Anorexia athletica

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Anorexia athletica lässt sich am besten mit Sportmagersucht übersetzen. Athleten hungern, um bessere Leistungen zu erbringen, gefährden dadurch aber ihre Gesundheit.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Anorexia athletica?

Auffälliges Essverhalten und der Zwang, zu trainieren, sind sowohl bei Berufssportlern als auch bei ambitionierten Freizeitsportlern als Hinweise ernst zu nehmen.
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Sportmagersucht tritt meistens in jenen Disziplinen auf, bei denen Schlankheit (Rhythmische Sportgymnastik, Eiskunstlauf) oder geringes Gewicht (Skispringen, Langstreckenlauf, Triathlon) einen Vorteil bedeuten. Auch Sportarten, bei denen die Gewichtsklasse ausschlaggebend ist (Boxen, Judo, Ringen), sind betroffen.

Das Ansinnen, Gewicht zu verlieren, kann in eine Essstörung ausarten. Besonders gefährdet sind Skispringer und Skispringerinnen sowie Mädchen und Frauen, die Rhythmische Sportgymnastik betreiben. Anorexia athletica ist nicht nur gesundheitsschädlich, sondern auch leistungsmindernd. Die geringe Nahrungszufuhr die Konzentration beeinträchtigt und Probleme mit dem Kreislauf sowie niedrigen Blutdruck bewirkt.

Es stellen sich Blutarmut und Immunschwäche ein. Die Reduktion des Körpergewichts führt zu einer Abnahme der Knochendichte und diese zieht eine erhöhte Verletzungsgefahr nach sich. Wenn Sportlerinnen hart trainieren und zu stark abmagern, dann kann die Menstruation ausbleiben (sekundäre Amenorrhoe).

Ursachen

Sportler sind anfälliger für Essstörungen als andere Menschen und bei einigen Sportarten spielt das Körpergewicht eine besondere Rolle. Radrennfahrer haben ebenso Vorteile wie Langstreckenläufer, Bergläufer und Skispringer, wenn sie weniger wiegen. Bei den Sportarten Turnen, Rhythmische Sportgymnastik und Eiskunstlauf fördert geringes Gewicht die Beweglichkeit.

Zudem ist die Bewertung des Erscheinungsbildes der Sportlerinnen entscheidend für den Erfolg. Da Schlankheit mit Schönheit und Grazilität gleichgesetzt wird, beginnen die Athletinnen zu hungern, um den ästhetischen Idealen zu entsprechen. Frauen, insbesondere Mädchen und junge Frauen, neigen eher zur Anorexia athletica als Männer.

Darüber hinaus muss ein Hang zum Hungern vorliegen, damit Sportlerinnen und Sportler ein gestörtes Essverhalten entwickeln. Die Ursachen sind nicht nur in den beschriebenen Anforderungen der jeweiligen Sportart, sondern auch in individuellen Persönlichkeitsmerkmalen (ausgeprägter Ehrgeiz, geringe Selbstachtung) zu suchen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Gewichtsschwankungen und starker Gewichtsverlust stellen eindeutige Symptome dar. Auffälliges Essverhalten und der Zwang, zu trainieren, sind sowohl bei Berufssportlern als auch bei ambitionierten Freizeitsportlern als Hinweise ernst zu nehmen.

Oft sind junge Menschen von Anorexia athletica betroffen: Wenn sich deren Pubertät nicht einstellt oder verzögert eintritt, dann kann dies ein Zeichen für Magersucht darstellen. Die oft wiederholte Beteuerung, nicht dick werden zu wollen und der Versuch, das gestörte Essverhalten zu verheimlichen oder zu verharmlosen, sind weitere Alarmsignale bei jugendlichen Sportlern.

Es wurde bereits erwähnt, dass starke Gewichtsreduktion zur Abnahme der Knochendichte und zur Osteoporose sowie bei Mädchen und Frauen zu Zyklusstörungen führen kann. Die mangelnde Versorgung mit Nährstoffen manifestiert sich auch in Veränderungen der Hautstruktur, in brüchigen Nägeln, sprödem Haar und Haarausfall. Unausgeglichenheit, Krankheitsanfälligkeit und Leistungseinbrüche sind ebenfalls Anzeichen dafür, dass der Energiehaushalt gestört ist.

