Barber-Say-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Barber-Say-Syndrom ist eine seltene Erbkrankheit mit vermehrter Behaarung und auffälliger Gesichtsphysiognomie. Bislang wurden seit der Erstbeschreibung nur zehn Fälle dokumentiert, sodass die Forschung im Falle des Syndroms in den Kinderschuhen steckt. Weder zur Vererbung, noch zur Ursache der Erkrankung ist bislang Näheres bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Barber-Say-Syndrom?

Die bisherigen Forschungen haben nicht erwiesen, ob dem Syndrom ein autosomal-rezessiver, autosomal-dominanter oder X-chromosomal-dominanter Erbgang zugrunde liegt.
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N. Barber und seine Mitarbeiter beschrieben im Jahr 1982 erstmals eine Erkrankung mit dem Namen Barber-Say-Syndrom. Die Krankheit wurde seit der Erstbeschreibung lediglich an zehn Patienten dokumentiert. Schätzungen zufolge liegt die Häufigkeit für das Syndrom bei weniger als einem Fall auf 1.000.000 Menschen. Beim Barber-Say-Syndrom handelt es sich vermutlich um eine Erkrankung mit erblicher Basis.

Die genaue Art der Vererbung ist bislang unbekannt, allerdings wird ein autosomal-dominanter Erbgang vermutet. Das Krankheitsbild ist vor allem durch eine Hypertrichose geprägt, die weit über die normale Behaarung hinausgeht. In der Regel liegt in Kombination dazu eine Atrophie der Haut vor, die den Betroffenen abgemagert und ausgezehrt wirken lässt. Zusätzlich werden oft Fehlstellungen des Augenlids und übermäßig breite Mundpartien beobachtet.

Wegen der geringen Anzahl an dokumentierten Fällen ist das Barber-Say-Syndrom noch lange nicht abschließend erforscht. Vor allem die Ursachenforschung steckt bislang in den Kinderschuhen, da die wenig dokumentierten Fälle keine fundierte Basis für eine tiefergehende Ätiologie liefern.

Ursachen

Die bisherige Forschung legt für das Barber-Say-Syndrom eine erbliche Basis nahe. In einem Fall wurde der Symptomkomplex bisher dokumentierter Weise von Mutter zu Sohn übertragen. Im so dokumentierten Fall hatte die Mutter zusätzlich eine Gaumenspalte und eine Schallleitungsschwerhörigkeit. Damit kann es sich bei dem genannten Fall theoretisch auch um ein vollkommen anderes Syndrom gehandelt haben.

Die bisherigen Forschungen haben nicht erwiesen, ob dem Syndrom ein autosomal-rezessiver, autosomal-dominanter oder X-chromosomal-dominanter Erbgang zugrunde liegt. Über einen Zusammenhang mit dem ebenso seltenen Ablepharon-Makrostomie-Syndrom wird in der gegenwärtigen Medizin spekuliert. Die beiden Syndrome scheinen nicht aus derselben Gruppe zu stammen, sie scheinen trotz ihrer Verschiedenheit aber dasselbe Gen zu betreffen.

Vermutlich handelt es sich bei den beiden Erkrankungen um verschiedene Mutationen des gleichen Gens. Zum Gen-Lokus ist auch beim Ablepharon-Makrostomie-Syndrom allerdings nichts Näheres bekannt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Barber-Say-Syndrom äußert sich vor allem in einer kongenital generalisierten Hypertrichose. Die extreme Behaarung der Patienten fällt in der Regel schon unmittelbar nach der Geburt auf. Dasselbe gilt für das auffällige Gesicht der Betroffenen, das durch eine breite Nasenwurzel, einen antevertierten Nares und besonders dünne Lippen ins Auge fällt.

Trotz der ansonsten extremen Behaarung fehlen den Patienten die Augenbrauen oder sind zumindest minderstark ausgeprägt. Die Lider sind von Fehlstellungen betroffen oder fehlen ganz. Zusätzlich liegt oft ein Hypertelorismus oder Telekanthus vor. Dasselbe gilt für malformierte Ohren und überdehnbare oder überschüssige Haut. Außerdem kann eine Hypoplasie der Mamillen vorliegen. Das vollständige Fehlen der Brustdrüsen ist ein ebenso denkbares Symptom.

Häufig ist bei den Patienten des Barber-Say-Syndroms außerdem der Zahndurchbruch verspätet. Vermutlich können im Einzelfall weitere Symptome hinzukommen, die wegen der geringen Anzahl dokumentierter Fälle bislang nicht erfasst werden konnten.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose des Barber-Say-Syndroms kann sich schwierig gestalten. Da bislang kein spezifisches Gen für das Syndrom verantwortlich gemacht wurde, läuft die molekulargenetische Untersuchung der Patienten ins nichts. Der Arzt stellt die Diagnose allenfalls blickdiagnostisch, da ihm handfeste Diagnosekriterien fehlen.

