Bruton-Gitlin-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Bruton-Gitlin-Syndrom ist eine Immundefizienz, die den B-Zellen des Immunsystems die Fähigkeit zur Produktion und Sekretion von Antikörpern nimmt und daher den Antikörpermangelsyndromen zugerechnet werden kann. Die meist milde verlaufende Erkrankung wird X-chromosmal-rezessiv weitervererbt und beruht auf einem Defekt im BTK-Gen. Zur symptomatischen Behandlung kommen Infusionen mit Antikörpern oder Stammzelltransplantationen in Frage.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Bruton-Gitlin-Syndrom?

Das Bruton-Gitlin-Syndrom ist eine eher milde Form des Immundefekts. Die ersten Symptome des Syndroms manifestieren sich charakteristischerweise im zweiten bis dritten Lebensmonat.
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B-Lymphozyten sind immunologische Zellen aus der Zellgruppe Lymphozyten. Sie bilden die Grundlage für das spezifisch humorale Immunsystem des Menschen und sind nach dem Kontakt mit einem bestimmten Antigenreiz zur Bildung von Antikörpern in der Lage. Damit erfüllen sie wichtige Aufgaben in der adaptiven Immunreaktion, deren Basis sie bilden.

Das Bruton-Gitlin-Syndrom ist eine Erberkrankung, die den B-Zellen die Fähigkeit zur Antikörperproduktion und -sekretion nimmt. Damit ist das Syndrom eine Form der Immundefizienz und geht mit einer angeborenen Störung des körpereigenen Immunsystems einher. Die Erkrankung wurde nach ihren Erstbeschreibern Ogden Carr Bruton und David Gitlin benannt.

In verschiedener Fachliteratur ist statt dem Bruton-Gitlin-Syndrom auch von Morbus Bruton, vom Bruton-Syndrom, von der Agammaglobulinämie des Bruton-Typs oder von der kongenitalen Hypogammaglobulinämie die Rede. Unter den Immundefizienzen macht Morbus Bruton eine eher milde Form aus, die mit einer vergleichsweise günstigen Prognose verbunden ist. Da das Bruton-Gitlin-Syndrom mit einem Antikörpermangel einhergeht, wird es zuweilen auch den Antikörpermangelsyndromen zugerechnet.

Ursachen

Das Bruton-Gitlin-Syndrom hat seine Ursache in den Genen. Die Erkrankung wird X-chromosomal rezessiv weitergegeben. Aufgrund ihrer Bindung an das männliche Chromosom manifestiert sich die Immundefizienz vor allem an männlichen Neugeborenen. Frauen besitzen anders als männliche Individuen mehrere X-Chromosomen.

Ist eines ihrer X-Chromosomen defekt, kann das gesunde Chromosom für das defekte Chromosom kompensieren. Bei Männern ist eine Kompensation dieser Art nicht denkbar, da sie nur ein einziges X-Chromosom zur Verfügung haben. Ist dieses Chromosom im Sinne des Syndroms defekt, so führt das automatisch zum Krankheitsausbruch.

Frauen können dagegen stille Trägerinnen des Bruton-Gitlin-Syndroms sein, ohne jemals an Symptomen zu leiden. Der immunologische Defekt betrifft im Fall des Bruton-Gitlin-Syndroms die Tyrosinkinase, die eine entscheidende Rolle für das Wachstum der immunologischen B-Zellen spielt. Aufgrund der Erkrankung kommt es zur Stagnation in der B-Zell-Reifung.

Der Reifungsstopp der Prä-B-Zellen mündet in die Unfähigkeit zur physiologisch geplanten Produktion und Sekretion von Antikörpern. Primäre Ursache der Erberkrankung ist ein Rezeptor mit dem Namen Bruton-Tyrosin-Kinase (BTK), der durch das BTK-Gen auf X-Chromosom kodiert wird.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Bruton-Gitlin-Syndrom ist eine eher milde Form des Immundefekts. Die ersten Symptome des Syndroms manifestieren sich charakteristischerweise im zweiten bis dritten Lebensmonat. In diesem Lebensabschnitt werden die von der Mutter übertragenen Antikörper in einem gesunden Säuglingskörper Schritt für Schritt mit körpereigenen Gammaglobulinen ersetzt.

