Autoimmunerkrankung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine Autoimmunerkrankung hat viele Gesichter. Aber es sind nicht äußere Feinde wie Viren, Bakterien, gut- oder bösartige Wucherungen, die am Werk sind, sondern die körpereigene Abwehr.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Autoimmunerkrankung?

Neben einer erblichen Veranlagung spielen zumeist Umweltfaktoren eine Rolle. Man hat festgestellt, dass Autoimmunerkrankungen rapide zunehmen.
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Als Autoimmunerkrankung wird eine Erkrankung bezeichnet, bei der das körpereigene Abwehrsystem eigene Strukturen wie Zellen und Gewebe angreift. Autoimmunerkrankung ist ein Sammelbegriff für ca. 60 Autoimmunerkrankungen wie z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Rheuma, Morbus Wegener, etc. Sie werden nach folgenden Kriterien unterschieden:

Organspezifische Immunerkrankungen:

Durch überschießende Reaktionen des Immunsystems werden spezifische Organe angegriffen und deren Gewebe zerstört. Diese Form ist am weitesten verbreitet.

Systemische Autoimmunerkrankungen:

Diese Form ist nicht auf bestimmte Organe begrenzt, sondern betrifft entzündliche Erkrankungen im Körper, wie z. B. Rheuma. 5 - 10 % der Betroffenen sind systemisch erkrankt.

Intermediäre Autoimmunerkrankungen:

Bei diesen Erkrankungen kann es sich um eine Mischform zwischen den ersten beiden oder um ein Übergangsstadium von einer zu nächsten handeln.

Ursachen

Neben einer erblichen Veranlagung spielen zumeist Umweltfaktoren eine Rolle. Man hat festgestellt, dass Autoimmunerkrankungen rapide zunehmen. Zum einen sind es Gifte. Raucher und Menschen, die am Arbeitsplatz Mineralöl und Silikonstaub ausgesetzt sind, sind häufiger von Gelenkrheuma betroffen. Bei genetischer Disposition erhöht sich das Erkrankungsrisiko ca. um das 16-fache. Für Hauterkrankungen wie Lupus erythematodes gelten die Weichmacher in Kosmetika als Ursache.

Unsere Ernährung begünstigt entzündliche Darmerkrankungen wie Zöliakie. Eine Ursache wird in einer frühen Babykost mit Getreidebrei vermutet. Viele Betroffene berichten, dass Stress Schübe begünstigt oder auslöst.

Eine der neueren Thesen ist, dass das Immunsystem "Langeweile" hat, weil es sich wegen Impfungen, Medikamenten und Hygiene nicht mehr ausreichend mit externen Feinden auseinandersetzen muss und sich deshalb neue, körpereigene Angriffsflächen sucht.


Typische & häufige Autoimmunerkrankungen

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Abhängig von ihrer Art, können bei einer Autoimmunerkrankung eine Reihe von Symptome auftreten. Die meisten Formen rufen zu Beginn harmlose Symptome hervor, wie zum Beispiel Juckreiz, Hautausschläge und Müdigkeit. Typisch ist auch ein Verlust der Libido sowie ein Kribbeln in den Händen und Füßen.

Schuppenflechte äußern sich durch Hautrötungen, Juckreiz und Schuppen. Bei einer Magenschleimhautentzündung kommt es unter anderem zu Magenschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Aufstoßen und Blähungen. Morbus Bechterew äußert sich durch entzündliche Rückenschmerzen und eine morgendliche Steifigkeit, während Autoimmunerkrankungen der Gelenke mit Schwellungen, warmen Extremitäten und Gelenkschmerzen verbunden sein können.

Autoimmunerkrankungen der Augen, wie zum Beispiel die Bulbärneuritis, rufen Sehstörungen bis hin zur Erblindung hervor. Durch das Immunsystem bedingte Krankheiten können sich also durch vielfältige Symptome und Beschwerden äußern, je nachdem, welche Erkrankung vorliegt und in welchem Stadium sich diese befindet. Aus diesem Grund lassen sich die meisten Autoimmunerkrankungen nicht anhand einzelner Symptome erkennen.

Eine Diagnose ist in der Regel erst nach der Ermittlung der Ursache und diversen körperlichen Untersuchungen möglich. Schuppenflechte, Arthritis, Entzündungen der Magenschleimhaut und Diabetes mellitus können allerdings anhand des eindeutigen Beschwerdebilds ohne umfassende Untersuchungen diagnostiziert werden.

Diagnose & Verlauf

Betroffene berichten anfangs von diffusen Symptomen, die von Ärzten leicht verkannt werden oder erst spät im Zusammenhang mit der Autoimmunerkrankung erkannt werden. Es sind so harmlose Symptome wie Juckreiz, Ausschlag, eine bleierne Müdigkeit, Kribbeln in Händen und Füßen, Verlust der Libido, usw.

