Dissoziale Persönlichkeitsstörung und Psychopathie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Betroffene der antisozialen oder dissozialen Persönlichkeitsstörung, kurz APS genannt, missachten in ihrem Verhalten soziale Normen und besitzen kein oder wenig Einfühlungsvermögen. Das Verhalten Betroffener kann nicht durch positive oder negative Verstärkung von Außen geändert werden, im Gegenteil wird Bestrafung Trotzreaktionen auslösen. Die Psychopathie ist eine schwere Form der antisozialen/dissozialen Persönlichkeitsstörung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die dissoziale Persönlichkeitsstörung?

Vor allem bei Kindern kann diese Störung die Entwicklung deutlich verzögern und einschränken. Viele Patienten leiden dabei an Wutausbrüchen oder an einem Zorn, der ohne einen besonderen Grund auftritt.
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Die antisoziale Persönlichkeitsstörung ist eine schwere Störung, die schon im Kindes- und Jugendalter mit Schulschwänzen, Vandalismus und häufigem Lügen in Erscheinung tritt.

Im Erwachsenenalter macht sich die antisoziale Persönlichkeitsstörung mit körperlich aggressivem Verhalten, finanziellen Problemen und sozialer Rücksichtslosigkeit bemerkbar.

Betroffene jeden Alters sind impulsiv, risikobereit, leicht reizbar und haben eine niedrige Frustrationstoleranz. Soziale Bindungen kommen aufgrund der fehlenden Empathie selten vor, Betroffene sind jedoch gute Manipulatoren.

Interessant ist, dass die Störung einerseits mit einer hohen Kriminalitätsrate verbunden ist, dass andererseits aber die antisoziale Persönlichkeitsstörung Studien zu Folge ein Karrieremotor sein kann.

Je nach Forschungsstand unterscheidet man die antisoziale von der psychopathischen Persönlichkeitsstörung, sieht diese als Extremfall der APS an oder bezeichnet beide als Synonyme.

Ursachen

Die Ursachen der antisozialen Persönlichkeitsstörung sind noch nicht ausreichend erforscht. Man kann jedoch von einem Zusammenspiel genetischer und sozialer Faktoren ausgehen, das die Problematik verursacht.

Der genetische Faktor konnte bei Zwillingsstudien belegt werden; so tritt die Störung bei eineiigen Zwillingen signifikant häufiger auf als bei zweieiigen. Adoptionsstudien mit Zwillingen bewiesen weiter, dass der genetische Faktor nur bedingend, nicht auslösend ist.

Feststellen ließen sich bei den meisten Betroffenen familiäre Probleme in der Kindheit, darunter ein Mangel an Liebe und Zuwendung, Vernachlässigung und körperliche oder emotionale Gewalterlebnisse und unzureichend orientierende Erziehungsmaßstäbe.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Diese Erkrankung ist mit schwerwiegenden psychischen Beschwerden verbunden, die sich sehr negativ auf den Alltag und auf die Lebensqualität des Patienten auswirken. In extremen Fällen kann es dabei auch zu Selbstmordgedanken und schließlich auch zu Selbstmord kommen, wenn die Erkrankung nicht richtig behandelt wird. In den meisten Fällen wirken die Betroffenen bei dieser Krankheit aggressiv und stark gereizt.

Vor allem bei Kindern kann diese Störung daher auch die Entwicklung deutlich verzögern und einschränken. Viele Patienten leiden dabei an Wutausbrüchen oder an einem Zorn, der ohne einen besonderen Grund auftritt. Dabei kommt nicht selten eine Zerstörungswut auf, sodass die Patienten auch andere Menschen verletzen oder Gegenstände zerstören können. Weiterhin treten Beschwerden beim Kontakt zu anderen Menschen auf, wobei die Betroffenen nur wenige soziale Kompetenzen aufweisen.

Auch das Empathievermögen ist bei dieser Erkrankung extrem verringert oder nicht vorhanden. Die Patienten handeln meistens egoistisch und denken dabei nur an ihr eigenes Wohlergehen. Häufig kommt es daher auch zu Lügen oder zum Verschweigen von verschiedenen Handlungen. Die Erkrankung wirkt sich daher auch negativ auf das Verhältnis zu den Angehörigen oder zum Partner des Betroffenen aus.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose in ICD10 und dem moderneren Klassifikationssystem DSM-IV zeigt bedeutende Unterschiede, unter anderem gibt das DSM-IV eine Altersgrenze ab 18 Jahren vor und spricht es von antisozialer, ICD10 von dissozialer Persönlichkeitsstörung.