Auch die Differentialdiagnose und Abgrenzung vom ebenso seltenen Ablepharon-Makrostomie-Syndrom ist ein schwieriges Unterfangen. Weder für das Barber-Say-Syndrom, noch für das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom ist die Ätiologie abschließend geklärt oder auf einen spezifischen Gen-Lokus eingegrenzt worden. Die Unterscheidung der beiden Syndrome wird vorwiegend von den geringeren Genitalanomalien beim Barber-Say-Syndrom bestimmt. Die Medizin geht bisher von einem eher günstigen Krankheitsverlauf für das Barber-Say-Syndrom aus.

Komplikationen

Die klinischen Leitbilder des Barber-Say-Syndroms sind vermehrte Behaarung und eine auffällige Gesichtsphysiognomie. Die Behaarung der Patienten geht weit über die normale Behaarung gesunder Menschen hinaus, während die Augenbrauen fehlen oder minder stark ausgeprägt sind. Die Augenlider weisen eine Fehlstellung auf oder fehlen ganz.

Ein vergrößerter Abstand kennzeichnet die Augen beziehungsweise die inneren Augenwinkel. Die Mund- und Nasenpartie fällt außergewöhnlich breit aus. Dieselben Auffälligkeiten gelten für missgebildete Ohren. Zusätzlich liegt ein Gewebeschwund der Haut vor, der die Patienten abgemagert und ausgezehrt aussehen lassen.

Bei einigen Betroffenen erfolgt der Zahndurchbruch verspätet. Da das Barber-Say-Syndrom bisher nur zehn Mal weltweit dokumentiert wurde, ist die Medizin von individuellen Therapieansätzen weit entfernt. Obwohl die Lebenserwartung der Patienten nicht unbedingt eingeschränkt ist, kommt zu den physiologischen Komplikationen ein hoher psychischer Leidensdruck hinzu. Verschiedene kosmetische Behandlungen sowie invasive Eingriffe zur Beseitigung der übermäßigen Behaarung und auffälligen Missbildungen sind denkbar.

Auch eine medikamentöse Therapie ist möglich. Jedoch bestehen in diesen Fällen häufig Nebenwirkungen, die zusätzliche Komplikationen verursachen. Die Prognose zur vollständigen Heilung ist negativ, denn die auffälligen Symptome und Begleiterscheinungen des Barber-Say-Syndroms lassen sich nicht vollends beseitigen. Um die psychosomatischen Komplikationen zu mildern, die die Behandlung durch einen Psychotherapeuten denkbar.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es sich bei dem Barber-Say-Syndrom um eine extrem seltene Erbkrankheit handelt, gestaltet sich die ärztliche Diagnose als schwierig. Typische Symptome wie die extreme Behaarung und das auffällige Gesicht der Patienten fallen meist direkt nach der Geburt auf. Anzeichen wie eine breite Nasenwurzel, fehlende Augenbrauen oder besonders dünne Lippen geben Anlass für eine weitergehende Untersuchung. Das Krankheitsbild verleitet meist ganz automatisch zu einer routinemäßigen körperlichen Diagnose.

Aufgrund der geringen Anzahl der Fälle ist eine gezielte Diagnose des Syndroms allerdings meist nicht möglich. Allerdings können körperliche Merkmale bei den Eltern – in einem dokumentierten Fall wurde eine Gaumenspalte festgestellt – sowie mögliche Begleiterkrankungen den entscheidenden Hinweis zur Diagnose des Barber-Say-Syndroms liefern.

Eltern mit genetischen Vorerkrankungen oder Fällen von Erbkrankheiten im erweiterten Familienkreis sollten dies im Rahmen der Schwangerschaftsberatung und der zugehörigen ärztlichen Untersuchungen ansprechen. Dadurch kann das Kind bereits vor der Geburt untersucht und auf mögliche genetische Erkrankungen wie das Barber-Say-Syndrom getestet werden.

Behandlung & Therapie

Die Ätiologie des Barber-Say-Syndroms bleibt ein Mysterium. Aus diesem Grund ist die Medizin gegenwärtig weit von einer ursächlichen Behandlung der Erkrankung entfernt. Wie auch für das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom kommen lediglich symptomatische Behandlungswege in Frage. Die Behandlung besteht in der Regel aus vorwiegend rekonstruktiv-chirurgischen Eingriffen.

Die Rekonstruktion beschränkt sich beim Barber-Say-Syndrom in der Regel auf die Augenlider und die Ohren der Patienten. Gegebenenfalls können auch Hypoplasien der Mamillen chirurgisch behandelt werden. Die auffällig breite Nase lässt sich gegebenenfalls ebenso durch eine chirurgische Intervention korrigieren. Die Patienten müssen die Nase allerdings nicht zwingend behandeln lassen, falls sie sich an der Breite nicht stören.

Grundsätzlich liegen beim Ablepharon-Makrostomie-Syndrom schlimmere Fehlstellungen und Anomalien vor als beim Barber-Say-Syndrom. Gegen die starke Behaarung des Barber-Say-Syndroms stehen unterschiedliche Therapieansätze zur Verfügung. Neben den äußeren Behandlungen durch kosmetische und schönheitsmedizinische Methoden sind medikamentöse Behandlungen denkbar, die Betroffenen wegen der Nebenwirkungen allerdings nur bei hohem Leidensdruck empfohlen werden.