Selbst die richtige Diagnose ist noch kein Garant für die richtige Behandlung. Dabei betonen Fachleute, wie wichtig bei bestimmten Erkrankungen eine frühzeitig einsetzende Behandlung ist. Gelenkrheuma kann z. B. bei rechtzeitiger Behandlung ganz zum Stillstand gebracht werden. Die meisten Autoimmunerkrankungen verlaufen in Schüben. Zwischen diesen können kleinere oder größere Zeiträume vergehen. Niemand kann das voraussagen.

Die Diagnose erfolgt meistens über die Ermittlung der Blutwerte. Hier können erste Anhaltspunkte für eine Autoimmunerkrankung erkennbar sein, z. B. erhöhte Blutwerte. Ein Suchtest kann einen Antikörpernachweis erbringen.

Komplikationen

Im Verlauf einer Autoimmunerkrankung und bei der Behandlung kann es zu einer Vielzahl von Komplikationen kommen. Bei Allergien kann es etwa zu chronischen Ausschlägen und anderweitigen Folgeerkrankungen kommen, während die Risiken bei schweren Autoimmunerkrankungen von Magen-Darm-Beschwerden (Morbus Crohn) bis hin zu Muskellähmungen und dauerhaften Empfindungsstörungen (Multiple Sklerose) reichen können. Fast immer nehmen die Komplikationen mit dem Fortschreiten der Grunderkrankung zu.

Häufig entwickeln sich weitere sekundäre Beschwerden, die mit Einsetzen der Therapie jedoch effektiv zu behandeln sind. Weitere Komplikationen hängen immer von der Art der Autoimmunerkrankung ab. So kann es in Folge von rheumatischem Fieber zu verschiedenen Herzerkrankungen wie Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern kommen, während eine Allergie ganz ohne Beschwerden verlaufen kann. Bei einer Schilddrüsenüber- oder Unterfunktion gehen die Risiken von typischen Symptomen wie dem veränderten Blutdruck oder der Gewichtsabnahme aus.

Bei Morbus Basedow und Morbus Crohn können Gelenkentzündungen und andere entzündliche Prozesse zu Lähmungen, Folgeerkrankungen und weiteren Komplikationen führen. Welche Komplikationen bei einer Autoimmunerkrankung im Detail zu erwarten sind, kann aufgrund der Diversität der Krankheiten und Symptome nur ein Arzt beantworten.

Behandlung & Therapie

Bis heute gibt es keine Behandlungsmethode, die ein aus dem Lot geratenes Immunsystem wieder auf den richtigen Kurs bringt, besonders vor dem Hintergrund, dass es keine spezifischen Ursachen für die Autoimmunerkrankung gibt.

Deshalb gibt es auch keine kausale Behandlung wie bei anderen Erkrankungen, sondern die Therapie erfolgt eher anhand der Symptome. Es werden entzündungshemmende oder immununterstützende Medikamente verabreicht. Sinnvollerweise ist an der Behandlung auch immer ein Facharzt beteiligt, z. B. ein Dermatologe, Internist, Neurologe o. ä.

Das Behandlungsziel ist es, die überschießende Reaktion des Immunsystems zu dämpfen, ohne es ganz auszuschalten. Cortison gilt als eines der wichtigsten Präparate, führt aber bei Dauermedikation zu zahlreichen Neben- und Wechselwirkungen, so dass Forscher bestrebt sind, spezifischere Medikamente zu entwickeln.

Eine neue Therapieform, besonders der systemischen Autoimmunerkrankungen, stellt die Stammzelltransplantation dar. Diese soll dem Körper wieder einen "Neustart" ermöglichen, die Überreaktion dämpfen und betroffene Organe schützen.

Aussicht & Prognose

Die Prognose bei einer Autoimmunerkrankung kann höchst unterschiedlich ausfallen und hängt unter anderem davon ab, welche Organe betroffen sind und ob es sich um ein systematisches und voranschreitendes Leiden handelt. Eine ursächliche Heilung einer Autoimmunkrankheit ist in keinem Fall gegeben.

Abhängig vom Zeitpunkt der Diagnose und der genauen Art der Autoimmunerkrankung, ist auch die Prognose. Sie ist besonders günstig, wenn die Diagnose früh gestellt wird und der betroffene Bereich durch Medikamente zu stabilisieren oder in seiner Funktion zu ersetzen ist. Dies gilt beispielsweise für die Bauchspeicheldrüse. Sie kann bei völligem Versagen entnommen werden, wobei ihre Funktion durch Medikamentengabe ausgeglichen wird.

Viele Betroffene haben eine normale Lebenserwartung und können ohne große Einschränkungen leben. Sie verfügen durch die Medikamente lediglich über ein geschwächtes Immunsystem. Die Prognose ist insgesamt ungünstiger, wenn die Nerven oder lebenswichtige Organe betroffen sind.

