Chronisch intestinale Pseudoobstruktion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Chronisch intestinale Pseudoobstruktion

Die chronisch intestinale Pseudoobstruktion ist eine rezividierende Störung der Darmmotalität, der häufig Darmoperationen oder eine akut intestinale Pseudoobstruktion des Darms vorausgehen. Die Symptome reichen von Durchfall über Verstopfung bis hin zu kolikartigen Schmerzen. Eine kausale Therapie steht meist nicht zur Verfügung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine chronisch intestinale Pseudoobstruktion?

Das Erliegen der Darmbewegung hat entweder muskuläre oder neurogene Ursache. Die Erkrankung tritt entweder primär idiopathische durch familiäre Disposition oder auf Basis einer sekundären Genese ein.
© Henrie – stock.adobe.com

Mit dem Begriff der Pseudoobstruktion oder intestinale Pseudoobstruktion bezeichnet der Mediziner einen geblähten und funktional bewegungslosen Darm. Das Krankheitsbild wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von H. Ogilvie beschrieben und wird ihm zu Ehren auch Ogilviesyndrom genannt. Das seltene und äußerst schwerwiegende Phänomen betrifft vorwiegend ältere Menschen, die an schweren Darmerkrankungen leiden oder Darmoperationen durchgemacht haben.

Wenn die intestinale Obstruktion unabhängig von Operationen, schweren Darmerkrankungen oder einem Darmverschluss über einen längeren Zeitraum vorliegt, wird sie als chronisch intestinale Pseudoobstruktion bezeichnet. Die CIPO des Darms ist durch schwere und wiederkehrende Motilitätsstörungen der Darmbewegung gekennzeichnet, die mit einer Obstruktion des Darmlumens assoziiert sind.

Ein gesunder Darm hat eine genau abgestimmte und permanente Peristaltik, die der Bewegung von Darminhalt, der Verdauung und der Reinigung dient. Die chronisch intestinale Pseudoobstruktion kann die Funktion des Darms dementsprechend stark beeinträchtigen.

Ursachen

Als Ursache kommen für eine CIPO verschiedene Zusammenhänge in Frage. Das Erliegen der Darmbewegung hat entweder muskuläre oder neurogene Ursache. Die Erkrankung tritt entweder primär idiopathische durch familiäre Disposition oder auf Basis einer sekundären Genese ein. Verschiedene Erkrankungen können den größeren Rahmen der chronisch intestinalen Pseudoobstruktion bilden. Häufig handelt es sich bei den Betroffenen um Patienten einer diabetisch autonomen Neuropathie.

Die Motilitätsstörung des Darms ist in diesem Fall neurogen bedingt. Auch eine progressiv systemische Sklerodermie kommt als Primärerkrankung in Frage. Dasselbe gilt für muskuläre Myopathien. In Einzelfällen kann ein Ogilvie-Syndrom eine Chronifizierung durchmachen. Wenn der CIPO eine IPO vorausgegangen ist, ist die Primärursache im Regelfall eine Funktionsstörung im autonomen Nervensystem, die die Sympathikusaktivität steigert.

Auch Traumata oder internistische Grundkrankheiten wie Bronchitis können aber den Rahmen für eine intestinale Pseudoobstruktion, die grundsätzlich die Komplikationsgefahr einer Chronifizierung zur CIPO mit sich bringt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das klinische Bild eines Patienten mit CIPO hängt von der Primärerkrankung ab. Auch die Lokalisation und die Größe des gestörten Darmareals bestimmten die Symptomatik im Einzelfall. Dasselbe gilt für die Ausprägung der Bewegungsstörung. Die häufigsten Symptome sind chronische Obstipation und Diarrhoe. Unter der chronischen Obstipation versteht der Mediziner eine anhaltende Stuhlverstopfung.

Eine chronisch intestinale Pseudoobstruktion kann sich neben diesen Grundsymptomen ebenso gut in einer akuten Symptomatik äußern und so mit starker Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Im Darm kann sich bei der CIPO pathologisch viel Darmgas ansammeln. Dieses Phänomen wird auch als Meteorismus bezeichnet. Häufig leiden die Patienten zusätzlich an kolikähnlichen Bauchschmerzen.