Diagnose & Verlauf

Die Sportmagersucht beginnt unauffällig und wird von den Mitmenschen kaum bemerkt, da für die Mehrzahl der Sportler ein geringes Gewicht und ein geringer Körperfettanteil charakteristisch sind. Ein niedriger BMI (Body Mass Index) muss nicht in jedem Fall ein Anzeichen für Anorexia athletica sein, sondern kann auch auf Veranlagung oder auf andere Faktoren zurückzuführen sein.

Wenn es jedoch zu Heißhungerattacken kommt, im Rahmen derer Mahlzeiten mit über 1500 Kalorien eingenommen werden, dann ist die Essstörung kaum mehr zu leugnen. Fragebögen und Tests über das Essverhalten sowie kontinuierliche Gewichtskontrollen und die Beachtung von Zeichen für Osteoporose ermöglichen eine zuverlässige Diagnose.

Komplikationen

Als Komplikation der Anorexia athletica kann es zu Elektrolytstörungen kommen. Die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. Schwere Elektrolytstörungen können zu quantitativen Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma führen, aber auch Krampfanfälle und Herzrhythmusstörungen verursachen. Darüber hinaus sind funktionelle Störungen von Nerven, Muskeln und Verdauungstrakt möglich.

Um diesen Komplikationen vorzubeugen, ist eine ausreichende Nahrungsaufnahme und eine Verringerung der sportlichen Aktivität notwendig. Durch den übermäßigen Sport steigt das Risiko für Verletzungen. Die gleichzeitige Einschränkung bei der Nahrungsaufnahme kann zu Müdigkeit und Konzentrationsstörungen führen, die Verletzungen beim Sport noch wahrscheinlicher machen.

Andere körperliche Komplikationen entstehen bei der Anorexia athletica durch Verhaltensweisen, die andere Aspekte der Essstörung betreffen. Der Missbrauch von Abführmitteln kann ebenfalls Elektrolytstörungen hervorrufen und langfristig das Verdauungssystem schädigen. Objektive Essattacken mit großen Nahrungsmengen und reaktives Essen können außerdem Herz-Kreislauf-Symptome hervorrufen. Das sogenannte Refeeding-Syndrom umfasst verschiedene Herz-Kreislauf-Beschwerden, die in seltenen Fällen lebensbedrohlich sein können.

Darüber hinaus leiden viele Menschen, die unter Anorexia athletica leiden, unter Nährstoffmangel. Daraus können sich sowohl körperliche als auch psychische Probleme entwickeln. Eine häufige Langzeitfolge ist Osteoporose, die auf Kalziummangel zurückgeht. Die kognitiven Leistungseinschränkungen sind in der Regel reversibel. Dazu gehören unter anderem Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.

Essstörungen treten häufig nicht allein auf, sondern werden in vielen Fällen von anderen psychischen Problemen begleitet. Dabei kann es sich um eine weitere Erkrankung handelt (zum Beispiel eine Persönlichkeits-, Angststörung, Zwangsstörung oder affektive Störung) oder um einzelne Syndrome und Symptome.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Anorexia athletica stellt eine gefährliche Erkrankung dar und sollte stets professionell behandelt werden. Obgleich die Schlankheit des Körpers bei bestimmten Sportarten einen Vorteil mit sich bringt, sollte der Sportler dafür nicht seine Gesundheit aufs Spiel setzen. Wenn die geringe Nahrungszufuhr mit Symptomen wie Konzentrationsschwäche, Kreislaufproblemen und niedrigem Blutdruck einhergeht, sollte sich der Sportler nicht scheuen und Kontakt zu einem Arzt suchen.

Mit der Anorexia athletica geht meist ein Nährstoffmangel einher, der negative Auswirkungen auf die Gesundheit des gesamten Organismus hat. Da der alleinige Weg aus einer Essstörung meist nicht einfach ist, sollte dieser schwierige Weg von Fachmännern begleitet werden. Da die Essstörungen häufig nicht als alleinige Krankheit auftreten, sondern meist von anderen psychischen Störungen begleitet werden, ist ein Facharzt für Psychiatrie die richtige Ansprechperson. Der Psychiater kann sich ein Gesamtbild der Störung machen und weitere Behandlungswege einleiten.