Auch die Therapie einer Autoimmunkrankheit lässt unterschiedliche Prognosen zu. Cortison als Mittel der Wahl birgt mit fortlaufender Behandlungsdauer das Risiko, ein Cushing-Syndrom auszulösen. Andere Immunsuppressive bergen auch unterschiedliche Risiken, aber das Abwägen zwischen Kosten und Nutzen ist individuell durchzuführen.

Ein Heilungansatz besteht im Zerstören des Immunsystems und einer anschließenden Stammzellentransplantation. Dieses Verfahren ist aber mit erheblichen Risiken verbunden (hohe Sterblichkeitsrate, Anfälligkeit für Infektionen, Abwehrreaktionen usw.) und daher als Ultima Ratio zu betrachten.


Vorbeugung

Bei klassischen Erkrankungen liegt das Ziel darin, ein geschwächtes Immunsystem zu stärken, damit es die Abwehr erfolgreich aufnehmen kann. Bei den Autoimmunerkrankungen ist das Abwehrsystem nicht geschwächt, sondern richtet sich gegen den eigenen Körper. Da keine genaue Ursache bekannt ist, ist eine gezielte Vorbeugung schwierig. Aber eine ausgewogene Ernährung, ausreichende Bewegung und ein stressreduziertes Leben kann sich positiv auswirken und das Allgemeinbefinden stärken.

Nachsorge

Eine Autoimmunerkrankung begleitet die meisten Personen ein Leben lang. Eine ursächliche Heilung ist nicht möglich. Die Wissenschaft ist dafür noch nicht weit genug fortgeschritten. Daher kann die Nachsorge nicht darauf zielen, ein Wiederaufkommen zu verhindern. Einen Patienten erwartet eine Dauerbehandlung. Es geht nach einer Diagnose darum, Komplikationen zu verhindern und den Alltag des Patienten zu erleichtern.

Erkrankte müssen sich auf regelmäßige Routineuntersuchungen einstellen. Sie dienen vor allem dazu, den Fortgang der Erkrankung zu dokumentieren und die Therapie anzupassen. Spezialisten unterstützen die Behandlung je nach Art der Symptomatik. Gängig ist die Blutuntersuchung. Anhand ermittelter Werte können Ärzte schon frühzeitig feststellen, welche Körperteile gefährdet sind.

Patienten nehmen eine auf sie abgestimmte Medikation zu sich. Diese vermindert die typischen und spezifischen Beschwerden ihrer Autoimmunerkrankung. In schweren Fällen zielt die Nachsorge auch darauf, Angehörige einzubinden. Dadurch sollen Belastungen des Alltags auf möglichst viele Schultern verteilt werden.

Auch die berufliche Situation ist zu erörtern. Bislang sind keine allgemeinen Präventionsmaßnahmen bekannt, die die Auswirkungen der Autoimmunerkrankung minimieren können. Im Allgemeinen können aber eine ausreichende Bewegung, eine gesunde Ernährung und ein stabiles Umfeld das Leben der Betroffenen erleichtern.

Das können Sie selbst tun

Eine Autoimmunerkrankung ist mit vielfältigen Prozessen verbunden. Der Alltag ist in Zeiten von Schüben für Betroffene häufig schwierig zu gestalten. Die normalen alltäglichen Aufgaben sind schwerer oder gar nicht zu bewältigen. Wichtig für die Patienten ist, dass sie in einem stabilen und verständnisvollen Umfeld leben können. Schwierigkeiten entstehen häufig im Zusammenhang mit der Ausübung der Arbeitstätigkeit. Das offene Gespräch im Vorfeld ist je nach Branche und Arbeitgeber hilfreich- so lasen sich diverse Ausfälle oder Probleme minimieren.

Ein ausgewogenes Maß an körperlicher Bewegung und ausreichenden Erholungsphasen ist wichtig für den Organismus und den Stoffwechsel des Körpers. Empfehlenswert ist ein Ausdauersport wie Schwimmen. Die Gelenk- und Muskelschmerzen, die als autoimmune Begleitsymptome regelmäßig auftreten, können im Wasser sehr viel erträglicher werden oder ganz verschwinden, sodass die Bewegung mehr Spaß macht. Letztendlich ist es eine individuelle Sache, die richtige Sportart zu finden. Auch Sportarten wie Modern Arnis sollten in Erwägung gezogen werden.

Zusätzlich ist die Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Homöopathie insbesondere bei autoimmunen Prozessen hilfreich. Welche Mittel in Frage kommen ist vor allem von der jeweiligen Autoimmunerkrankung abhängig. Betroffene können sich beim Arzt oder in der Apotheke beraten lassen.

Quellen

  • Klein, J.: Immunologie. VCH, Weinheim, 1999
  • Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012
  • Trautmann, A., Kleine-Trebbe, J.: Allergologie in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart 2013

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