Unbehandelt kann das CIPO in verschiedene Komplikationen münden. Nach gewisser Zeit kann die chronische Pseudoobstruktion so zum Beispiel ischämische Darmwandnekrosen hervorrufen. Dieser Komplikation gehen Gefäßkompressionen voraus, die eine Durchwanderungsperitonitis auslösen können. Auch ein Darmwandbruch oder ein Zwerchfellhochstand mit Atembeeinträchtigung können sich aus einer chronifizierten intestinalen Pseudoobstruktion entwickeln.

Diagnose

Die Diagnostik ist bei einer chronisch intestinalen Pseudoobstruktion einfach. Speziell das Röntgenbild zeigt ein charakteristisches Bild. Meist ist der Dickdarm verbreitert und mit luftgefüllt. Der aufsteigende Dickdarmanteil kann im Röngtenbild eine Breite von über zehn Zentimetern erreichen. Das Abdomen des Patienten wird zur Diagnostik zunächst im Stehen geröngt. Neben einem Kolonkontrasteinlauf erfolgen anschließend eine Koloskopie und eine Computertomografie.

Als Differentialdiagnosen muss der Arzt Obstipation und Phänomene wie den mechanischen Ileus (Darmverschluss), das toxische Megakolon oder das Sigmavolvulus in Betracht ziehen. Im natürlichen Verlauf gilt für die CIPO eine eher ungünstige Prognose. Häufig wird nach rund fünf Jahren eine parenterale Ernährung erforderlich. Die Therapieerfolge erweisen sich auf lange Sicht häufig als nicht zufriedenstellend.

Komplikationen

Bei der chronisch intestinalen Pseudoobstruktion leidet der Patient vor allem an Beschwerden im Bereich des Darms und des Magens. Diese Beschwerden und Komplikationen hängen allerdings von der vorausgehenden Operation ab, wobei keine allgemeine Voraussage gemacht werden kann. Meistens handelt es sich um starke Schmerzen im Bereich des Darms und des Magens, sowie um Erbrechen und Übelkeit.

Nicht selten kommt es dabei auch zu Durchfall. Im Darm sammelt sich eine erhöhte Menge an Gas an, welches zu Blähungen führt. Es ist für den Patienten in der Regel nicht mehr möglich, körperliche Belastungen durchzuführen, da diese ebenfalls mit Schmerzen verbunden sind. Dabei kann es sogar zu einem Darmdurchbruch kommen.

Hierbei entwickelt sich eine Atemstörung, die bei vielen Menschen zu Panikattacken führen kann. Die Behandlung erfolgt in erster Linie mit Hilfe von Medikamenten und einer Ernährungsumstellung. Nicht selten müssen akute Anfälle operativ behandelt werden, wobei der Betroffene einen künstlichen Darmausgang erhält.

In den meisten Fällen kommt es allerdings zu einem positiven Krankheitsverlauf ohne Komplikationen. Die Lebenserwartung wird in der Regel nicht beeinflusst. Nach der Behandlung kann der Patient wieder einen gewöhnlichen Alltag einnehmen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei wiederkehrenden Darmbeschwerden wie Durchfall, Obstipation oder Übelkeit und Erbrechen liegt der Verdacht einer ernsten Erkrankung nahe. Ein Arzt sollte frühestmöglich abklären, ob es sich bei dem Leiden um eine chronisch intestinale Pseudoobstruktion handelt. Anschließend wird in der Regel eine stationäre Behandlung veranlasst. Patienten, die bereits an einer Erkrankung des Darms oder einer diabetisch autonomen Neuropathie leiden, erkranken häufig auch einer CIPO. Auch nach Traumata durch Darmoperationen oder nach einer Bronchitis besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer chronisch intestinalen Pseudoobstruktion.

