Bisslage

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Bisslage gibt Auskunft über die sagittale Lagebeziehung zwischen Unterkiefer und Oberkiefer. Bei einer neutralen Bisslage liegen beide Kiefer in der richtigen Relation zueinander.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Bisslage?

Die Bisslage ist eine Lagebezeichnung, die Aufschluss darüber gibt, wie die beiden Kieferknochen zueinander stehen.

Der menschliche Kiefer besteht aus einem Oberkiefer (Maxilla) und einem Unterkiefer (Mandibula). Die Kiefer sind Teil des Schädels. Der Unterkiefer ist ein U-förmiger-Knochen, der durch das Kiefergelenk am Schläfenbein befestigt ist. Am vorderen Teil des Unterkieferknochens setzt ein Teil der Kaumuskulatur an. Durch das Kiefergelenk ist der Unterkieferknochen beweglich.

Der Oberkieferknochen ist der größte Knochen des Mittelgesichtes. Teilweise ist der Oberkieferknochen hohl. Die Hohlräume innerhalb des Knochens sind Teil der Nasennebenhöhlen und werden Kieferhöhlen genannt. Im Gegensatz zum Unterkiefer ist der Oberkiefer unbeweglich. In den Zahnfächern der Kieferknochen sind die Zähne verankert.

Als Biss bezeichnet man das Ineinandergreifen von Oberkiefer- und Unterkieferzähnen. Die Bisslage wiederum ist eine Lagebezeichnung, die Aufschluss darüber gibt, wie die beiden Kieferknochen zueinander stehen. Den physiologischen Biss bezeichnet man als Neutralbiss oder auch als Normbiss. Unterkiefer und Oberkiefer stehen sowohl zueinander als auch zum gesamten Schädel in einer normalen Lagebeziehung.

Funktion & Aufgabe

Eine normale Bisslage ist Voraussetzung für einen physiologischen Kauvorgang. Das Kauen erfordert eine optimale Abstimmung zwischen Kieferknochen, Kaumuskulatur, Zähnen und Kiefergelenken. Die Kaufunktion erfolgt reflektorisch. Die für den Kauvorgang nötigen Bewegungen führt allein der Unterkiefer aus. Dabei werden ständig schnelle Feinabstimmungen durch die Kiefermuskulatur durchgeführt.

Bei normaler Bisslage haben die Zähne nur beim Kauen, Beißen und Schlucken Kontakt miteinander. Durch die hohe Druckbelastung beim Kauvorgang ist es wichtig, dass eine senkrechte Belastung der Zähne erfolgt.

Die Zähne sind in den Zahnfächern der Kieferknochen an Kollagenfasern aufgehängt. Der Druck, der beim Kauen auf den Zahn wirkt, wird in eine Zugbelastung des Knochens umgewandelt. Bei einer optimalen Bisslage wird durch das Kauen also der Knochenaufbau in den Kieferknochen angeregt. Umgekehrt kann der fehlende Druck bei einer Fehlstellung zu Knochenschwund führen.

Eine physiologische Bisslage ermöglicht dem Menschen die zugeführte Nahrung effektiv zu zerkleinern und somit optimal für die Verdauung vorzubereiten. Die Zähne sind aber nicht nur Kauwerkzeuge, sondern auch Sprechwerkzeuge, die an der Lautbildung beteiligt sind. Eine normale Bisslage ermöglicht Sprechen ohne Zischeln, Pfeifen oder Lispeln.

Nebenbei erfüllt der Zahn- und Kieferapparat zudem eine soziale Funktion. Gesunde und gerade Zähne sowie eine gerade Kieferstellung werden als schön und erstrebenswert empfunden und gelten als gesellschaftliches Aushängeschild. Häufig wird mit dem Zustand und der Stellung der Zähne auch ein entsprechender Sozialstatus assoziiert.


