Aminoazidurie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter Aminoazidurie werden eine Reihe von Krankheiten und Stoffwechselstörungen zusammengefasst, die zu einer Ausscheidung von Aminosäuren über den Endharn führen. Meist handelt es sich um eine Hyperaminoazidurie bei der mehr als 5 Prozent der Aminosäuren, die über die Nierenkörperchen in den Primärharn filtriert wurden, nicht rückresorbiert werden und sich deshalb im Endharn nachweisen lassen. Die Aminoazidurie ist ein wichtiges Symptom bei mehreren Nieren- und Stoffwechselerkrankungen, die vererbt oder erworben werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Aminoazidurie?

Die Aminoazidurie ist ein wichtiges Symptom bei mehreren Nieren- und Stoffwechselerkrankungen, die vererbt oder erworben werden.

Unter Aminoazidurie versteht man die Ausscheidung von Aminosäuren über den Endharn. Da auch gesunde Menschen bis zu fünf Prozent der Aminosäuren, die in den Primärharn filtriert wurden, ausscheiden, wird die Aminoazidurie häufig mit einer Hyperaminoazidurie gleichgesetzt, bei der mehr als fünf Prozent der Aminosäuren nicht rückresorbiert, sondern über den Endharn ausgeschieden werden.

Die Ausscheidung der Aminosäuren über den Endharn ist Ausdruck und Symptom mehrerer verschiedener Stoffwechselstörungen. Es handelt sich um eine primäre Aminoazidurie, wenn es sich um eine genetisch bedingte Form der Krankheit handelt und um eine sekundäre Aminoazidurie, wenn die Stoffwechselstörung erworben ist. Die gestörte Rückresorption kann sich generell auf alle im Primärharn gesammelten Aminosäuren beziehen.

Möglich ist aber auch, dass spezifische Aminosäuren wie bei der Cystinurie, bei der nur die dibasischen Aminosäuren Ornithin, Arginin, Lysin und Cystin betroffen sind. Eine nur kurzzeitig anhaltende Aminoazidurie kann ernährungsbedingt sein aufgrund einer übermäßigen Aufnahme von Proteinen. Es handelt sich dabei um eine natürliche Form der Aminoazidurie, die sich von selbst wieder einreguliert.

Ursachen

Es sind mehrere Faktoren bekannt, die als Verursacher einer Aminoazidurie beziehungsweise einer Hyperaminoazidurie gelten. Es handelt sich meist um genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen, die jeweils zu einer der ererbten Formen der Aminoazidurie führen. Beispielsweise wird die autosomal-rezessiv vererbte Cystinurie durch ein fehlerhaft kodiertes Transmembran-Transportprotein verursacht.

Das spezielle Transportprotein sorgt normalerweise in den Epithelzellen der proximalen Tubuluszellen der Niere für den Durchtritt der Aminosäure Cystin und der anderen dibasischen Aminosäuren durch die Membrane der Tubuluszellen, was der klassischen Rückresorption entspricht. Die seltene hereditäre Fruktoseintoleranz, eine andere Form der Aminoazidurie, wird ebenfalls autosomal-rezessiv vererbt.

Durch einen Gendefekt wird ein Mangel an Aldolase B in der Leber verursacht, der dazu führt, dass bei einer Anhäufung von Fruktose, die Glykolyse gehemmt wird. Letztlich entsteht dadurch ein intrazellulärer Mangel an ATP, so dass eine schwere Hypoglykämie (Unterzucker) eintritt. Die Krankheit wird von mehreren Symptomen begleitet, unter denen sich auch typischerweise eine Aminoazidurie zeigt.

Es sind noch weitere ererbte Stoffwechselerkrankungen bekannt, bei denen sich eine Aminoazidurie als Leitsymptom zeigt. Die Ursachen können ein Transportprotein für eine bestimmte Klasse von Aminosäuren betreffen oder ein benötigtes Enzym, das wegen eines Gendefekts fehlerhaft kodiert und dadurch funktionslos wird. In einigen Fällen führt auch eine interstitielle Nierenentzündung oder Leberfunktionsstörungen zu einer Aminoazidurie.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome und Beschwerden, die eine Aminoazidurie begleiten, sind unterschiedlich und hängen von den Ursachenfaktoren und damit von den betroffenen Stoffwechselprozessen ab. Beispielsweise zeigt sich die ererbte Cystinurie durch Ausfällung der nicht resorbierten Aminosäure Cystin im Harn, das zur Bildung von Harnsteinen neigt. Etwa 50 Prozent der Betroffenen entwickeln Harnsteine.

Bei der seltenen ererbten Fruktoseintoleranz kommt nur zu Symptomen nach Aufnahme von Fruktose. Allerdings können die Symptome auch nach dem Verzehr von „normaler“ Saccharose eintreten, weil der Körper das Disaccharid in Glucose und Fruktose aufspaltet. Typische Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche und die Aminoazidurie.

