Calciphylaxie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Calciphylaxie

Bei der seltenen Calciphylaxie handelt es sich um eine ausgeprägte Verkalkung kleiner und kleinster Hautarterien (Arteriolen). Die Krankheit wird meist durch eine schwere Nierenerkrankung und einer sekundären, durch die Nephropathie hervorgerufenen Überproduktion des Parathormons in den Nebenschilddrüsen verursacht. Die unbehandelte Calciphylaxie hat eine schlechte Prognose und wird in fortgeschrittenem Stadium meist von schmerzhaften, ischämiebedingten bläulich-schwarzen nekrotischen Hautpartien und von Ulzerationen begleitet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Calciphylaxie?

Die Calciphylaxie stellt eine typische Sekundärerkrankung dar, die als Folge einer Grunderkrankung entsteht. Die Grunderkrankung besteht in diesem Fall meist in einer schweren Nephropathie mit deutlichen Anzeichen einer Niereninsuffizienz.
© bilderzwerg – stock.adobe.com

Von der seltenen Calciphylaxie, die auch unter der zielführenden Bezeichnung urämisch-kalzifizierende Arteriolopathie (UCA) bekannt ist, sind kleine und kleinste Arterien und Arteriolen an bestimmten Hautregionen und teilweise auch an bestimmten Organen betroffen. Zur Bildung und Ausfällung von Kalzium-Phosphat-Kristallen kommt es meist aufgrund einer schweren Nierenerkrankung mit Niereninsuffizienz und einem dadurch verursachten Hyperparathyroidismus.

Die Kristalle setzen sich vorzugsweise an der Media, der mittleren Wand der Arteriolen, ab und führen zu Verlegungen der Gefäße, so dass es in den betroffenen Hautpartien zu ausgesprochener Minderversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen kommt. Es bilden sich Hautgeschwüre, Entzündungen und schmerzhafte Nekrosen, die sich durch bläulich-schwarze Verfärbungen bemerkbar machen.

Ursachen

Die Calciphylaxie stellt eine typische Sekundärerkrankung dar, die als Folge einer Grunderkrankung entsteht. Die Grunderkrankung besteht in diesem Fall meist in einer schweren Nephropathie mit deutlichen Anzeichen einer Niereninsuffizienz. Sie führt zu einer gestörten Kalzium- und Phosphatausscheidung.

Die Niere kann nicht mehr in genügendem Maße Calcidiol, die Vorstufe des Vitamin D, in Calcitriol, die aktive Form des Vitamin D, umwandeln. Es kommt zu einem Vitamin-D-Mangel, der zu einer ungebremsten Synthese des Parathormons durch die Nebenschilddrüsen führt. Die hohe Konzentration an Parathormon bewirkt eine pathologisch hohe Phosphatkonzentration (Hyperphosphatämie) bei gleichzeitig sehr niedriger Kalzium-Konzentration (Hypokalzämie) im Blutserum.

Die erhöhten Phosphatmengen stammen aus den Knochen, die sich dadurch – vergleichbar mit einer Osteoporose – zunehmend entmineralisieren. Die hohe Phosphatkonzentration im Blut bewirkt eine leichte Ansäuerung (Azidose), die wiederum die Bildung und Ausfällung von Kalzium-Phosphat-Salzen in den Wänden der Arteriolen und im Unterhautfettgewebe begünstigt.

In seltenen Fällen kann die Calciphylaxie auch durch eine Überproduktion des Parathormons, die nicht durch eine Niereninsuffizienz verursacht wurde, entstehen oder durch eine extreme Überdosierung von Vitamin D. Es wurden auch Fälle berichtet, bei denen warfarinhaltige Medikamente als unerwünschte Nebenwirkung eine Calciphylaxie ausgelöst haben. Warfarinhaltige Medikamente wirken als Vitamin K-Antagonisten und dienen unter anderem als Gerinnungshemmer.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die ersten Anzeichen der Krankheit sind eher unspezifisch. Beispielsweise kommt es zu starkem Juckreiz an betroffenen Arealen der Haut. Mit Fortschreiten der Krankheit entstehen in den mangelversorgten Hautpartien bläulich bis bläulich-schwarz verfärbte nekrotische Areale, die zu heftigen Schmerzen führen können. Falls sich nekrotischen Areale an den Fingern bilden, können diese auch mumifizieren, also eintrocknen, ohne dass sich die abgestorbenen Hautareale lösen. In den meisten Fällen wird die Calciphylaxie durch sehr schmerzhafte Geschwüre begleitet.

Diagnose & Verlauf

Bei Verdacht auf Calciphylaxie besteht die Diagnose zunächst im Nachweis von Verkalkungen der Arteriolen und der kleinen Arterien in den betroffenen Hautarealen. Der Nachweis lässt sich in der Regel radiologisch erbringen. In Zweifelsfällen kann die Diagnose der ischämischen Vorgänge durch eine histologische Untersuchung untermauert werden. Laborchemisch sind unter anderem die Calcium- und Phosphatwerte sowie die Parathormonkonzentration im Serum auffällig.