Psychiatrien nutzen häufiger das DSM-IV zur Diagnostik, so dass im Folgenden ein kurzer Überblick über die dort genannten Diagnosekriterien erfolgen soll.

1. Der Betroffene zeigt seit dem 15. Lebensjahr ein starkes Muster, die Rechte Anderer zu missachten, hierbei wird in sieben Kriterien unterschieden.

2. Die Diagnose kann erst gestellt werden, wenn der Betroffene 18 Jahre und älter ist.

3. Ein gestörtes Sozialverhalten im Sinne der Dissozialität trat bereits vor dem 15. Lebensjahr auf.

4. Das antisozialen Verhalten darf nicht in episodischem Zusammenhang mit Schizophrenie oder Manie stehen.

Über den Verlauf der antisozialen Persönlichkeitsstörung lassen sich nur wenige Aussagen treffen. Wichtig ist, dass dissoziale Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter ein sicheres Indiz für eine spätere antisoziale Störung sind.

Weiter konnte festgestellt werden, dass das antisoziale Verhalten mit zunehmendem Alter zurückgeht und Betroffene im mittleren Lebensalter ruhiger werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Krankheit ist auf jeden Fall das Aufsuchen eines Psychologen notwendig. Damit können weitere Komplikationen vermieden werden. Im Notfall oder in schwerwiegenden Fällen dieser Erkrankung ist auch ein Aufenthalt in einer geschlossenen Klinik notwendig. Vor allem die Eltern und Angehörigen eines Patienten müssen die Beschwerden erkennen und eine Behandlung anbieten oder einleiten.

In der Regel ist ein Arzt dann aufzusuchen, wenn der Betroffene Aggressivität und Wutausbrüche zeigt. Ebenso besitzt der Patient kaum soziale Kompetenzen und kann seine Handlungen und sein Verhalten nicht richtig einschätzen. Auch Empathie fehlt dem Betroffenen vollständig.

Weiterhin kann dauerhaftes Lügen auf die Krankheit hindeuten und sollte von einem Arzt untersucht werden. Vor allem bei Jugendlichen im Alter von 15 Jahren können diese Beschwerden auftreten. Die Behandlung dieser Erkrankung erfolgt in der Regel durch einen Psychologen. Allerdings können auch Freunde und Angehörige des Patienten zu einem positiven Krankheitsverlauf deutlich beitragen.

Behandlung & Therapie

Problematisch bei der Behandlung einer antisozialen Persönlichkeitsstörung ist, dass jede Therapie den Leidensdruck des Patienten voraussetzt. Nur wenn dieser vorliegt, wird ein Patient sich zu einer Therapie entscheiden und aktiv an seiner Genesung mitarbeiten.

Antisoziale Persönlichkeiten haben jedoch keinen Leidensdruck. Im Gegenteil: Sie fühlen sich wohl mit sich selbst und ärgern sich eher über diejenigen, die sie nicht verstehenden, also meist ihren Mitmenschen. Betroffene begreifen nicht, warum ihr Leben leichter werden sollte, wenn sie soziale und gesetzliche Normen einhalten. Familie und Ärzte sollten dennoch Einfühlungsvermögen zeigen und die Betroffenen schulen Empathie zu entwickel. Eine weitere Therapiemöglichkeit ist das Üben von Impuls- und Affektkontrolle.

Sind die Betroffenen jedoch therapiebereit und finden sie einen Psychotherapeuten oder Psychiater, der sie als therapiefähig einstuft und mit ihnen arbeiten möchte. So verspricht die Kombination aus hoch-strukturierter Verhaltenstherapie und Psychopharmaka-Gabe den größten Erfolg. Beide setzen am Faktor Impulskontrolle an, denn das emotionale und empathische Unvermögen scheinen biologisch bedingt und daher unheilbar zu sein. Man kann jedoch eine Förderung des Einfühlungsvermögens versuchen.

Aussicht & Prognose

Die dissoziale Persönlichkeitsstörung ist nicht heilbar, der Betroffene kann aber lernen, mit den Folgen dieser Persönlichkeitsstörung umzugehen und ein weitgehend normales Leben zu führen.

Betroffene brauchen über Jahre psychologische Betreuung, was schwer fallen kann, da sie oft lange Zeit keinen Leidensdruck verspüren. Ihre Mitmenschen drängen sie zum Besuch des Psychologen, welches keine guten Voraussetzungen für eine nachhaltige Besserung des Umgangs mit den Mitmenschen und der eigenen Position in der Gesellschaft sind. Wird früh im Leben professionelle Hilfe in Anspruch genommen, stehen die Chancen besser, dass der Betroffene lernt, mit seiner Persönlichkeitsstörung auf eine Art umzugehen, die ihm eine unauffällige Integration in die Gesellschaft erlaubt.

