Autoimmunhämolytische Anämie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der autoimmunhämolytischen Anämie handelt es sich um eine spezielle Form der Anämie, die nicht angeboren, sondern erworben wurde. Die Erkrankung wird in der medizinischen Umgangssprache auch mit der Abkürzung AIHA bezeichnet. Auslöser der Krankheit sind bestimmte Antikörper, die sich gegen körpereigene Antigene richten. Dabei binden sich die Antikörper vor allem an die roten Blutkörperchen (wissenschaftliche Bezeichnung Erythrozyten) und zerstören diese Blutzellen in manchen Fällen. Dieser Zerstörungsprozess wird auch Hämolyse genannt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine autoimmunhämolytischen Anämie?

Typisch für eine autoimmunhämolytische Anämie sind Anzeichen einer Anämie wie etwa Müdigkeit, blasse Haut, geringe Leistungsfähigkeit, Tachykardie sowie Atemnot bei physischer Anstrengung.
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Grundsätzlich existieren verschiedene Formen der autoimmunhämolytischen Anämie. Im Wesentlichen wird in vier unterschiedliche Kategorien differenziert. Die Unterschiede zwischen diesen Formen liegen in erster Linie in den verschiedenen Ursachen für die Entstehung der autoimmunhämolytischen Anämie.

So gibt es eine autoimmunhämolytische Anämie vom Donath-Landsteiner-Typ, vom Wärmetyp, vom Kältetyp sowie eine AIHA, die durch bestimmte Arzneimittel hervorgerufen wird. Kennzeichnend ist bei allen Ausprägungen der Krankheit, dass das Immunsystem Antikörper herstellt, die zu einer Zerstörung von roten Blutzellen führen.

Am häufigsten kommt die autoimmunhämolytische Anämie vom Wärmetyp vor. Circa drei Viertel aller Krankheitsfälle sind in dieser Kategorie angesiedelt. Dabei werden sogenannte Wärmeantikörper vom Immunsystem gebildet. An zweiter Stelle steht die AIHA vom Kältetyp, die etwa ein Fünftel aller Erkrankungen ausmacht. Weitaus seltener sind autoimmunhämolytische Anämien, die mit bithermischen Antikörpern einhergehen.

Zudem wird in komplette und inkomplette Antikörper unterschieden. Erstere führen eine deutlich sichtbare Verklumpung des Blutes herbei (medizinischer Fachbegriff Agglutination). Dabei verkleben die roten Blutkörperchen miteinander. Beim Vorliegen von inkompletten Antikörpern treten keine Verklumpungen der Blutzellen auf.

Die kompletten Antikörper gehören meist den Immunglobulinen M an, die inkompletten sind Immunglobuline G. Befinden sich die Antikörper an der Oberfläche der roten Blutzellen, lassen sie sich mit einer sogenannten direkten Coombs-Prüfung feststellen. Antikörper innerhalb des Blutserums sind mittels indirekter Coombs-Prüfung nachweisbar.

Ursachen

Die Ursachen für die Entstehung der autoimmunhämolytischen Anämie hängen vom jeweiligen Krankheitstyp ab. Am häufigsten handelt es sich um eine autoimmunhämolytische Anämie vom Wärmetyp. Die verantwortlichen Antikörper erreichen bei Körpertemperatur optimale Bedingungen zur Ausbreitung.

Häufig sind es sogenannte Immunglobuline G, weitaus seltener A oder M. Grundsätzlich zeigt sich die Erkrankung in jedem Alter, am häufigsten sind jedoch erwachsene Personen betroffen. Zudem leiden weibliche Patienten öfter an der Krankheit als männliche. In circa 50 Prozent aller Krankheitsfälle sind externe Gründe für die Entstehung der autoimmunhämolytischen Anämie nicht feststellbar.

In den übrigen Fällen zeigen sich Verbindungen zu verschiedenen äußeren Einwirkungen oder Infektionen. Sehr selten sind zum Beispiel Impfungen für die Erkrankung verantwortlich. Weitere potenzielle Auslöser sind Immundefekte, maligne Lymphome, Leukämie, Thymome oder Kollagenosen.