Kosmetische Verfahren wie Waxing oder anderweitige Methoden wie die Laserbehandlung sind in der Regel sanfter als die dauerhafte Medikamenteinnahme und gehen mit deutlich weniger Nebenwirkungen einher. Vor allem in der Pubertät können sich die Patienten gegebenenfalls vor psychischen Herausforderungen sehen. Falls das der Fall ist, verhindert die zeitige Kontaktaufnahme mit einem Psychotherapeuten idealerweise den sozialen Rückzug der Betroffenen.

Aussicht & Prognose

Die Prognose des Barber-Say-Syndroms gilt nach den bisherigen medizinischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten als ungünstig. Obwohl die Lebenserwartung des Patienten nicht vermindert ist, kommt es zu keiner Heilung der Krankheit. Die genetische Erkrankung kann symptomatisch behandelt werden. Eine Kausaltherapie ist für den Patienten jedoch nicht möglich.

Forschern und Wissenschaftlern ist es bei der Suche nach Therapieansätzen nicht gestattet, eine Veränderung der menschlichen Genetik auszuüben. Dies führt dazu, dass mit verschiedenen Möglichkeiten versucht wird, die einzelnen Symptome zu behandeln.

Zusätzlich zur medizinischen Versorgung stehen dem Patienten verschiedene alternative Behandlungsformen zur Verfügung. Die ungewöhnliche und ungewollte Behaarung kann kurzzeitig über Waxing oder gezielte Rasuren entfernt werden. Eine dauerhafte Linderung tritt nicht ein. Dennoch können die Methoden helfen, um das Wohlbefinden des Patienten im Alltag zu verbessern.

Zusätzlich zu den kosmetischen Ansätzen erfolgt eine medikamentöse Unterstützung. Damit wird eine weitere Verbesserung der Gesundheit angestrebt. Ziel ist es, die Auswirkungen des optischen Makels zu minimieren. Einige Patienten entscheiden sich zusätzlich zu einem schönheitschirurgischen Eingriff. Korrekturen im Gesicht können vorgenommen werden, um eine dauerhafte Veränderung zu erzielen.

Bei der Stellung einer Gesamtprognose ist zu berücksichtigen, dass die chirurgischen Eingriffe den üblichen Risiken und Nebenwirkungen einer Operation unter Vollnarkose unterliegen.


Vorbeugung

Die Auslöser des Barber-Say-Syndroms sind weitestgehend unbekannt. Da derart wenige Forschungsgrundlagen für das Symptom existieren, lässt sich der Erkrankung bislang nicht vorbeugen. Dasselbe gilt für die verwandte Erkrankung des Ablepharon-Makrostomie-Syndroms.

Das können Sie selbst tun

Das Barber-Say-Syndrom ist extrem selten, bisher gibt es weder schulmedizinische noch alternative Heilmethoden, die ursächlich wirken.

Die vom Barber-Say-Syndrom betroffenen Personen leiden meist sehr stark unter ihrem äußeren Erscheinungsbild, was die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Die soziale Interaktion wird unter anderem durch den extrem starken Haarwuchs am ganzen Körper beeinträchtigt. Dritte werden beim Anblick dieser Personen oft in Angst versetzt oder halten den Betroffenen für extrem ungepflegt.

Der übermäßigen Körperbehaarung kann aber mit kosmetischen Mitteln beigekommen werden. Am einfachsten ist eine gründliche tägliche Rasur mit Hilfe von Einwegrasierern und Rasierschaum oder Rasiergel aus der Drogerie. Störende Körperhaare können außerdem mit Enthaarungscremes auf Basis von Kalium- oder Ammoniumsalzen der Thioglycolsäure oder Thiomilchsäure entfernt werden.

Länger anhaltende Erfolge können mit Methoden erzielt werden, bei denen die Haare mitsamt der Wurzel ausgerissen werden. Zu den verbreitetsten Methoden gehört das "Waxing" und das "Sugaring". Dabei werden die Körperhaare mit Hilfe von Wachs bzw. Zucker entfernt. Solche Behandlungen werden von Kosmetikstudios angeboten.

Da diese Methoden sehr schmerzhaft sind eignen sie sich nicht für alle Betroffenen und auch nicht für alle Körperregionen. Dauerhaft und vergleichsweise sanft ist dagegen die Haarentfernung mit Laser. Hierüber können sich Interessierte beim Hautarzt informieren.

Liegen neben der starken Behaarung noch andere auffällige Merkmale, wie zum Beispiel Anomalien im Gesicht vor, sollte ein plastischer Chirurg konsultiert werden.

Sofern die Betroffenen unter ihrem Erscheinungsbild seelisch stark leiden, kann eine Psychotherapie hilfreich sein.

Quellen

  • Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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