Je länger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung sich entwickeln kann, desto wahrscheinlicher wird es, dass Betroffene dadurch in gesellschaftliche Schwierigkeiten geraten. Sie sind beispielsweise besonders gefährdet, kriminelle Handlungen auszuführen. Das lässt sich mit rechtzeitiger psychologischer Hilfe vermeiden.

Der Abbruch einer bereits begonnen und freiwilligen Therapie kommt bei dissozialer Persönlichkeitsstörung nicht selten vor, was die Aussichten des Betroffenen verschlechtert, ein normales Leben zu führen. Weiterhin haben Personen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung ein erhöhtes Suizidrisiko, obwohl sie nicht zwangsläufig an Depressionen leiden. Vielmehr liegt das an einem erhöhten Risikobewusstsein, stellt aber dennoch einen Risikofaktor für sie dar.


Vorbeugung

Es gibt nur ein Mittel zur Vorbeugung der antisozialen Persönlichkeitsstörung: Ein liebevolles, vertrauenerweckendes und orientierendes Elternhaus. Kann dieses nicht gewährt werden, so sollte eine frühzeitige Therapie schon bei erstem dissozialen Verhalten erfolgen, um den Verlauf zur antisozialen Persönlichkeitsstörung aufzuhalten oder zumindest abzumildern.

Nachsorge

Bei dieser Persönlichkeitsstörung und Psychopathie stehen dem Betroffenen in der Regel nur sehr wenige oder gar keine Möglichkeiten und Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei ist der Betroffene in erster Linie auf eine schnelle und frühzeitige Erkennung dieser Krankheit angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen und auch nicht zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommt.

Je früher die Persönlichkeitsstörung und Psychopathie dabei erkannt wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf der Erkrankung, wobei jedoch eine vollständige Heilung nicht immer garantiert werden kann. Wichtig ist dabei auch, dass die Angehörigen und Freunde des Betroffenen sich mit dieser Krankheit ebenfalls auseinandersetzen und sich über die Erkrankung informieren, um kein falsches Verhalten durchführen.

In der Regel ist der Betroffene bei der Persönlichkeitsstörung und Psychopathie auf den Besuch bei einem Psychologen und weiterhin auch auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Dabei ist auf eine richtige Dosierung mit einer regelmäßigen Einnahme zu achten, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Auch die Besuche beim Psychologen sollten dabei regelmäßig durchgeführt werden. In der Regel verringert die Persönlichkeitsstörung und Psychopathie nicht die Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Die Selbstbehandlung bei einer psychischen Störung ist prinzipiell schwierig. Oft sind sich die Betroffenen ihrer Erkrankung selbst nicht bewusst oder verleugnen diese. Eine Behandlung kann jedoch nur erfolgreich verlaufen, wenn der Patient daran aktiv teilnimmt. Zudem können psychische Erkrankungen nicht in einer Selbstbehandlung geheilt werden. Lediglich unterstützende Maßnahmen können zur schnelleren Heilung beitragen.

Meist erkennen Angehörige und Freunde ein bestehendes Problem zuerst. Sie sollten aktiv das Gespräch suchen. Ist der Betroffene bereit zu einer Therapie muss er daran konsequent teilnehmen. Zusätzlich kann das Angebot einer professionell begleiteten Selbsthilfegruppe wahrgenommen werden. Die Basis bilden Übungen zur Impuls- und Affektkontrolle sowie weitere Verhaltensschulungen. Diese sollten auch daheim mit vertrauten Personen wiederholt werden. Hier bedarf es einer konstanten Begleitung durch das soziale Umfeld des Patienten.

Für die ergänzende Einnahme von Medikamenten gibt es oft keine Alternative. Auch diese müssen konstant eingenommen werden. Betroffene können sich bei erfolgreich fortschreitendem Therapieverlauf auch weitere Methoden wählen, die ihnen innere Stabilität geben.

Autogenes Training oder Yoga stellen eine Möglichkeit dar. Treten bereits bei Kindern erste Anzeichen einer fehlenden Impulskontrolle auf, sollte frühzeitig mit einer Behandlung begonnen werden. Hier sind auch die begleitenden Pädagogen gefragt, um Eltern Hinweise zu geben. Ein stabiles und liebevolles Elternhaus bietet die beste Unterstützung.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015

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