Syndrom beruht bei 80 Prozent der Betroffenen auf einer Veränderung oder einem Verlust des Gens SCN1A. Dadurch ist keine normale Funktion des Gehirns mehr gewährleistet. Beim Dravet-Syndrom werden die Informationen zwischen den Nervenzellen nicht optimal übermittelt, was die epileptischen Anfälle und die verzögerte Entwicklung verursacht. Es handelt sich demzufolge um eine genetische Krankheit.

Das Dravet-Syndrom wird dennoch meist nicht durch ein Elternteil vererbt. Der häufigste Auslöser eines Anfalls ist bei kleinen Kindern ein schneller Wechsel der Umgebungstemperatur, beispielsweise warmes und kaltes Bad, heißes Klima, eine Veränderung der Körpertemperatur durch Fieber. Eine leichte Erhöhung der Körpertemperatur kann ebenfalls zu einem epileptischen Anfall führen. Weitere Auslöser sind ein Infekt, körperliche Anstrengungen, Übermüdung, eine Lichtempfindlichkeit, Aufregung, Lärm oder visuelle Reize. Beim Dravet-Syndrom ist es allerdings auch möglich, dass die Anfälle ohne Auslöser auftreten.

Hilfreiche Videos für Ihre Gesundheit: MedLexi.de auf YouTube
Hier klicken

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Kinder, die am Dravet-Syndrom erkrankt sind, leiden neben den Krampfanfällen oftmals an zusätzlichen Symptomen, die adäquat behandelt werden müssen. Dazu gehören Verhaltensauffälligkeiten wie Aufmerksamkeitsstörungen, autistische Züge, oppositionelles Verhalten, eine verzögerte Entwicklung der Sprache, eine Gangunsicherheit, Gleichgewichtsprobleme.

Auch orthopädische Probleme werden beobachtet, denn der niedrige Muskeltonus führt häufig zu Knick-Senk-Füßen und Skoliose. Weitere Symptome sind eine Hypotonie, chronische Infekte, Wahrnehmungsstörungen und Störungen des autonomen Nervensystems.

Ab dem zweiten Lebensjahr zeigt sich, dass die Entwicklung des Kindes verlangsamt ist. Die Sprache ist hierbei besonders betroffen. Auch hormonelle Veränderungen können auftreten, denn es ist sowohl ein früher als auch verspäteter Beginn der Pubertät möglich. Selten führt das Dravet-Syndrom zu unwillkürlichen Bewegungen und einer Steifheit.

Diagnose & Verlauf

Beim Verdacht auf das Dravet-Syndrom gestaltet sich die Diagnose zu Beginn schwierig, denn das EEG lässt anfangs keine eindeutigen Rückschlüsse zu. Auch die Kernspintomographie des Kopfes bleibt selbst im Verlauf oftmals unauffällig. Es zeigt sich jedoch, dass die psychomotorische Entwicklung des betroffenen Kindes in der Regel verzögert verläuft.

Daher werden Verhaltensauffälligkeiten festgestellt. Eine molekulargenetische Untersuchung kann zur Bestätigung herangezogen werden. Die Diagnose Dravet-Syndrom wird manchmal erst nach einem mehrjährigen Krankheitsverlauf gestellt, wenn die Symptome eindeutiger sind. Die Entwicklung der Erkrankung ist anfangs nicht vorhersehbar.

Grundsätzlich gilt: Je eher das Dravet-Syndrom erkannt wird, desto früher kann die passende Behandlung eingeleitet werden. Eine Überwachung im Schlaf ist meist von Vorteil, da ein zu schwerer Anfall, der unbemerkt bleibt, zum Tode führen kann. Letzten Endes ist der Verlauf von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Es gibt Krankheitsverläufe mit keiner oder einer milden kognitiven Beeinträchtigung, allerdings ist auch eine mittlere bis schwere geistige Behinderung möglich.

Komplikationen

In der Regel sind Jungen und Männer häufiger vom Dravet-Syndrom betroffen als Frauen. Dabei kommt es zu starken und frequentierenden epileptischen Anfällen. Durch die Anfälle wird auch die geistige Fähigkeit stark beeinträchtigt.

In vielen Fällen leiden die Patienten an Krampfanfällen, auch wenn kein epileptischer Anfall vorliegt. Die Anfälle führen zu einer Form des Autismus und zu Konzentrationsstörungen. Es können sich ebenso Störungen des Gleichgewichtes und Sprachstörungen entwickeln. In der Regel hängt die Entwicklung dieser Komplikationen von der Häufigkeit und der Schwere der epileptischen Anfälle ab.

Oft nimmt auch der Muskeltonus ab und es kommt zu den sogenannten Knickfüßen. Auch Wahrnehmungsstörungen treten außerhalb der epileptischen Anfälle auf. Diese Komplikationen schränken das Leben des Patienten erheblich ein und verringern die Lebensqualität. Oft werden die Kinder aufgrund der unwillkürlichen Bewegungen gemobbt oder gehänselt.