Die Auswahl der richtigen Therapie wird vom Psychotherapeuten oder Psychiater vollzogen und passt sich stets den persönlichen Eigenarten der Betroffenen an. Neben der Psychotherapie ist auch eine Ernährungstherapie von Ernährungsexperten empfehlenswert, um den Ernährungsstil und den Lifestyle auf lange Sicht wieder zur normalisieren. Da bei schweren Formen der Anorexia athletica zukünftig ein Leistungssport nicht mehr möglich ist, sollte die Psychotherapie auf ein Leben ohne Leistungssport vorbereiten.

Behandlung & Therapie

Zentral sind zunächst die Steigerung der Kalorienzufuhr, die Gewichtszunahme sowie die Kompensation des Mangels an Kalzium, Vitamin D und Eiweiß. Dabei geht es auch darum, die Knochendichte zu verbessern und bei Frauen den Monatszyklus wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Neben einer speziellen Ernährung ist eine psychologische Beratung und Betreuung üblich.

Die Art der Psychotherapie richtet sich nach dem Krankheitsverlauf sowie nach den persönlichen Vorlieben und Eigenarten der betroffenen Personen. Ein wichtiger Teil der Behandlung ist eine Ernährungstherapie, die dazu dient, die Ernährung und die Lebensweise langfristig zu normalisieren und zu optimieren. In schweren Fällen wird aufgrund der gesundheitlichen Schäden in Zukunft kein Leistungssport mehr möglich sein.

In diesem Fall besteht ein Schwerpunkt der Therapie darin, die Betroffenen auf ein Leben ohne Leistungssport vorzubereiten und sie dabei zu unterstützen, ihr Leben neu auszurichten. Diesbezüglich wird darauf geachtet, die Beziehung zum Sport und das Verhältnis zum eigenen Körper sowie das damit verbundene Selbstbild zu thematisieren und zu korrigieren.

Es kommt nicht selten vor, dass Anorexia athletica während einer Sportlerlaufbahn aufrechterhalten, nicht therapiert und nach Karriereende beibehalten wird. Die gesundheitliche Gefährdung bleibt erhalten, da der Selbstwert auch weiterhin durch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Kasteiung gefördert wird.

Aussicht & Prognose

Die Prognose bei einer Anorexia athletica ist abhängig von dem Fortschritt der Erkrankung und dem Alter des Patienten. Je eher eine Diagnose und eine Behandlung erfolgen, desto besser sind die Chancen einer Heilung. Zusätzlich haben junge Patienten bessere Prognosen bei einer Genesung. Dennoch liegen die Aussichten einer vollständigen Heilung bei einer Anorexia athletica grundsätzlich nicht sehr hoch. Ungefähr ein Drittel der Erkrankten schaffen es, gesund ihr Leben zu gestalten.

Zudem sind die Heilungschancen abhängig von dem Ausgangsgewicht des Patienten bei Behandlungsbeginn. Je geringer das Gewicht, desto unwahrscheinlicher wird eine Genesung. Die Erfahrungswerte zeigen, dass auch Patienten mit einer frühzeitigen Behandlung oftmals lebenslang essgestört bleiben.

In vielen Fällen kommt es im weiteren Verlauf zu einer Folgeerkrankung. Dies ist im Normalfall die Essstörung Bulimie. Die Patienten erleiden Heißhungerattacken und erbrechen anschließend die aufgenommene Nahrung wieder. Eine psychische Erkrankung ist als Folgeerscheinung ebenfalls möglich. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Anorexia athletica einen tödlichen Verlauf nimmt.

Die Unterernährung bei gleichzeitig starker körperlicher Belastung durch die sportlichen Aktivitäten kann zu einem Zusammenbruch mit multiplen Organversagen führen. Der Körper trocknet allmählich aus und kann den täglichen Anforderungen nicht mehr genügen. Bei chronisch Erkrankten Magersüchtigen steigt das Sterblichkeitsrisiko nach einem Jahrzehnt auf über 15% an.


Vorbeugung

Anorexia athletica wurde lange tabuisiert und banalisiert, allmählich jedoch setzt ein Umdenken ein und Aufklärungsinitiativen werden gestartet. Im Jugendsport kann damit am meisten bewirkt werden. Alle Kampagnen helfen jedoch nichts oder nur wenig, wenn die Standards in diversen Sportarten unverändert bleiben und geringes Gewicht einen Wettbewerbsvorteil bringt.

