Adhäsion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Adhäsion beschreibt in der Medizin die Anhangskraft zwischen zwei oder mehr organischen Schichten oder Strukturen. Sie ermöglicht es beispielsweise Blutzellen, sich an die Gefäßwand zu heften und sich so unabhängig vom Blutstrom zu bewegen. Im pathologischen Sinne handelt es sich bei der Adhäsion um eine Verwachsung von Organabschnitten, die zum Beispiel nach einer Operation entstehen kann.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Adhäsion?

Die Adhäsion ermöglicht es beispielsweise Blutzellen, sich an die Gefäßwand zu heften und sich so unabhängig vom Blutstrom zu bewegen.

Bei der Adhäsion (fachsprachlich auch Adhaesio) handelt es sich um das Anhaften von Molekülen an eine Phasengrenzfläche. Die Phasengrenzfläche entsteht zwischen zwei Schichten oder Objekten, die jeweils relativ homogen sind und sich dadurch von ihrer Umgebung abgrenzen. Eine Phasengrenzfläche liegt beispielsweise zwischen verschiedenen Gewebeschichten vor: Jede Schicht besitzt eine andere molekulare Struktur und bildet dadurch eine eigene Einheit. Die Phasengrenzfläche ist keine physische, zusätzlich vorhandene, Gewebeschicht sondern bezieht sich auf die Berührungsfläche zwischen den Molekülen oder Geweben.

Die Anhangskraft kommt aufgrund von physikalischen Wechselwirkungen zustande. Die Moleküle ziehen sich an, stoßen sich ab und reagieren biochemisch miteinander. Bei der Adhäsion führen diese Effekte dazu, dass die Moleküle einander anziehen.

Funktion & Aufgabe

Die Adhäsion spielt bei zahllosen Vorgängen im menschlichen Körper eine wichtige Rolle. Zum Beispiel haften einige Blutzellen an die Wände der Blutgefäße, um nicht vom Blutstrom erfasst zu werden. Einige Blutzellen sind darüber hinaus in der Lage, sich auf diese Weise entlang der Gefäßwände fortzubewegen. Davon profitieren unter anderem Zellen des Immunsystems, die gezielt Infektionsherde aufsuchen können.

Neuere Forschungen zeigen, dass beispielsweise ein bestimmter Typ von T-Zellen sich nicht nur an der Innenwand der Blutgefäße bewegt, sondern auch gegen den Blutstrom wandern kann. Dokumentiert ist auch, dass diese T-Zellen sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Trotz einiger Theorien ist noch nicht abschließend geklärt, welchen Zweck die Wanderung verfolgt; sie scheint jedoch im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen zu stehen.

Darüber hinaus ist die Thrombozytenadhäsion essentiell, damit das Blut gerinnen kann. Der Organismus reagiert damit auf Verletzungen und verhindert zu hohe Blutverluste. Die Thrombozyten oder Blutplättchen bilden bei der Blutgerinnung einen relativ stabilen Verband, indem sie sich aneinander heften.

Auch andere Zellen unterliegen der Adhäsion. Das Gewebe einer Haut oder eines Organs besteht aus zahlreichen Zellen, die eine homogene Masse bilden. Verschiedene Gewebe haften aneinander an, um zum Beispiel die verschiedenen Strukturen in einem Organ zu bilden. Auch die Serosa, eine rötliche Haut, haftet dank Adhäsion an den Organen an. Die Gewebezellen hängen bei der Zelladhäsion an Eiweißen der extrazellulären Matrix. Bei der extrazellulären Matrix handelt es sich um Gewebe im Intrazellularraum. Sie besteht vor allem aus Bindegewebe und ist an der Versorgung von Zellen, der Signalübertragung sowie der Formgebung beteiligt.

Für die Bakteriologie ist das Anhaften von Bakterien an Schleimhäute relevant. Viele Bakterien, die sich über die Atemluft verbreiten, gelangen über die Schleimhäute in den menschlichen Körper. Im Laufe der Evolution haben sich Bakterien deshalb an die molekularen Eigenschaften der Schleimhäute angepasst. Sie sind dadurch in der Lage, in den Organismus einzudringen und sich im Körper zu vermehren. Bakterielle Infektionen führen oft – aber nicht immer – zur Entstehung von Krankheiten.


Krankheiten & Beschwerden

Die Adhäsion hat in der Medizin auch eine pathologische Bedeutung. Entzündungen können die Adhäsion von Gewebeschichten verändern. Dadurch bilden sich bindegewebige Verwachsungen. Fibrin verklebt dabei das Gewebe. Bei Fibrin handelt es sich um ein Protein, das in aktiviertem Zustand wie ein Klebstoff wirkt und im Normalfall unter anderem an der Blutgerinnung beteiligt ist. Die Verwachsungen, die auf diese Weise entstehen, können entweder flächenhafte oder stangenförmige Gestalt annehmen. Die pathologische Adhäsion betrifft Organabschnitte, die aneinander liegen und von der Serosa überzogen sind. Verklebungen und Verwachsungen müssen sich nicht unmittelbar bemerkbar machen, führen jedoch bald zu Funktionseinschränkungen der betroffenen Organe.

Eine Form der pathologischen Adhäsion ist der Verwachsungsbauch oder Bride. „Bride“ leitet sich vom französischen Wort „brider“ ab, was so viel bedeutet wie „zusammenbinden“. Die Verwachsung befindet sich im Fall des Verwachsungsbauchs in der Bauchhöhle und bildet einen Narbenstrang. Aufgrund der Lage der Verwachsung bezeichnet die Medizin den Zustand auch als intraabdominelle Adhäsion. Sie kann zum Beispiel nach Operationen auftreten; etwas mehr als 10 % der Briden bilden sich jedoch aus anderen Gründen. Ein Verwachsungsbauch muss keine unmittelbare Gefahr für den Organismus darstellen und kann auch langfristig völlig harmlos sein, wenn die pathologische Adhäsion sich vor allem auf stützendes Gewebe beschränkt.

Eine mögliche Komplikation, die sich infolge einer Verwachsung in der Bauchhöhle entwickeln kann, ist der Adhäsionsileus oder Bridenileus. Als Ileus bezeichnet die Medizin einen Darmverschluss, der das Risiko eines Darmrisses mit sich bring. Seltener führt ein Adhäsionsileus zur Einschränkung oder Unterbrechung der Blutversorgung. Wird ein Teil des Gewebes nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt, sterben die Zellen möglicherweise ab (Nekrose). Der Adhäsionsileus stellt einen mechanischen Ileus dar. Im Gegensatz zum funktionellen Ileus ist ein mechanischer Ileus häufig mithilfe einer Operation behandelbar. Ein funktioneller Ileus kann zum Beispiel auf eine Vergiftung oder Lähmung der Darmmuskulatur zurückgehen. Die Therapie hängt von der konkreten Ursache ab.

Auch stangenförmige Verwachsungen in Gelenkkapseln und anderen Körperregionen bezeichnen Mediziner gelegentlich als Bride. Durch diese Art der Verwachsung ist möglicherweise die Funktionalität des betroffenen Gelenks eingeschränkt.

Quellen

  • Müller-Esterl, W.: Biochemie. Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, München, 2011
  • Schartl, M., Biochemie und Molekularbiologie des Menschen. 1. Auflage, Urban & Fischer Verlag, München 2009
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. De Gruyter, Berlin 2015

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