Andere Ursachen liegen bei der autoimmunhämolytischen Anämie vom Kältetyp vor. Sinkt die Körpertemperatur, finden Kälteagglutinine optimale Bedingungen vor. Dabei handelt es sich in der Regel um Immunglobuline M. Sie bewirken, dass sich die roten Blutkörperchen verbinden.

Anschließend kommt es zur Zerstörung der Zellen. Potenzielle Ursachen für diesen Prozess sind zum Beispiel maligne Lymphome, eine monoklonale Gammopathie wie etwa Morbus Waldenström oder diverse Infekte.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die autoimmunhämolytische Anämie ist durch eine Reihe von Beschwerden gekennzeichnet. Typisch sind Anzeichen einer Anämie wie etwa Müdigkeit, blasse Haut, geringe Leistungsfähigkeit, Tachykardie sowie Atemnot bei physischer Anstrengung. Darüber hinaus treten typische Beschwerden der Hämolyse in Erscheinung.

Dazu zählen zum Beispiel Urin von dunkler Farbe infolge der Freisetzung des Blutfarbstoffs Hämoglobin und eine gelbliche Verfärbung der Haut durch eine Akkumulation von Bilirubin. Grundsätzlich ist das klinische Voranschreiten der Erkrankung stark vom Einzelfall abhängig.

Ist die Hämolyse stark ausgeprägt, leiden die betroffenen Patienten an Symptomen wie Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen, Schmerzen in der Bauchgegend und Fieber. Dieser Zustand stellt unter Umständen eine akute Bedrohung für das Leben der erkrankten Person dar. Verläuft die Hämolyse extrem, sind ein Schock sowie ein Versagen der Nierenfunktion möglich.

Wenn Arzneimittel die Auslöser für die autoimmunhämolytische Anämie sind, stellen sich die Beschwerden in der Regel einige Minuten bis Stunden nach der Verabreichung ein. Bei der autoimmunhämolytischen Anämie vom Kältetyp kommt es zu einer intravasalen Hämolyse.

Diagnose & Verlauf

Wenn aufgrund typischer Symptome der Verdacht auf das Vorliegen einer autoimmunhämolytischen Anämie besteht, ist dringend ein Arzt zu konsultieren. Die Anamnese gibt bereits relevante Informationen über die Erkrankung. Um die autoimmunhämolytische Anämie sicher zu diagnostizieren, sind in erster Linie Blutuntersuchungen hilfreich.

Dabei wird der jeweils vorliegende Typ der Antikörper identifiziert. Besonders bedeutsam ist an dieser Stelle die Durchführung des Coombs-Tests. Bei einer autoimmunhämolytischen Anämie fällt die direkte Cooms-Prüfung meist positiv aus. Zeigen sich Wärmeantikörper, sind die Arzneimittel des Patienten zu überprüfen.

Auch sind Lymphome auszuschließen. Beim Nachweis von gemischten Antikörpern ist es mitunter erforderlich, die Blutprobe zuerst abzukühlen und anschließend wieder zu erwärmen.

Komplikationen

In den meisten Fällen kommt es bei dieser Anämie zu einer ausgeprägten Müdigkeit und zu Kopfschmerzen beim Patienten. Die Leistungsfähigkeit nimmt stark ab und es ist für den Patienten nicht mehr möglich, körperliche anstrengende Arbeiten und Aktivitäten zu verrichten. Ebenso leiden die meisten Patienten an einer blassen Haut und an Atemnot.

Die Atemnot kann bei vielen Patienten auch zu einer Panikattacke führen. Durch die Symptome wird die Lebensqualität stark eingeschränkt. Es können sich ebenso psychische Beschwerden und Depressionen entwickeln. Oft treten auch die Symptome einer gewöhnlichen Grippe ein, wie zum Beispiel Schüttelfrost, Durchfall und Erbrechen. Nicht selten kommt es dabei auch zu Fieber und zu Bauchschmerzen.

