Autoimmunität

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Autoimmunität ist ein Fehlverhalten des Immunsystems. Der Körper verliert bei Autoimmunerkrankungen die Toleranz gegenüber körpereigenen Strukturen. Infolge dessen kommt es zu chronischen Entzündungen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Autoimmunität?

Der Körper verliert bei Autoimmunerkrankungen die Toleranz gegenüber körpereigenen Strukturen. Eine Autoimmunerkrankung ist z.B. Multiple Sklerose.

Autoimmunität ist die Unfähigkeit des Körpers, seine Gewebestrukturen als körpereigen zu erkennen. Das Immunsystem reagiert falsch und greift das eigene Gewebe an.

Die Folge ist eine chronische Entzündung. Dabei können verschiedene Gewebe von den Attacken des Immunsystems betroffen sein. Bekannte Autoimmunerkrankungen sind die Multiple Sklerose, die Hashimoto-Thyreoiditis oder der Lupus erythematodes.

Funktion & Aufgabe

Das Immunsystem kann in eine spezifische und in eine unspezifische Abwehr unterteilt werden. Die Hauptzellen der spezifischen Abwehr sind die B- und die T-Lymphozyten. Sie reifen im Knochenmark und im Thymus heran. In den Lymphgeweben von Milz, Lymphknoten und Mukosa-assoziiertem lymphatischem Gewebe (MALT) sollen sie alles Fremde angreifen und unschädlich machen.

Jeder Lymphozyt ist dabei für eine andere Fremdstruktur zuständig. Die Fremdstrukturen werden auch als Antigene bezeichnet. Jeder B-Lymphozyt trägt auf seiner Oberfläche einen Rezeptor. Bei Kontakt mit dem spezifischen Antigen wandelt sich der B-Lymphozyt in eine Plasmazelle um und produziert Antikörper gegen die Fremdsubstanz. Diese binden sich an das Antigen und eliminieren es.

Auch die T-Lymphozyten verfügen über ähnliche Erkennungsmechanismen. Dringt ein Erreger in eine Zelle ein, so präsentiert diese einen Teil des Erregers auf ihrer Oberfläche. Die T-Lymphozyten erkennen diese sogenannte Antigenpräsentation. Sie werden dadurch aktiviert und differenzieren sich. Die entstehenden T-Killerzellen zerstören die erkrankte Zelle, T-Helferzellen locken weitere Immunzellen zur Unterstützung an und regulatorische T-Zellen verhindern überschießende Immunreaktionen.

In den Prägungsorganen wird eigentlich dafür gesorgt, dass Lymphozyten, die auf körpereigene Strukturen geprägt sind, nicht in den Körperkreislauf gelangen. Solche Lymphozyten sollten ihren Bauplan für den Rezeptor ändern. Gelingt dies nicht, werden sie mithilfe der Apoptose eliminiert. In einem gesunden Körper zirkulieren somit nur Lymphozyten, die tolerant gegenüber körpereigenen Strukturen sind.

Bei Autoimmunerkrankungen geht diese Toleranz verloren. Körpereigene Antigene werden von den Lymphozyten nicht erkannt. Sie reagieren auf diese Substanzen so, als wären es Fremdsubstanzen. Der genaue Entstehungsmechanismus der Autoimmunität ist allerdings noch nicht hinreichend geklärt. Es werden zwei verschiedene Ursachen diskutiert: Zum einen ist es möglich, dass es körperfremde Antigene gibt, die körpereigenen Antigenen ähneln. Somit schädigen die Antikörper, die bei einer Immunantwort produziert werden, unbeabsichtigt auch körpereigene Antigene. Zum anderen ist denkbar, dass autoreaktive Zellen, also Zellen, die auch auf eigenes Gewebe reagieren, während der Lymphozytenprägung nicht eliminiert werden, sondern erhalten bleiben. Warum sich das Immunsystem nun aber bei einem Menschen gegen Bestandteile der Schilddrüse und bei anderen Menschen gegen Bestandteile der Bauchspeicheldrüse richtet, ist nicht bekannt.