Eine zweite Diagnoserichtung dient der Erkennung und dem Nachweis einer schweren Nephropathie mit Niereninsuffizienz. Weil einige Symptome der Calciphylaxie auch denen einer ischämischen Erkrankung aus anderen Gründen gleichen, ist eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Erkrankungen wichtig. Beispielsweise sollten Erkrankungen wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (Schaufensterkrankheit) ausgeschlossen werden können.

Auch eine mögliche Gefäßschädigung durch Diabetes mellitus und Gefäßentzündungen aufgrund einer Autoimmunerkrankung sind als Differenzialdiagnose vorher auszuschließen. Falls der Hauptverursachungsfaktor, der Hyperparathyreoidismus nicht behandelt wird, ist die Krankheit mit einer schlechten Prognose behaftet. Die schlechte Prognose wird durch häufig zu beobachtende bakterielle Superinfektionen verstärkt, die sich aufgrund der Ischämie als behandlungsresistent zeigen können.

Komplikationen

In den meisten Fällen kommt es bei der Calciphylaxie erst zu einer späten Diagnose, sodass keine frühzeitige Behandlung dieser Krankheit möglich ist. Dies erfolgt aus der Tatsche, dass bei der Calciphylaxie keine besonderen spezifischen Symptome auftreten, die direkt in Verbindung mit dieser Krankheit gebracht werden könne. Der Betroffene leidet dabei an einem Juckreiz, der sich an verschiedenen Stellen des Körpers ausbilden kann.

Weiterhin treten an diesen Stellen auch starke Schmerzen auf. In der Regel sind vor allem die Finger betroffen, sodass es durch die Calciphylaxie zu erheblichen Einschränkungen im Alltag kommt. Es bilden sich Geschwüre auf den Fingern aus, die ebenso die Ästhetik des Patienten verringern. Nicht selten treten neben diesen Beschwerden auch Autoimmunerkrankungen auf, die zu starken Infektionen führen.

Die Behandlung der Calciphylaxie erfolgt immer kausal und zielt dabei vor allem die Beseitigung der Grunderkrankung ab. Dabei kann allerdings nicht universell vorausgesagt werden, ob eine vollständige Heilung der Grunderkrankung möglich ist. In einigen Fällen ist daher die Amputation der betroffenen Areale notwendig, um die Beschwerden vollständig zu lindern. Ob die Lebenserwartung durch die Calciphylaxie verringert wird, hängt in der Regel ebenfalls von der Grunderkrankung ab.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn starker Juckreiz und andere Symptome einer Calciphylaxie bemerkt werden, empfiehlt sich ein Arztbesuch. Sollten die typischen bläulich-schwarzen Hautveränderungen bemerkt werden, muss dies sofort abgeklärt werden. Starke Schmerzen, Eintrocknungen und abgestorbene Hautareale deuten darauf hin, dass die Verkalkung bereits weit fortgeschritten ist – in diesem Fall sollte umgehend das nächstgelegene Krankenhaus aufgesucht werden, um die Beschwerden abklären zu lassen. Die Calcyphylaxie kann anhand der bekannten Diagnoseverfahren zuverlässig erkannt werden.

Anschließend ist eine zielgerichtete Behandlung möglich. Da bei zu später Behandlung mitunter nur die Amputation der betroffenen Gliedmaßen bleibt, muss die Erkrankung möglichst frühzeitig diagnostiziert und dann umgehend behandelt werden. Besonders gefährdet sind Patienten mit einer bestehenden Nephropathie oder einer Hormonstörung. Auch nach der Einnahme bestimmter warfarinhaltiger Medikamente scheint es immer wieder zu einer Verkalkung der Arterien zu kommen. Wer zu diesen Risikogruppen zählt, sollte bei ersten Anzeichen einer Calcyphylaxie den Hausarzt konsultieren. Weitere Ansprechpartner sind Fachärzte für Arteriosklerose und Nekrose sowie der ärztliche Notdienst.

Behandlung & Therapie

Eine der wichtigsten Therapiemaßnahmen besteht in der Überwindung des Hyperparathyreoidismus. Die Parathormonkonzentration muss auf ein Niveau innerhalb der normalen Bandbreite zurückgeführt werden, um den Hauptauslösefaktor der Krankheit zu beseitigen. Zur zügigen Senkung der Kalzium- und Phosphatkonzentration sind kalziumfreie Phosphatbinder geeignet. In einigen Fällen – besonders bei Dialysepatienten – kann die Reduzierung der Blutwerte über die Dialyse erfolgen.

Falls medikamentöse Behandlungen keinen nachhaltigen Erfolg zeigen, kann in Ausnahmefällen eine Teilentfernung der vier Nebenschilddrüsen erwogen werden, die für die homöostatische Regelung des Kalziumhaushalts verantwortlich sind. Das ist vor allem dann angezeigt, wenn die Nebenschilddrüsen, die sich meist in der Nähe der beiden Pole der Schilddrüse befinden, stark vergrößert sind und auf homöostatische Impulse zur Verringerung der Parathormonsekretion nicht mehr genügend stark reagieren.