Im schlimmsten Falle führt diese Anämie zu einem Nierenversagen, wobei es sich für den Patienten um einen lebensgefährlichen Zustand handelt. Die Behandlung erfolgt in der Regel kausal und richtet sich dabei nach der Grunderkrankung der Anämie. Oft werden dem Patienten Medikamente verabreicht, die die Symptome abklingen lassen und die Beschwerden lindern.

Bei einer erfolgreichen und frühzeitigen Behandlung treten keine weiteren Komplikationen ein. Falls die Nieren beschädigt wurden, ist der Betroffene möglicherweise auf eine Dialyse angewiesen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) tritt in drei Varianten auf, je nachdem ob die autoimmune Hämolyse auf Wärmeantikörper, Kälteantikörper oder auf einer gemischten Form beruht. Allen drei Verlaufsformen ist gemeinsam, dass die Antikörper – meist sind es Immunglobuline des Typs G (IgG) – an den Rezeptoren der roten Blutzellen (Erythrozyten) andocken und diese damit zur Zerstörung durch das Immunsystem per Hämolyse „freigeben“. Es empfiehlt sich, bei ersten Symptomen, die auf eine AIHA-Erkrankung hindeuten könnte, ärztlichen Rat zu konsultieren und eine Blutuntersuchung auf bestimmte Antikörper durchführen zu lassen.

Anzeichen der Krankheit können recht unspezifisch sein wie Abgespanntheit, Leistungseinbußen, Atemnot und Schüttelfrost, Fieber und Übelkeit. Bei stark ausgeprägter Hämolyse kommt es zu Bilirubinansammlungen, der den Urin dunkel färbt und die Haut gelblich erscheinen lässt. Vor allem muss der Arzt differentialdiagnostisch abklären, ob andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen wie beispielsweise ein Lymphom oder eine Infektion mit Mykoplasmen ausgeschlossen werden kann.

Falls die akute AIHA von Wärmeantikörpern verursacht wird, muss darüber hinaus abgeklärt werden, ob eingenommene Medikamente, z. B. ein mit Penicillin verwandtes Antibiotikum oder Methyldopa zur Blutdrucksenkung der Auslöser der Krankheit sein können. In etwa der Hälfte aller Fälle von autoimmunhämolytischer Anämie lässt sich der Verursacher nicht feststellen, so dass es sich dann um eine idiopathische AIHA handelt.

Behandlung & Therapie

Die autoimmunhämolytische Anämie wird mit Bluttransfusionen behandelt. Grundsätzlich ist es wichtig, die Ursache der Erkrankung zu therapieren. Wenn dies nicht möglich ist, kommt eine Immunsuppression zum Einsatz. Außerdem werden mitunter die Medikamente Cyclophosphamid und Rituximab verabreicht.

Aussicht & Prognose

Bei einer rechtzeitigen medizinischen Behandlung gibt es bei der autoimmunhämolytischen Anämie eine gute Prognose. Sie ist dennoch abhängig von der vorliegenden Grunderkrankung, dem Alter des Patienten und dessen Gesundheitszustand.

Die besten Heilungschancen haben Erwachsene, die keinerlei Vorerkrankungen haben und über ein gesundes Immunsystem verfügen. Diese können nach einigen Wochen oder Monaten der Behandlung als gesund und beschwerdefrei entlassen werden. Zur Nachsorge werden sie weiter medizinisch versorgt, bis der Körper seine vollständige Gesundheit zurück erlangt hat.

Bestehen Vorerkrankungen, ist die Prognoseaussicht in Verbindung mit den Erkrankungen zu betrachten. Bei chronischen Krankheiten ist das Immunsystem meist geschwächt. Leidet der Patient unter schweren Erkrankungen, ist die Aussicht auf Heilung ebenfalls deutlich geschmälert. Bei Krankheiten, die das Blutsystem betreffen, sinken die Prognoseaussichten weiter ab. Dennoch haben diese Patienten weit bessere Heilungsaussichten als Menschen ohne eine medizinische Versorgung.

Ohne eine ärztliche Behandlung kommt es zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen. Anfänglich bestehen alltägliche Einschränkungen durch einen Leistungsabfall und einer andauernden Müdigkeit. Da sich die Krankheit schrittweise weiter ausbreitet, kann es im folgenden Verlauf zu Atemnot, Herzproblemen und Angstzuständen kommen.