Krankheiten & Beschwerden

Eine bekannte Autoimmunerkrankung ist die Multiple Sklerose (MS). Hier reagiert das Immunsystem auf die Umhüllung von Nervenfasern. Die Isolierschichten der Nervenfasern, die Myelinscheiden, werden dabei zerstört. Die Erkrankung ist durch Läsionen der Axone charakterisiert. Diese finden sich im gesamten Zentralnervensystem, sind jedoch häufig im Bereich des Sehnervs und des Hirnstamms angesiedelt.

Bei der Mehrzahl der PatientInnen beginnt die Erkrankung zwischen dem zwanzigsten und dem vierzigsten Lebensjahr. Frühsymptome der MS sind Sehstörungen, Gangunsicherheit, Taubheit oder Kribbeln in Armen und Beinen und Schwindel.

Häufig verläuft die Erkrankung in Schüben. Anfangs bilden sich die Symptome komplett zurück. Mit fortschreitender Erkrankung bleiben häufig Behinderungen bestehen. Oft geht der schubförmige Verlauf in ein progredientes Stadium über. Die Multiple Sklerose ist nicht heilbar.

Eine weitere Autoimmunerkrankung ist der Lupus erythematodes (LE). Die systemische Erkrankung gehört zu den Kollagenosen. Charakteristisch ist ein hoher Titer an Autoantikörpern. Diese richten sich gegen die DNA. Der Lupus kann in verschiedene Unterformen unterteilt werden. Der systemische LE betrifft meist Frauen zwischen dem zwanzigsten und dem vierzigsten Lebensjahr. Die Autoantikörper und die daraus resultierenden Immunkomplexe verursachen Gewebeschäden und rufen damit das typische dermatologische Krankheitsbild hervor.

Diese Form verläuft schubweise und ist durch das sogenannte Schmetterlingserythem im Gesicht gekennzeichnet. Es kommt zudem zu Gelenkerkrankungen, Brustfellentzündungen, Herzbeutelentzündungen und Nierenschäden. Auch das Nervensystem ist beteiligt. Die subakute kutane Form verläuft deutlich milder. Hier finden sich rote schuppige Hauterscheinungen an sonnenexponierten Körperstellen. Die Erkrankung kann nicht geheilt werden. Schwere Fälle erfordern eine hoch dosierte Cortison- oder Chemotherapie.

Auch die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn gehören zu den Autoimmunerkrankungen. Bei beiden Krankheiten kommt es zu Entzündungen des Darms. Beim Morbus Crohn können die Entzündungen im gesamten Verdauungstrakt auftreten. Bevorzugt befallen sind der Dünndarm, der Dickdarm und die Speiseröhre. Bei der Colitis ulcerosa ist fast ausschließlich der Dickdarm betroffen. Die PatientInnen beider Erkrankungen leiden unter Bauchschmerzen, Durchfall, Fieber, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen.

Bei rund der Hälfte aller PatientInnen kommt es zudem zu Manifestationen außerhalb des Darms. Beim Morbus Basedow richten sich die Antikörper gegen Schilddrüsengewebe. Die produzierten Antikörper greifen die TSH-Rezeptoren der Schilddrüse an. TSH, das Thyreoidea stimulierende Hormon, wird in der Hypophyse gebildet und regt die Schilddrüse zur Produktion von Schilddrüsenhormonen an. Die Wirkung der Antikörper an dem Rezeptor ähnelt der Wirkung des TSHs. Dadurch kommt es zu einer Überproduktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4. Es resultiert eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) mit einer klassischen Symptomentrias aus schnellem Herzschlag, Kropf und hervortretenden Augäpfeln (Exophthalmus).

Quellen

  • Janeway C.A., Travers P.: Immunologie. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, 1997
  • Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012
  • Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011

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