Wer an einer dieser Krankheiten leidet, sollte bei ungewöhnlichen Symptomen mit dem zuständigen Arzt sprechen. Bei schweren Komplikationen wie Atemstörungen, Zwerchfellhochstand oder Darmwandbruch muss der Rettungsdienst alarmiert werden. Am besten wird bereits bei ersten Anzeichen dieser Symptome das nächste Krankenhaus aufgesucht. Eine ärztliche Behandlung ist bei einer CIPO grundsätzlich erforderlich. Da die Erkrankung immer wieder auftreten kann, muss der Erkrankte auch nach der initialen Behandlung engmaschig überwacht werden.

Behandlung & Therapie

Die Therapie einer chronisch intestinalen Pseudoobstruktion richtet sich nach der primären Ursache und der allgemeinen Schwere des Phänomens. Als konservative Maßnahmen stehen neben Nahrungsumstellungen verschiedene Medikamentengaben zur Option. Neben einer Laxantiengabe zählt die Gabe von Prokinetika wie Metoclopramid zu den verbreitetsten konservativen Maßnahmen. Auch Acetylcholinesterase-Hemmer wie Neostigmin und Pyridostigmin sind eine Möglichkeit.

Die Medikamentengabe ist eine rein symptomatische Therapie und kann nicht als kausale Behandlungsmethode bezeichnet werden. Ebenfalls zur symptomatischen Therapie zählen die intravenöse Flüssigkeitsgabe und invasive Maßnahmen wie die parenterale Ernährung oder die Anlage einer Colon-Dekompressionssonde oder anderer Magensonden bei Erbrechen im akuten Fall. Der Akutbehandlung können außerdem Dekompressionen durch eine Darmspiegelung oder operative Maßnahmen zur Verlegung eines künstlichen Darmausgangs am Caecum dienen.

Bei weniger schweren Fällen liefert oft bereits ein Darmrohr in Kombination mit Einläufen die Lösung. Operative Eingriffe zur vollständigen Resektion bestimmter Darmabschnitte oder zur Realisierung eines Enterostomas sind nur in schweren Fällen angezeigt. Nutzen und Risiken muss der Arzt im Einzelfall gewissenhaft gegeneinander aufwägen, um einen zielführenden Therapievorschlag liefern zu können.

Bei bestimmten Primärerkrankungen kann die Ursache der CIPO durch medizinische Intervention behoben werden. Trotzdem ist kausaler Therapieerfolg für die chronisch intestinale Pseudoobstruktion eher selten.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der chronisch intestinale Pseudoobstruktion wird als ungünstig beschrieben. Der Krankheitsverlauf kann trotz verschiedener Bemühungen und Zeiten der Genesung nicht verändert oder dauerhaft gestoppt werden. Bei vielen Patienten muss nach wenigen Jahren der Erstmanifestation eine parantale Ernährung angesetzt werden.

Eine Aussicht auf eine Heilung ist bei dieser Erkrankung nicht bekannt. Patienten erleben immer wieder rezidivierende Phasen, in denen sie neue Hoffnung auf eine anhaltende Genesung schöpfen. Diese Episoden sind durch eine vollständige Beschwerdefreiheit gekennzeichnet.

Besonders bemerkenswert ist, dass auch Ärzte in diesen Phasen keine Obstruktion bei Röntgenaufnahmen oder operativen Eingriffen feststellen können. Ein medizinisches Eingreifen oder eine Vorbeugung wird aufgrund der fehlenden Symptome, Warnhinweise oder minimaler Anzeichen verhindert. Dennoch kommt es im weiteren Verlauf zu einer erneuten Verschlechterung der Gesundheit.

Die chronisch intestinale Pseudoobstruktion wird oftmals nicht oder erst sehr spät erkannt. Dies stellt eine potentielle Lebensgefahr für den Patienten dar. Durch den Krankheitsverlauf ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Erkrankungen erhöht. Der Umgang mit der Erkrankung löst ein erhöhtes Stresserleben aus. Psychosomatische Krankheiten oder psychische Störungen können sich entwickeln. Diese führen zu einer weiteren Verschlechterung der Gesundheit, da sie auch in Zeiten der Beschwerdefreiheit der chronisch intestinale Pseudoobstruktion auftreten.