In den meisten Fällen sind die Frühsymptome der Erkrankung rezidivierende Hautinfekte. Auch Infektionen des Respirationstrakts können symptomatisch sein. Die erhöhte Infektanfälligkeit der Betroffenen äußert sich am häufigsten in Infektionen mit Bakterien wie Staphylokokken, Haemophilus influenzae oder Streptokokken.

Die Abwehrreaktion im Kontakt mit Viren, Protozoen, Pilzen und Mycobacterium tuberculosis kann im Einzelfall erhalten bleiben. Grundsätzlich liegt für Patienten mit Bruton-Gitlin-Syndrom in allen Organen des Körpers sowie im Blut ein nachweislicher Antikörpermangel vor. Frauen mit dem Syndrom zeigen anders als Männer meist bis zum Lebensende keinerlei Symptome der Erkrankung.

Diagnose & Verlauf

Bei wiederkehrenden Infekten ordnet der Arzt in der Regel ein Differentialblutbild an. Dieses Blutbild kann zur Diagnosestellung auf das Bruton-Gitlin-Syndrom hinleiten. Eine elektrophoretische Untersuchung der Gammaglobulin-Fraktion kann die Verdachtsdiagnose auf das Syndrom stärken.

Als diagnosesichernd gilt die molekulargenetische Diagnostik, die die genetische Schädigung auf dem X-Chromosom bestätigt. Verglichen mit anderen Immundefizienzen ist die Prognose für Patienten mit Bruton-Gitlin-Syndrom günstig. Das Syndrom ist durch milden Verlauf gekennzeichnet und erfordert nur selten Maßnahmen wie eine Knochenmarktransplantation.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Bruton-Gitlin-Syndrom muss auf jeden Fall von einem Arzt behandelt werden. Es kommt dabei in der Regel nicht zu einer Selbstheilung. Bei einer frühen Diagnose können weitere Komplikationen vermieden werden. Der Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn das Kind sehr häufig an Infekten oder an Entzündungen erkrankt. Dabei leiden die Kinder vor allem an Hautbeschwerden oder an einer Grippe. Die Symptome können bei Jungen und Mädchen sehr unterschiedlich sein.

Auch im Erwachsenenalter können die Symptome dieser Erkrankung auftreten. Hierbei sollte ebenfalls dann ein Arzt aufgesucht werden, wenn der Patient an einem deutlich geschwächten Immunsystem leidet und öfter an Infekten erkrankt. Die Diagnose und Behandlung dieser Krankheit kann in den meisten Fällen durch einen Kinderarzt oder durch einen Allgemeinmediziner durchgeführt werden. In der Regel sind die Betroffenen allerdings auf eine lebenslange Behandlung angewiesen. Mit Hilfe von Antikörpern und Stammzellentransplantationen können die Beschwerden des Bruton-Gitlin-Syndroms allerdings relativ gut eingeschränkt und gelindert werden.

Komplikationen

Beim Bruton-Gitlin-Syndrom kann es zu unterschiedlichen Komplikationen kommen, die stark von der Ausprägung des Syndroms abhängen. Allerdings leiden die meisten Patienten an einem Immundefekt und können nicht ausreichend Antikörper bilden. Aufgrund der mangelnden Antikörper kommt es bei vielen Betroffenen zu Infekten und Entzündungen auf der Haut.

Auch sind die Patienten häufiger an harmlosen Infekten erkrankt und leiden an einer verringerten Immunabwehr. Das Bruton-Gitlin-Syndrom tritt bei Frauen viel milder auf als bei Männern. Frauen zeigen fast keine Symptome bei dieser Krankheit. Das Bruton-Gitlin-Syndrom führt zu Einschränkungen im Leben des Patienten, da das Immunsystem geschwächt ist.