Diagnose & Verlauf

Eine allgemeine Aminoazidurie lässt sich über die Bestimmung der Konzentration von Aminosäuren im Endharn nachweisen. Wenn sich im Urin ausschließlich bestimmte Aminosäuren befinden, erleichtert der Befund eine weitergehende Diagnose. Es handelt sich dann meist um eine der ererbten Stoffwechselstörungen wie die Cystinurie, bei der es zu einer Anhäufung der Aminosäuren Cystin, Ornithin, Arginin und Lysin im Urin kommt.

Die Krankheit kann nicht geheilt werden, aber der weitere Verlauf kann mit viel Flüssigkeitsaufnahme beeinflusst werden, so dass die Bildung von Harnsteinen möglichst verhindert wird. Der Krankheitsverlauf richtet sich nach den Ursachen und nach dem Verhalten der Betroffenen.

Komplikationen

Die Komplikationen und Symptome bei einer Aminoazidurie sind sehr vielseitig und können aus diesem Grund nicht allgemein beurteilt werden. Allerdings kommt es immer zu einer Störung der Stoffwechselprozesse. Diese Störung führt in vielen Fällen zum Beispiel zur Ausbildung von Harnsteinen.

Durch die Harnsteine leidet der Patient an sehr starken Schmerzen und unangenehmen Gefühlen. Der Alltag ist dabei durch die Aminoazidurie extrem eingeschränkt, das Nachgehen einer Tätigkeit ist in der Regel nicht mehr möglich. Oft kommt es darüber hinaus zu Erbrechen, Panikattacken oder Übelkeit mit Schwindel.

Bei der Aminoazidurie kann es ebenso zur Ausbildung von unterschiedlichen Allergien kommen, die vorher beim Patienten nicht aufgetreten sind. Die Bildung und Behandlung von Harnsteinen kann relativ gut durch eine erhöhte Einnahme an Flüssigkeiten beeinflusst werden. Hier muss sich der Patient ebenso um eine gesunde Ernährung und Lebensweise bemühen.

Sollte sich bei der Aminoazidurie eine Intoleranz zu Fructose ausbilden, so muss der Betroffene auf diese sein ganzes Leben verzichten. In diesem Falle gibt es keine Möglichkeit zur Behandlung. Die Lebenserwartung ist in der Regel kaum gesenkt, hängt aber stark vom Lebensstil des Patienten ab.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In der Regel zeigt die Aminoazidurie auf Erkrankungen der Nieren oder der Harnwege. Diese Erkrankungen sollten in jedem Fall untersucht und falls notwendig auch vom Arzt behandelt und entfernt werden. In den meisten Fällen kommt es bei der Aminoazidurie zur Ausbildung eines Harnsteines. Dieser ist mit extrem starken Schmerzen beim Patienten verbunden, wobei vor allem das Wasserlassen erheblich betroffen ist. Aus diesem Grund muss dann eine Behandlung erfolgen, wenn es plötzlich zu erheblichen Schmerzen im Bereich der Nieren und der Harnleiter kommt.

Nicht selten leiden die Patienten auch an Schweißausbrüchen, Schwindel oder Erbrechen. Auch diese Beschwerden können auf eine Aminoazidurie hinweisen. Sollten die Beschwerden nach dem Verzehr von Fruktose auftreten, muss diese Unverträglichkeit durch einen Arzt festgestellt werden. In diesem Fall muss der Patient auf den Inhaltsstoff verzichten. Die Behandlung kann im Allgemeinen beim Allgemeinarzt beginnen, wenn der Betroffene sich über die Symptome nicht sicher ist oder diese nicht genau einer Krankheit zuordnen kann. Bei akuten Schmerzen sollte ein Krankenwagen gerufen oder das Krankenhaus aufgesucht werden.

Behandlung & Therapie

Aminoazidurien, die auf genetisch bedingten Fehlfunktionen von Transportproteinen oder Enzymen beruhen, können nicht ursächlich therapiert werden. Vordringliches Ziel bei derartigen Erkrankungen wird darin gesehen, die Auswirkungen der Aminoazidurie möglichst gering zu halten. Bei der oben erwähnten Cystinurie ist zur Verhinderung von Harnsteinen eine tägliche Flüssigkeitsaufnahme von bis zu vier Litern erforderlich.

Durch die hohe Flüssigkeitsaufnahme wird der Harn quasi verdünnt, so dass das schlecht lösliche Cystin nicht ausfällt. Im Fall der Fruktoseintoleranz ist nur eine lebenslange Meidung von Fruktose und Saccharose zielführend. Wenn die Aminoazidurie durch eine interstitielle Nierenentzündung oder durch Funktionsbeeinträchtigungen der Leber verursacht wird, zielt eine mögliche Therapie primär auf die Behandlung der Grunderkrankung ab. Die Aminoazidurie bildet sich nach Ausheilung der Nierenentzündung (Nephritis) von selbst zurück.

Aussicht & Prognose

Durch die Aminoazidurie kann es zu verschiedenen Beschwerden und Komplikationen beim Betroffenen kommen. Der weitere Verlauf dieser Krankheit hängt dabei stark von anderen Umweltfaktoren ab, sodass eine allgemeine Voraussage in der Regel nicht möglich ist. Allerdings kann es durch die Aminoazidurie zur Ausbildung von Harnsteinen kommen. Diese sind mit sehr starken Schmerzen verbunden und schränken die Lebensqualität des Patienten deutlich ein. Ebenso kann es weiterhin auch zu Erbrechen oder zu einer Übelkeit kommen.

