Atemnotsyndrom des Neugeborenen (ANS)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter einem Atemnotsyndrom des Neugeborenen wird eine Lungenfunktionsstörung bei Säuglingen verstanden. Besonders betroffen sind frühgeborene Kinder.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Atemnotsyndrom des Neugeborenen?

Bei einem Atemnotsyndrom des Neugeborenen treten typische Symptome auf. Dazu gehört eine beschleunigte Atmung des Kindes, das eine Atemfrequenz von mehr als 60 Atemzügen pro Minute aufweist.
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Das Atemnotsyndrom des Neugeborenen (ANS) trägt auch die Bezeichnungen Atemnotsyndrom des Frühgeborenen, Surfactant-Mangelsyndrom, hyalines Membransyndrom oder Infant Respiratory Distress Syndrome (IRDS).

Gemeint ist damit eine Lungenfunktionsstörung bei neugeborenen Kindern, die nicht selten zum Tode führt. Die pulmonale Erkrankung zeigt sich nach der Geburt und ist auf eine Unreife der Lunge zurückzuführen. Insgesamt sind ein Prozent aller neugeborenen Kinder von dem Atemnotsyndrom betroffen.

Besonders hoch liegt der Erkrankungsanteil bei frühgeborenen Babys und beträgt bei ihnen circa 60 Prozent. Aufgrund einer Lungenreife-Induktion war es möglich, die Todesrate bei ANS zu vermindern. Kommt es jedoch vor der 28. Schwangerschaftswoche zu einem Atemnotsyndrom, fällt die Todesrate noch immer sehr hoch aus.

Ursachen

Die Ursache für das Entstehen des Atemnotsyndroms des Neugeborenen fand die amerikanische Kinderärztin Mary Ellen Avery (1927-2011) im Jahr 1959 heraus, wodurch sich gezielte Behandlungsverfahren ermöglichen ließen. Dabei entdeckte die Ärztin, dass ein Surfactant-Mangel in der Lunge für die schwere Funktionsstörung verantwortlich ist. Das englische Kunstwort Surfactant bedeutet in deutscher Übersetzung „grenzflächenaktive Substanz“.

Diese Substanz entsteht in der Regel ab der 35. Schwangerschaftswoche. Bei etwa 60 Prozent aller betroffenen Kinder zeigt sich das Atemnotsyndrom allerdings schon vor der 30. Schwangerschaftswoche. Von den Typ-2-Pneumozyten innerhalb der Lungen konnte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend Surfactant, bei dem es sich um einen Oberflächenfilm handelt, gebildet werden. Bei jedem Atemzug unterstützt dieser Oberflächenfilm das Entfalten der Alveolen (Lungenbläschen).

Da Frühchen wegen ihrer frühen Geburt noch nicht mit genügend Lungenreife ausgestattet sind, kommt das Atemnotsyndrom des Neugeborenen bei ihnen besonders häufig vor. Bei bekannten Frühgeburtsrisiken lässt sich dem ANS aber bereits während der Schwangerschaft durch das Verabreichen von Glukokortikoiden entgegenwirken. Die verabreichten Medikamente verfügen über die Eigenschaft, die Lungenreife des Babys zu beschleunigen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei einem Atemnotsyndrom des Neugeborenen treten typische Symptome auf. Dazu gehört eine beschleunigte Atmung des Kindes, das eine Atemfrequenz von mehr als 60 Atemzügen pro Minute aufweist. Die Atemtätigkeit des Neugeborenen verläuft erschwert, was sich beim Ausatmen als Stöhnen wahrnehmen lässt.

Darüber hinaus treten immer wieder Atemaussetzer auf. Weitere Merkmale des ANS, das sich direkt nach der Geburt zeigt, sind eine blasse Haut, bläuliche Hautverfärbungen (Zyanose), eine Nasenflügelatmung, das Einziehen der Rippenzwischenräume, des Bereichs unterhalb des Kehlkopfes und des Oberbauches beim Einatmen sowie ein verminderter Muskeltonus.