Zusätzlich zu den therapeutischen Maßnahmen zur Normalisierung des Kalzium- und Phosphathaushalts sind meist Behandlungen der betroffenen Hautareale notwendig. Aufgrund der Ischämie besteht die Gefahr bakterieller Infektionen, die nur schwer behandelbar sind, weil beispielsweise systemisch wirkende Antibiotika aufgrund der Ischämie nur begrenzte Wirkung zeigen.

In schwerwiegenden Fällen bleibt nur die chirurgische Entfernung des betroffenen Gewebes. Im Extremfall kann das die Amputation einer Gliedmaße erforderlich machen.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der Calciphylaxie ist sehr ungünstig. Die Erkrankung ist mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden. Darüber hinaus ist die Lebenserwartung des Patienten deutlich herabgesetzt. Die Sterblichkeit ist bei dieser Erkrankung ausgesprochen hoch und liegt bei 80%.

Die schlechte Aussicht ist dadurch begründet, dass verschiedene innere Organe an der Erkrankung beteiligt sind. Ihre Funktionsfähigkeit ist durch die Calciphylaxie stark eingeschränkt. Das erste Jahr nach der Diagnose überleben nur knapp die Hälfte aller Patienten. Die dialysepflichtigen Patienten erleiden in einer Vielzahl der Fälle septische sowie kardiovaskuläre Komplikationen mit Todesfolge. Erkrankte sind einem erhöhten Risiko einer bakteriellen Superinfektion ausgesetzt, die der Organismus meist nicht bewältigen kann. Durch ein multiples Organversagen kommt es zum Ableben des Patienten.

Wird die Calciphylaxie frühzeitig erkannt, besteht die Möglichkeit, den Kalziumspiegel im Körper zu senken. Dadurch wird der Fortschritt der Verkalkung verhindert und die Risikofaktoren für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes sind reduziert. Schaffen die Ärzte es, gleichzeitig die Überproduktion des Parathormon zu stoppen, verbessern sich die Aussichten auf eine Linderung der Beschwerden.

Die Heilungsaussichten richten sich dennoch nach dem Ausmaß der vorliegenden Grunderkrankung. Bei einer chronischen Niereninsuffizienz verschlechtert sich die Prognose erheblich. Zudem kann der Körper eine Wundinfektion aufgrund des geschwächten gesundheitlichen Zustandes nicht mehr verkraften.


Vorbeugung

Weil die Calciphylaxie eine Sekundärerkrankung darstellt, die die Folge einer oder mehrerer Grunderkrankungen ist, müssen vorbeugende Maßnahmen immer auf eine Vermeidung der Grunderkrankungen abzielen. Als wichtigste Vorbeugemaßnahme kann daher die Gesunderhaltung der Nieren angesehen werden.

Vor allem muss gewährleistet werden, dass die Nieren genügend Vitamin D aktivieren können, indem sie Calcidiol, die inaktive Vorstufe des Vitamin D, in Calcitriol, dem bioaktiven Vitamin D, umwandeln können. Da Dialysepatienten und an Diabetes mellitus erkrankte Personen ein erhöhtes Risiko tragen, empfiehlt sich für sie, ersten möglichen Symptomen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.

Das können Sie selbst tun

Die Calciphylaxie beeinträchtigt die Niere in ihrer Funktion. Im Körper kommt es unweigerlich zu einem Vitamin D-Mangel. Eine Selbsthilfe ist nur mit viel Disziplin durchführbar und sollte erst mit einem auf den Alltag abgestimmten Therapieplan erfolgen.

Das Symptom stört ferner die Nebenschilddrüsen, wodurch eine hohe Phosphatkonzentration freigesetzt wird bei gleichzeitig eingedämmter Kalziumaufnahme. Daher ist unbedingt eine salzarme ausgewogene Vitamin D und kalziumhaltige Kost einzuhalten. Da parallel das Autoimmunsystem betroffen ist und die Infektionsanfälligkeit sich häuft, ist die fettarme und vitaminreiche Ernährung maßgebend. Zudem sollten mindestens drei Liter getrunken wedren und schlechte Lebensgewohnheiten, wie Rauchen, Alkohol- und Drogenmissbrauch abgelegt werden.

Solange die Nieren ihre Arbeit noch eigenständig verrichten, sollten Betroffene aufmerksam die Ratschläge zur Eigenhilfe befolgen, um eine drohende Dialyse hinauszuzögern. Dies gilt verstärkt für Diabetes mellitus Patienten, die an einer Calciphylaxie erkrankt sind. Ihnen droht im schlimmsten Fall ein Absterben vereinzelter Haut- und Gelenkpartien mit Amputationsfolge. Durch die körperlichen Veränderungen und Schmerzen entwickeln sich oftmals Depressionen, die kaum in Selbsthilfe bewältigt werden können. Betroffene sollten sich nicht scheuen, psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Quellen

  • Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
  • Nürnberger, H.: Klinikleitfaden Chirurgie. Urban & Fischer, München 2010
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

Das könnte Sie auch interessieren