Das Dravet-Syndrom kann nicht ursächlich behandelt werden. Allerdings ist es möglich, die epileptischen Anfälle einzuschränken und damit die Schädigung des Körpers aufzuhalten. Oft kann eine Dokumentation der Anfälle den Auslöser aufklären. Die Lebenserwartung wird oft verringert. In vielen Fällen leiden auch die Eltern des Kindes an psychischen Beschwerden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei Krampfanfällen sollte grundsätzlich ein Arzt eingeschaltet werden. Zwar deutet ein Anfall nicht zwingend auf das Dravet-Syndrom hin, dennoch ist eine medizinische Abklärung der Ursachen notwendig. Sollte es in Verbindung mit Verhaltensauffälligkeiten oder einer verzögerten Sprachentwicklung immer wieder zu Anfällen kommen, handelt es sich womöglich um das Dravet-Syndrom – ein Fall für den Facharzt.

Grundsätzlich gilt: Je eher das Dravet-Syndrom diagnostiziert wird, desto früher kann mit der Behandlung begonnen werden. Zudem sollten betroffene Kinder rund um die Uhr überwacht werden, was meist nur in einer entsprechend ausgestatteten Klinik möglich ist. Das Dravet-Syndrom tritt häufig nach einem schnellen Wechsel der Umgebungs- oder Körpertemperatur auf.

Auch Infekte, Übermüdung, körperliche Anstrengung und Reize wie Lärm oder helles Licht können einen epileptischen Anfall auslösen. Wenn die genannten Symptome in Verbindung mit diesen Umständen auftreten, wird am besten am besten sofort der Notarzt gerufen. Sollten immer wieder milde Anfälle auftreten, ist ein Besuch im Epilepsiezentrum zu empfehlen.

Behandlung & Therapie

Sehr hilfreich für die Steuerung der geeigneten Therapie ist die Dokumentation der Anfälle. EPI-Vista ist ideal. Hierbei handelt es sich um ein Dokumentations- und Therapiemanagementsystem, das Internet-basiert und zu jeder Zeit nahezu überall abrufbar ist. Der Arzt hat somit auf einen Blick sämtliche behandlungsrelevanten Daten zu den Anfällen, der Medikation und dem Therapieverlauf im Überblick.

Zudem stellen die psychosozialen Aspekte der Krankheit für den Betroffenen und die Familie einen wichtigen Baustein der Therapie dar. Eine Anfallsfreiheit sowie eine normale Entwicklung des Kindes sind natürlich das hauptsächliche Ziel der Behandlung, allerdings ist dies beim Dravet-Syndrom derzeit leider nur schwierig zu erreichen.

Aufgrund der wechselnden Anfallsherde sowie der Tatsache, dass oftmals das gesamte Gehirn beteiligt ist, gibt es zudem keine epilepsiechirurgischen Behandlungsmöglichkeiten. Vor allem in den ersten Lebensjahren spielt eine wirksame medikamentöse Behandlung eine entscheidende Rolle.

Hier kommt häufig eine Kombination aus zwei bis drei Medikamenten zum Einsatz, die individuell auf die entsprechende Situation angepasst werden. Nicht alle Kinder mit einem Dravet-Syndrom reagieren gleich auf die Medikamente. Zudem gilt es, die Auslöser der Anfälle zu erkennen und zu vermeiden.

Aussicht & Prognose

Beim Dravet-Syndrom kommt es nicht zu einer Selbstheilung. Folglich sind die Betroffenen in jedem Fall auf eine ärztliche Behandlung angewiesen. Nur so können die Beschwerden gelindert und die Lebensqualität des Betroffenen erhöht werden.

Wird das Dravet-Syndrom nicht behandelt, so leiden die Patienten an starken Krampfanfällen und an epileptischen Anfällen. Diese können dabei im schlimmsten Falle auch zum Tode des Patienten oder zu irreversiblen Verletzungen führen. Ebenso kommt es zu Störungen beim Gehen und zu Gleichgewichtsproblemen. Auch die Entwicklung des betroffenen Kindes wird durch das Syndrom erheblich verzögert und eingeschränkt, sodass es zu Aufmerksamkeitsstörungen und zu Störungen im Erwachsenenalter kommt. Ebenso kann das Syndrom die Sprachfähigkeit des Patienten negativ beeinflussen und zu Sprachbeschwerden führen.

Durch eine Behandlung des Syndroms können die meisten dieser Beschwerden gelindert werden. Eine vollständige Heilung kann dabei nicht erreicht werden, sodass die Patienten in ihrem Leben immer auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind. Durch die Einnahme von Medikamenten und eine spezielle Förderung kann eine gewöhnliche Entwicklung stattfinden. Ob es durch das Dravet-Syndrom zu einer verringerten Lebenserwartung beim Patienten kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden.