Mögliche akute Komplikationen bei einem Atemnotsyndrom des Neugeborenen können das Ansammeln von Luft in den Körperhöhlen sowie das Entstehen eines interstitiellen Emphysems sein.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Diagnostiziert wird das Atemnotsyndrom des Neugeborenen in der Regel bei der ersten frühkindlichen Untersuchung. Dabei kommen auch bildgebende Verfahren wie eine Röntgenuntersuchung zur Anwendung, die weitere Aufschlüsse ermöglichen. So lassen sich auf den Röntgenaufnahmen typische Veränderungen erkennen.

In der Medizin erfolgt die Unterteilung des Atemnotsyndroms bei Neugeborenen in vier Stadien. Als feingranuläre Transparenzminderung wird Stadium I bezeichnet. Bei Stadium II kommt es zu einem positiven Aerobronchogramm, das über die Herzkontur hinausreicht. Im Rahmen von Stadium III setzt eine weitere Transparenzminderung ein, die mit einer Unschärfe an den Herz- und Zwerchfellkonturen einhergeht. Im vierten und letzten Stadium wird die Lunge weiß. Zwischen Herzkonturen und Lungenparenchym ist keine Differenz mehr zu erkennen.

Im weiteren Verlauf des ANS können zusätzliche Erkrankungen auftreten. Dazu gehören in erster Linie die bronchopulmonale Dysplasie oder eine Frühgeborenen-Retinopathie, die Schäden an den Augen hervorruft. Ferner sind Bronchienfehlbildungen, Asthma bronchiale, ein Lungenemphysem und Hirnblutung im Bereich des Möglichen. Im schlimmsten Fall endet das Atemnotsyndrom mit dem Tod des Kindes.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung eines Atemnotsyndroms erfolgt idealerweise in einem Perinatalzentrum, das optimal ausgestattet ist. Dabei ist es besonders wichtig, das Kind nicht unnötig zu belasten. Eine Therapiemöglichkeit stellt das Applizieren von rekombinantem Surfactant über einen Tubus dar. Auf diese Weise ist es möglich, den Gasaustausch zu verbessern und die Gefahr von Komplikationen zu verringern.

Im Falle einer stark ausgeprägten Frühgeburt muss grundsätzlich mit einem Atemnotsyndrom gerechnet werden. Aus diesem Grund erhalten ungeborene Kinder vor der 28. Schwangerschaftswoche prophylaktisch Surfactant. Handelt es sich lediglich um ein leichtes Atemnotsyndrom des Neugeborenen, wird dieses durch eine CPAP-Beatmung über die Nase behandelt. Bei diesem Verfahren erfolgt das positive Ausüben von Druck während der Inspirationsphase.

Liegt hingegen ein schwerer Fall vor, ist in der Regel eine Beatmung mit Maschinen erforderlich. Grundsätzlich wird die Therapie eines Atemnotsyndroms bei Neugeborenen in eine kausale sowie eine symptomatische Behandlung unterteilt. Die symptomatische Therapie besteht aus einer Blutgasanalyse, einer sorgfältigen Beobachtung des Kindes sowie der regelmäßigen Kontrolle der Körpertemperatur.

Darüber hinaus haben sich das Zuführen von Sauerstoff, künstliche Beatmung, eine gründliche Flüssigkeitsbilanz, Laborkontrollen sowie der Gabe von Antibiotika bewährt. Dagegen wird im Rahmen der kausalen Therapie eine Surfactantsubstitution vorgenommen, wodurch sich die Sterblichkeit der betroffenen Kinder herabsetzen lässt.


Vorbeugung

Wird eine Frühgeburt erwartet, ist eine wirkungsvolle Vorbeugung gegen das Atemnotsyndrom möglich. Zu diesem Zweck erhält das Kind Betamethason, das zu den synthetischen Glukokortikoiden gehört und die Lungenreifung beschleunigt. Unter Tokolyse kann die Frühgeburt einige Zeit verzögert werden, um der Lungenreifung mehr Zeit zu verschaffen. Wichtig ist, dass die vorbeugende Therapie 48 Stunden vor der Geburt einsetzt.

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