Im schwersten Fall tritt ein Nierenversagen oder Herzinfarkt ein. Es drohen dem Patienten lebenslange Beeinträchtigungen und Funktionsstörungen. Darüber hinaus steigt das Risiko eines frühzeitigen Ablebens.


Vorbeugung

Eine Prävention der autoimmunhämolytischen Anämie ist nur möglich, indem den zu Grunde liegenden Infektionen oder Krankheiten vorgebeugt wird.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei dieser Krankheit nur sehr eingeschränkt oder gar keine Maßnahmen oder Möglichkeiten einer direkten Nachsorge zur Verfügung. In erster Linie muss bei dieser Erkrankung eine frühzeitige Diagnose mit einer anschließenden Behandlung erfolgen, damit es zu keinen weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Dabei muss schon bei den ersten Beschwerden dieser Anämie ein Mediziner kontaktiert werden, damit es nicht zu einer Verstärkung der Beschwerden kommt.

Eventuell ist durch diese Krankheit die Lebenserwartung des Betroffenen verringert. Dabei kann es auch nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen. Die Behandlung selbst erfolgt dabei in der Regel durch die Einnahme von Medikamenten. Bei dieser Einnahme sollte der Betroffene auf jeden Fall auf eine regelmäßige Einnahme mit einer richtigen Dosierung achten, damit die Beschwerden dauerhaft gelindert werden.

Dabei sind auch regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr sinnvoll und notwendig. Weiterhin muss bei dieser Anämie allerdings auch die zugrundeliegende Krankheit erkannt und behandelt werden, um diese Beschwerde dauerhaft einzuschränken. Allerdings kann dabei kein allgemeiner Krankheitsverlauf gegeben werden. Nicht selten sind die Betroffenen jedoch auf die Hilfe und die Unterstützung durch die eigene Familie angewiesen.

Das können Sie selbst tun

Die Autoimmunhämolytische Anämie besitzt drei Varianten, ist jedoch in ihrer Verlaufsform bezüglich der Zerstörung des Immunsystems per Hämolyse gleich. Sofern die zugrunde liegende Ursache medizinisch abgeklärt ist, können Betroffene den Therapieplan mit einigen Selbsthilfemaßnahmen im Alltag erfolgreich unterstützen.

Schlechte Lebensgewohnheiten wie Rauchen, ein Übermaß an Alkohol sowie Drogenmissbrauch sind abzulegen. In den täglichen Ernährungsplan gehören mindestens drei Liter an Flüssigkeit sowie Nahrungsmittel die viel Eisen enthalten, wie: Spinat, Rote Beete, Kresse, Petersilie insbesondere in Verbindung mit Zitrone, welche das Eisen optimal aufbereitet sowie Leinöl als Omega-3-Fettsäure Träger. Fettreiche inhaltslose Produkte und ein zu viel an koffeinhaltigen Getränken wirken destruktiv.

Teilweise lässt sich das Symptom auf Medikamentenmissbrauch zurückführen. Daher ist es wichtig, sich im Rahmen einer Therapie ausführlich beraten zu lassen. Dementsprechend können begleitende Erschöpfungszustände, Dauermüdigkeit und Kopfschmerzen adäquat behandelt werden. Ausgiebige Spaziergänge in der Natur sowie Tai-Chi sind empfehlenswert. Stress und körperlich schweres Arbeiten ist zu vermeiden.

Treten Zustände der Atemnot und akute Nierenschmerzen auf, sind diese dem medizinischen Notfalldienst zu melden und nicht selbst zu behandeln. Bluttransfusionen können die Autoimmunhämolytische Anämie mildern. Für Betroffene, die durch das Symptom an die Dialyse gebunden sind, sollte eine gründliche Körperhygiene und salzarme Kost im Vordergrund stehen.

Quellen

  • Dormann, A., Luley, C., Heer, C.: Laborwerte. Urban & Fischer, München 2005
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Wolff, H.-P., Weihrauch, T.R. (Hrsg.): Internistische Therapie. Urban & Fischer, München 2012

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