Die Betroffenen leiden oft auch an Schweißausbrüchen und sind im Alltag dadurch deutlich eingeschränkt. Ebenso kann die Aminoazidurie zur Ausbildung verschiedener Allergien oder Unverträglichkeit führen. Ebenso kann es in einigen Fällen zu einer Fructose-Intoleranz kommen, sodass der Betroffene auf diesen Inhaltsstoff sein gesamtes Leben lang verzichten muss.

Es ist leider nicht möglich, die Aminoazidurie kausal zu behandeln. Aus diesem Grund müssen vor allem die Auswirkungen und Beschwerden dieser Krankheit möglichst eingeschränkt werden. Vor allem durch eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr können Nierensteine vermieden werden. Ob durch die Aminoazidurie die Lebenserwartung verringert wird, kann nicht generell vorausgesagt werden.


Vorbeugung

Bei jeder Form einer Aminoazidurie handelt es sich immer um die Auswirkungen einer Primärerkrankung oder eines Primärdefekts wie beispielsweise um fehlerhaft kodierte Transportproteine oder Enzyme. Direkt präventive Maßnahmen, die eine Aminoazidurie verhindern könnten, sind daher nicht existent.

Prinzipiell müssten vorbeugende Maßnahmen deshalb darauf ausgerichtet sein, die assoziierten Primärerkrankungen oder –defekte zu verhindern. Das allerdings ist bei den meisten Primärerkrankungen nicht möglich, weil es sich genetisch bedingte Primärdefekte handelt. Grundsätzlich sind Verhaltensweisen sinnvoll, die Nierenentzündungen und Erkrankungen der Leber vorbeugen.

Nachsorge

In den meisten Fällen weist eine Aminoazidurie auf eine andere vererbte Erkrankung hin, sodass im Vordergrund die Behandlung der Grunderkrankung steht. Ob es dabei allerdings zu einer vollständigen Heilung kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden. In einigen Fällen sind die Betroffenen auch auf eine lebenslange Therapie angewiesen, um die Beschwerden zu lindern.

Möglichkeiten der Nachsorge stehen dem Betroffenen bei einer Aminoazidurie daher nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Im Allgemeinen wirkt sich eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus. Dabei muss auch der Auslöser für die Aminoazidurie gefunden und weiterhin vermieden werden.

In einigen Fällen muss der Patient damit auf bestimmte Lebensmittel und Inhaltsstoffe verzichten, um die Beschwerden minimal zu halten. Um die Ausbildung von Nierensteinen zu vermeiden, sollte besonders viel Flüssigkeit eingenommen werden. Eventuell wird durch die Aminoazidurie auch die Lebenserwartung des Patienten verringert.

Speisen, die einen erhöhten Gehalt an Fructose aufweisen, sollten auf jeden Fall vermieden werden. Bei der Aminoazidurie kann sich auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erkrankung als sinnvoll erweisen, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommen kann.

Das können Sie selbst tun

Eine Aminoazidurie muss von einem Arzt diagnostiziert und behandelt werden. Begleitend zur medizinischen Therapie lassen sich die Beschwerden durch einige Hausmittel und Selbsthilfe-Maßnahmen lindern.

Zunächst sollte die Ernährung umgestellt werden: Lebensmittel mit Fruktose und Saccharose (Säfte, Orangen und Zitronen, Linsen, Rohrzucker, Mürbeteig) werden am besten gemieden, während Speisen mit vielen Aminosäuren (Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier, Quark, Nüsse) vermehrt verzehrt werden sollten.

In Rücksprache mit dem Arzt kann der Speiseplan um Nahrungsergänzungsmittel mit Aminosäure ergänzt werden. Außerdem sollte viel getrunken werden. Dadurch wird zum einen der Stoffwechsel und damit die Verdauungstätigkeit gefördert. Zum Anderen wird Harnsteinen und anderen typischen Folgesymptomen der Aminoazidurie vorgebeugt. Gegen Nierengrieß empfehlen sich auch Hausmittel wie Kombucha, Maistee oder warmes Bier.

Bewährte Heilmittel aus der Natur sind unter anderem getrocknete Stranddistelwurzeln, Eibischblätter oder Birkenblätter-Tee. Diverse Hausmittel und Heilpflanzen lindern zudem Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbrüche. Welche Mittel und Präparate im Detail sinnvoll sind, sollte zuvor mit dem Arzt abgeklärt werden. Zuletzt sollte ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und ausreichend Schlaf gepflegt werden, um den Heilungsverlauf zu beschleunigen.

Quellen

  • Finke, F., Piechota, H., Schaefer, R.M., Sökeland, J., Stephan-Odenthal, M., Linden, P.: Die urologische Praxis. Uni-Med, Bremen 2007
  • Hautmann, R. (Hrsg.): Urologie. Springer, Berlin 2010
  • Sökeland, J., Schulze, H., Rübben, H.: Urologie. Thieme, Stuttgart 2004

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