Hilfreiche Videos für Ihre Gesundheit: MedLexi.de auf YouTube
Hier klicken

Vorbeugung

Um die Entwicklung des Dravet-Syndroms nicht oder wenig zu verschlechtern, ist es wichtig, alle Trigger, die zu einem Anfall führen können, zu beseitigen. Dies bedeutet beispielsweise, dass bei einem Fieberanstieg sofort fiebersenkende Mittel verabreicht werden und dass die Gradzahl des Badewassers 32 bis 35 Grad nicht überschreitet.

Beim Autofahren sollte das Kind etwas geschützt sein, da viele Betroffene den Wechsel zwischen Sonne und Schatten nicht vertragen. Das Gleiche gilt häufig für reflektierende Sonne, glitzernden Schnee und das zu dichte Sitzen vor dem Fernseher. Zudem sollte das Toben und im Allgemeinen Stress (auch positiver) in Grenzen gehalten werden. Jedes Kind ist anders, sodass beobachtet werden muss, worauf es mit einem Anfall reagiert.

Nachsorge

Beim Dravet-Syndrom stehen dem Patienten keine Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. In den meisten Fällen kann die Erkrankung auch nicht vollständig behandelt werden, sodass der Betroffene lediglich auf eine rein symptomatische Behandlung angewiesen ist. Auch die Lebenserwartung des Patienten ist durch diese Krankheit deutlich verringert.

Im Vordergrund steht daher zuerst die frühzeitige Erkennung und Behandlung des Dravet-Syndroms. Die Behandlung selbst erfolgt meist mit Hilfe von Medikamenten. Die Medikamente sollten dabei immer regelmäßig und nach ärztlicher Verordnung eingenommen werden. Bei Unklarheiten oder in Zweifelsfällen sollte dabei immer ein Arzt kontaktiert werden.

Sollte es durch das Dravet-Syndrom zu einem epileptischen Anfall kommen, so muss in der Regel sofort ein Krankenhaus aufgesucht oder direkt ein Notarzt gerufen werden. Falls bestimmte Auslöser für die epileptischen Anfälle dabei erkannt werden, sollten diese natürlich möglichst verringert oder vermieden werden.

Die Betroffenen des Dravet-Syndroms in ihrem Alltag auch auf die Hilfe und die Unterstützung durch Freunde und durch die Familie angewiesen. Dabei kann sich auch eine liebevolle Pflege positiv auf den weiteren Verlauf des Syndroms auswirken. In einigen Fällen ist jedoch die Lebenserwartung des Betroffenen durch das Syndrom verringert.

Das können Sie selbst tun

Beim Dravet-Syndrom handelt es sich um eine schwere Form der Epilepsie, die bereits bei Kindern unter einem Jahr auftritt und deren geistige Entwicklung beeinträchtigt. Die Krankheit ist bei der Mehrheit der Betroffenen genetisch bedingt und kann nicht ursächlich behandelt werden. Es gibt deshalb auch keine Selbsthilfemaßnahmen, die kausal wirken.

Das Dravet-Syndrom wird oft nicht sofort richtig diagnostiziert, da es sehr selten auftritt. Zudem sind die Anfälle im Frühstadium oft minderschwer und werden nicht immer ernst genommen. Die Patienten profitieren aber von einer zeitnahen adäquaten Behandlung des Syndroms. Eine der wichtigsten Selbsthilfemaßnahmen besteht deshalb darin, dass die Eltern betroffener Kleinkinder rechtzeitig einen Spezialisten hinzuziehen.

Die epileptischen Anfälle nehmen während der ersten Lebensjahre des Kindes in der Regel zu und können sehr schwere Formen annehmen. Es kommt durchaus vor, dass es bei den betroffenen Kindern zu Herz- oder Atemstillstand kommt und diese auf sofortige lebensrettende Maßnahmen angewiesen sind. Die Eltern und alle anderen Personen, die für die Betreuung des Kindes zuständig sind, sollten deshalb einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Darüber hinaus ist meist eine Überwachung des Kindes rund um die Uhr erforderlich, damit Anfälle nicht unentdeckt bleiben und tödlich enden.

Bei vielen Kindern gibt es Trigger, die die Anfälle auslösen. Dazu zählen oftmals Temperaturveränderungen, zum Beispiel beim Baden oder bei Fieber, grelles Licht oder der schnelle Wechsel von Licht zu Schatten. Eltern sollten ihr Kind beobachten und mögliche Trigger identifizieren, um solche Situationen soweit als möglich auszuschließen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Gleixner, C., Müller, M., Wirth, S.: Neurologie und Psychiatrie. Für Studium und Praxis 2015/16. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2015
  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012

Das könnte Sie auch interessieren