Die Krankheit gilt als unheilbar, weswegen eine Behandlung nur die Symptome eingrenzen kann. Dabei werden dem Patienten Antikörper in Form von Infusionen verabreicht. Der Betroffene ist sein gesamtes Leben lang auf diese Infusionen angewiesen. Die Lebenserwartung wird bei einer richtigen Behandlung nicht verringert und es kommt auch zu keinen weiteren Komplikationen.

Sollten die Infusionen keine Wirkung zeigen, ist eine Stammzellentransplantation notwendig. Dabei können Defizite des Immunsystems kompensiert werden. Komplikationen treten nur in Form von Infekten und Entzündungen auf, an welchen die Betroffenen häufiger erkrankt sind.

Behandlung & Therapie

Das Bruton-Gitlin-Syndrom gilt bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unheilbare Erkrankung. Ursächliche Therapien stehen den Patienten nicht zur Verfügung, da die ursächlich genetischen Defekte des X-Chromosoms nicht revidierbar sind. Obwohl die Krankheit derzeit nicht heilbar ist, stehen den Patienten einige symptomatische Behandlungsansätze zur Verfügung.

Den Betroffenen kann mithilfe eines subkutanen oder intravenösen Zugangs über eine Infusion eine Lösung aus den fehlenden Antikörpern verabreicht werden. Durch Antikörperinfusionen dieser Art lässt sich die fehlende körpereigene Fähigkeit zur Antikörperbildung kompensieren, was die humorale Immunantwort zumindest teilweise verbessert. In schwereren Fällen kann eine Stammzelltransplantation notwendig werden.

Dabei handelt es sich um die Übertragung von Stammzellen von einem Spenderorganismus auf einen Empfängerorganismus. Die allogene Transplantation von Stammzellen bezieht sich auf hämatopoetische, also blutbildende Stammzellen. Die ersten allogenen Stammzelltransplantationen wurden 1968 an mehreren Patienten mit erblichen Immunschwächekrankheiten durchgeführt. Seitdem ist die Stammzelltransplantation für immungeschwächte Patienten eine etablierte Option zur Kompensation schwererer Immundefizite.

Aussicht & Prognose

Da es sich beim Bruton-Gitlin-Syndrom um eine erblich bedingte Erkrankung handelt, kann diese nur symptomatisch eingeschränkt werden. Aus diesem Grund ist für die Eltern immer eine genetische Beratung ratsam, falls ein weiterer Kinderwunsch besteht.

Die Patienten sind dabei auf regelmäßige Infusionen mit Antikörpern angewiesen, um die Symptome der Erkrankung zu lindern. Dabei ist in der Regel eine lebenslange Therapie notwendig, da eine ursächliche Behandlung des Syndroms nicht stattfinden kann. Eine Transplantation von Stammzellen wird dabei nur in schwerwiegenden Fällen durchgeführt, in welchen die Infusionen die Beschwerden nicht lindern können. Allerdings wird auch dadurch das Bruton-Gitlin-Syndrom nicht vollständig geheilt, sodass die Patienten auch weiterhin auf Infusionen sowie regelmäßige Untersuchungen angewiesen sind.

Sollte das Bruton-Gitlin-Syndrom unbehandelt bleiben, so kommt es meistens zu einer deutlich verringerten Lebenserwartung des Patienten aufgrund des geschwächten Immunsystems. Die Betroffenen sind in ihrem Alltag damit eingeschränkt und müssen sich vor verschiedenen Erkrankungen schützen. Vor allem ältere Menschen können vom Bruton-Gitlin-Syndrom stark betroffen sein. Häufig führt das Syndrom auch zu psychischen Beschwerden, sodass auch eine psychologische Behandlung notwendig sein kann.