Vorbeugung

Der chronisch intestinalen Pseudoobstruktion lässt sich bis zu einem gewissen Maß vorbeugen. Wer an einer intestinalen Pseudoobstruktion erkrankt und rechtzeitig ärztlichen Rat sucht, verringert zum Beispiel das Risiko einer Chronifizierung. Die Vorbeugemaßnahmen der Pseudoobstruktion im Rahmen von anderen Erkrankungen entsprechen den Vorbeugemaßnahmen zur jeweiligen Primärerkrankung.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei dieser Krankheit in den meisten Fällen nur wenige Maßnahmen und Möglichkeiten zur direkten Nachsorge zur Verfügung. Dabei muss der Betroffene in erster Linie eine frühzeitige Diagnose durchführen lassen, damit es nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden oder zu anderen Komplikationen durch diese Erkrankung kommt. Je früher bei dieser Krankheit ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meist auch der weitere Verlauf.

In den meisten Fällen erfolgt die Behandlung dieser Krankheit durch die Einnahme von verschiedenen Medikamenten. Der Betroffene sollte immer auf eine richtige Dosierung und auch auf eine regelmäßige Einnahme achten, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Ebenso sind regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen des Magens und des Darms sehr wichtig, um Tumore und andere Beschwerden schon früh zu erkennen und dann zu behandeln.

Da es durch diese Erkrankung auch zu starken psychischen Verstimmungen oder zu Depressionen kommen kann, sind intensive und liebevolle Gespräche mit der eigenen Familie oder mit Freunden sehr wichtig, wobei sich auch die Unterstützung der eigenen Familie positiv auf den Verlauf der Krankheit auswirken kann. In vielen Fällen lohnt sich dabei auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erkrankung.

Das können Sie selbst tun

Auch wenn die chronisch intestinale Pseudoobstruktion in einem frühen Stadium meist einer simplen Verdauungsstörung ähnelt, sollten Betroffene die Krankheit keinesfalls verharmlosen. Von einer reinen Selbstbehandlung ist dringend abzuraten. Stattdessen sollte beim Auftreten der Symptome zeitnah ein Arzt konsultiert werden. Wird die chronisch intestinale Pseudoobstruktion nicht adäquat behandelt, kann es nicht nur zu schweren Schmerzen, sondern schlimmstenfalls auch zu einem lebensgefährlichen Darmdurchbruch kommen.

In Abstimmung mit dem behandelnden Arzt können aber auch Selbsthilfemaßnahmen ergriffen werden, um einen Teil der Symptome zu lindern. Oft gehen einer chronischen Verstopfung schwere Durchfälle voraus. In der Naturheilkunde wird den Patienten in aller Regel eine Ernährungsumstellung empfohlen, die darauf gerichtet ist, die Darmgesundheit und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Empfohlen wird der Verzicht auf fettige Speisen, Fleisch- und Wurstprodukte, Weißmehl sowie Zucker, insbesondere in der raffinierten Form. Stattdessen wird den Betroffenen der Verzehr von Vollkornprodukten sowie viel Obst, Gemüse und Salate nahe gelegt.

Oftmals wird auch eine Darmsanierung angeraten. Der Ernährungsumstellung geht dann eine gründliche Darmreinigung mittels bestimmter abführender Salze oder Einläufen voraus. Um den Wiederaufbau einer gesunden Darmflora zu unterstützen, werden Stämme nützlicher Darmbakterien eingenommen. Entsprechende Präparate werden meist als magensaftresitente Kapseln angeboten.

Entsprechende Maßnahmen sollten aber ausschließlich nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt in Erwägung gezogen werden.

Quellen

  • Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Messmann, H.: Lehratlas der Koloskopie: Das Referenzwerk zur Untersuchungstechnik und Befundinterpretation. Thieme, Stuttgart 2014

Das könnte Sie auch interessieren