Sanktionen dienen zumindest der Abschreckung: Im Skisprung wird das Problem der Sportmagersucht dadurch bekämpft, dass gegenwärtig ein BMI von 21 vorgegeben ist, um die volle Skilänge (145 Prozent der Körpergröße) ausnutzen zu können. Wer den Wert unterschreitet, muss mit verkürzten Skiern abspringen.

Nachsorge

Liegt eine Anorexia athletica vor, bedarf der Patient nach einer Erstbehandlung unbedingt der Nachsorge. Es geht dabei darum, nicht wieder in die alten Verhaltensmuster zu fallen. Problematisch und schwer zu behandeln ist die Anorexie ohnehin.

Bei der Anorexia athletica liegen die Motive für die Erkrankung in suchtartiger sportlicher Betätigung zur Erzielung eines athletischen Körpers. Die Betroffenen folgen falschen Idealen. Nach der Akutbehandling muss eine Nachbetreuung der Magersüchtigen erfolgen, um derart verzerrten Körperidealen etwas entgegenzusetzen.

In den meisten Fällen ist bei Anorexia athletica eine lang andauernde psychologische Nachsorge unerlässlich. Auch Selbstbhilfegruppen kommen infrage, um falsche Körpervorstellungen und ein gestörtes Selbstbild nachhaltig zu korrigieren. Fällt die Nachsorge flach, können Ersatzhandlungen und andere Süchte an die Stelle der Anorexia athletica treten. Schlimmer noch, der Betroffene kann in seine alten Verhaltensmuster zurückfallen.

Wann immer Sport und ein gestörtes Essverhalten einen Suchtcharakter annehmen, haben sie etwas Selbstzerstörerisches an sich. Die Akutbehandlung widmet sich meist schwerpunktmäßig dem Erzielen eines normalen Körpergewichts. Aufgabe der Nachsorge ist es, die psychische Komponente zu therapieren.

Der Patient muss lernen, nicht bis zum Zusammenbruch zu trainieren, sondern seine Grenzen zu achten. Er darf Erfolgsstreben nicht mit Durchtrainiertsein verwechseln. Wichtiges Nachsorgeziel ist, eine normale Beziehung zum Sport und zum eigenen Körper aufzubauen.

Das können Sie selbst tun

Da es bei einer Anorexia athletica um die bewusste Verringerung des Körpergewichts bei einem Sportler geht, sollte sich der Sportler wie auch dessen Trainer intensiv und ausführlich über die natürlichen Gegebenheiten des Organismus informieren. Die Grenzen bis zu einer dauerhaften körperlichen Schädigung durch das Essverhalten sind streng zu überwachen.

Vor Wettkampfsituationen ist die Gewichtsreduktion häufig notwendig. Dennoch ist auf die Dauer der absichtlichen Änderung des Essverhaltens sowie der Zunahme an Trainingseinheiten zu achten. Nach einem Wettkampf ist das Verhalten unmittelbar abzulegen. Zusätzlich ist bei diesem Vorgehen stets die enge Zusammenarbeit und Rücksprache mit einem Sportmediziner zu empfehlen. Gemeinsam als Team lassen sich die natürlichen Bedürfnisses des Körpers mit denen des Erreichens eines sportlichen Ziels planen und erarbeiten.

Zur Vermeidung einer subjektiven Sichtweise sowie möglichen Fehleinschätzung und dadurch resultierend eines dauerhaft schädigenden Verhaltens, sollte nicht allein agiert werden. Das Wissen eines ausgebildeten Trainers und eines Arztes ist in Anspruch zu nehmen.

Darüber hinaus ist bei den ersten Komplikationen ein Arztbesuch notwendig, um Anpassungen und Veränderungen des Ess- sowie Trainingsplans vorzunehmen. Werden Warnsignale des Körpers übersehen, kann es zu Funktionsstörungen und lebenslangen organischen Schäden kommen. Daher ist eine besondere Sensibilität gegenüber Hinweisen des eigenen Körpers notwendig, denen unverzüglich zu folgen ist.

Quellen

  • Biesalski, H., Bischoff, S., Puchstein, C.: Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012
  • Schauder, P., Ollenschläger G.: Ernährungsmedizin. Elsevier, München 2006

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