Vorbeugung

Da es sich beim Bruton-Gitlin-Syndrom um eine genetische Erkrankung handelt, halten sich die Präventionsoptionen in Grenzen. Exogene Faktoren sind an der Krankheitsentstehung scheinbar nicht beteiligt. Somit gilt genetische Beratung in der Familienplanung bislang als einzig vielversprechende Präventionsmaßnahme.

Die genetische Beratung spielt im Kontext der Erkrankung auch für Frauen eine Rolle, die keinerlei Symptome aufweisen. Als stille Trägerinnen des Defekts können sie ihrem Nachwuchs unter Umständen die Krankheit vererben. Ob die Entscheidung gegen eigene Kinder fällt, bleibt im Einzelfall jedem selbst überlassen.

Nachsorge

Die Möglichkeiten der Nachsorge sind beim Bruton-Gitlin-Syndrom relativ stark eingeschränkt. Es handelt sich dabei um eine angeborene Erkrankung, die nicht kausal, sondern nur symptomatisch behandelt werden kann. Eine vollständige Heilung kann daher ebenfalls nicht erreicht werden, sodass der Betroffene auf eine lebenslange Therapie und Behandlung angewiesen ist, um die Beschwerden zu lindern.

Die Antikörper werden dem Betroffenen durch eine Infusion in das Blut verabreicht. Die Infusionen sollten dabei immer regelmäßig durchgeführt werden, um weitere Komplikationen und Beschwerden zu vermeiden. Ebenso sollte sich der Betroffene keinen besonderen Gefahren oder Krankheitserregern aussetzen, um das Immunsystem des Körpers nicht unnötig zu belasten.

In schwerwiegenden Fällen ist auch die Transplantation von Stammzellen notwendig, um den Betroffenen am Leben zu erhalten. In einigen Fällen kann auch die Lebenserwartung des Patienten durch das Bruton-Gitlin-Syndrom deutlich verringert sein.

Nicht selten führt die Erkrankung auch zu psychischen Beschwerden oder zu depressiven Verstimmungen, die nicht nur beim Patienten, sondern auch bei den Angehörigen und bei den Freunden und Bekannten auftreten können. Herbei ist meistens der Besuch bei einem Psychologen notwendig, wobei sich auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Bruton-Gitlin-Syndroms positiv auf den Verlauf der Erkrankung auswirken kann.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei dem Bruton-Gitlin-Syndrom um einen vererbten, genetischen Defekt des X-Chromosomen handelt, gibt es keine Therapien, welche diese Krankheit heilen könnten. Eine Selbstheilung ist somit ausgeschlossen. Die auftretenden Symptome können nur gelindert werden.

Durch eine frühzeitige Diagnose von Bruton-Gitlin können gesundheitliche Komplikationen vorgebeugt werden. Typischer Weise treten die ersten Symptome bei zwei- bis drei Monaten alten männlichen Säuglingen auf. Die von der Mutter während der Schwangerschaft übertragenen Antikörper werden zu diesem Zeitpunkt mit den eigenen Gammaglobulinen ersetzt.

Die fehlenden Antikörper werden dem Patienten mit Hilfe von Infusionen zugeführt. Dies schafft eine zeitweise Verbesserung des Immunsystems. In besonders schweren Fällen der Krankheit wird eine Stammzellentransplantation durchgeführt. Es werden dabei blutbildenden Stammzellen übertragen. Die Lebenserwartung von Patienten verringert sich auf Grund des geschwächten Immunsystems, sollte das Bruton-Gitlin-Syndrom nicht behandelt werden.

Vorbeugend unterstützt eine genetische Beratung bei der Familienplanung. Dies schließt sowohl Frauen als auch Männer ein. Obwohl Frauen häufig keine Symptome bei Bruton-Gitlin zeigen, können sie den Gendefekt jedoch an die eigenen Kinder weitergeben. Die Beratung klärt hier über die Risiken einer Vererbung auf und hilft somit, sich für oder gegen eigene Kinder zu entscheiden.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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