Krankheiten & Beschwerden

Stehen Ober- und Unterkiefer in einer pathologischen Lagebeziehung, spricht man von einem Fehlbiss oder einer falschen Bisslage. Ist der Unterkiefer nach hinten verlagert, entsteht ein Distalbiss. Der Distalbiss wird auch als Unterieferrücklage bezeichnet. Von vorne betrachtet liegt der untere Zahnbogen dann hinter dem oberen Zahnbogen. Der Distalbiss ist auch bekannt als frontaler Überbiss oder Scherenbiss. Im Volksmund spricht man von Hasenzähnen oder einem fliehenden Kinn.

Das Gegenteil des Distalbisses ist der sogenannte Mesialbiss. Hier stehen die oberen Schneidezähne vor, sodass ein frontaler Überbiss entsteht. Untere Schneidezähne, die vor die oberen Schneidezähne beißen, bilden einen Vorbiss. Die Einteilung der Zahnfehlstellungen erfolgt in Angle-Klassen. Distalbisse gehören zur Klasse II, Mesialbisse zur Klasse III.

Die Ursachen von Zahn- und Kieferfehlstellungen sind vielfältig. Häufig werden die Anomalien vererbt, zum Beispiel in Verbindung mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Auch hormonelle Ursachen sind denkbar. So kann beispielsweise eine Akromegalie eine Veränderung der Bisslage zur Folge haben. Bei der Akromegalie wird vermehrt das Wachstumshormon Somatotropin gebildet. Es kommt unter anderem zu einem knöchernen Wachstum im Kinnbereich.

Zahnfehlstellungen können auch erworben werden. Ständiges Fingerlutschen oder der Schnuller im Kleinkindalter sowie Fehlfunktionen beim Schluckvorgang können zu einer veränderten Bisslage führen. Ebenso sind Infektionskrankheiten oder ein chronischer Vitaminmangel denkbare Ursachen einer pathologischen Bisslage.

Bereits kleine Fehlstellungen der Kieferknochen können beachtliche Beeinträchtigungen hervorrufen. Durch die falsche Lagebeziehung kommt es zu einer Fehlbelastung der Zähne, der Kieferknochen und der Kaumuskulatur.

Beim Kauen entstehen große Kräfte. Der Kaudruck beim Menschen liegt bei der Nahrungszerkleinerung bei 20-30Kp/cm². Bei einer normalen Bisslage wird der Druck gleichmäßig verteilt. Bei einem Vor- oder Rückbiss ist diese optimale Druckverteilung nicht mehr gewährleistet. Durch die ständige Überbeanspruchung bestimmter Kieferbereiche kann es zu einer Kieferklemme kommen. Bei dieser kann der Mund nicht mehr vollständig geöffnet werden. Auch eine Kiefersperre als Folge einer falschen Bisslage ist denkbar. Eine Kiefersperre verhindert das Schließen des Mundes.

Gesichtsschmerzen, Kopfschmerzen und Rückenschmerzen können durch eine Kieferfehlstellung verursacht werden. Durch die Fehlfunktion des Kiefers verspannt die Kau- und Gesichtsmuskulatur. Die Nackenmuskulatur wird ebenso verspannt. Nicht selten liegt die Ursache einer Migräne im Kieferbereich.

Durch die ungleichmäßige Druckverteilung werden auch die Zähne in Mitleidenschaft gezogen. Eventuell sterben Zähne vorzeitig ab oder fallen aus. Vielleicht äußert sich die pathologische Bisslage sogar in Verdauungsproblemen. Ist ein Zubeißen und Kauen durch die Fehlstellung nicht richtig möglich, wird die Nahrung nur unzureichend zerkleinert. Dies kann zu Problemen im Magen-Darm-Bereich führen. Lässt sich der Mund aufgrund der Bisslage nicht mehr richtig schließen, erfolgt die Atmung meist durch den Mund. Trockene Schleimhäute und eine vermehrte Infektanfälligkeit sind die Folge. Je nach Bisslage kann es auch zu Sprachstörungen kommen.

Quellen

  • Gängler, P., et al.: Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Hausamen, J.-E., et al.: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Springer, Heidelberg 2012
  • Kahl-Nieke, B.: Einführung in die Kieferorthopädie. Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln 2010

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